Norwegen
Kurz vor den Abschlussprüfungen feiern Norwegens Abiturienten bis zum Exzess
In keinem Land der Welt feiern Abiturienten ihren Abschluss so ausgiebig wie in Norwegen. Die sogenannten Russ-Feierlichkeiten beginnen zwischen dem 20. April und dem 1. Mai und gehen bis zum Nationalfeiertag, dem gestrigen 17. Mai.
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STOCKHOLM/OSLO. Dann trinken und tanzen die rund 40 000 Schüler in eigens dafür gekauften und angemalten riesigen Partybussen – und kommen nicht selten deutlich beschwipst in den Unterricht. Ein Problem, findet nicht nur die Ministerpräsidentin des Landes.
Weil in diesen Wochen aber gern geschwänzt wird, wurde eine Maximalgrenze für Fehltage eingeführt. Immer mehr Abiturienten kommen deshalb nun lieber in stark betrunkenem Zustand in die Schule, anstatt auszuschlafen. Dies hat nun sogar Ministerpräsidentin Erna Solberg auf den Plan gerufen.
"Vielleicht fange ich an, alt zu werden, aber ich hoffe, dass neben mir auch andere reagieren. Die Russ-Zeit ist spaßig, aber die Schule ist wichtig, und wenn am nächsten Tag Schule ist, sollte man das Feiern begrenzen", rügt sie auf Facebook. Das ist ungewöhnlich. Denn das jährliche Ausflippen der Abiturienten ist eine so tief verwurzelte Tradition im Land, dass sie von der Gesellschaft akzeptiert und teils massiv gefördert wird.
Die Russ-Zeit wurde allerdings im Laufe der Jahrzehnte immer länger und exzessiver. "In den 60ern feierten die Abiturienten nur ein paar Tage um den Nationalfeiertag herum. Jetzt sind es Wochen. Ich gönne ihnen das ja, aber es ist bedenklich und traurig, wenn einige Schüler jeden Tag trinken. Die spielen mit dem Feuer bezüglich ihrer Abinote", sagt Christiane Nökling, Deutschlehrerin am renommierten Osloer Handelsgymnasium, der Badischen Zeitung. In der Tat seien einige Schüler sehr unausgeschlafen und hätten in ihrem Unterricht eine Fahne, sagt sie.
Gleichzeitig ist die Russ-Zeit eine wichtige Erfahrung, finden die Norweger. Bereits ein Jahr vorher hat sich etwa die nun 19-jährige Schülerin Ruth Jakobsen mit 20 Mitschülerinnen des Handelsgymnasiums zusammengetan, um einen Partybus mit eigener Disko zu kaufen und einen nüchternen Chauffeur zu organisieren. Die Schüler treffen sich schon im Vorfeld regelmäßig und malen den Bus zusammen an. "Born to rage 2017" heißt Ruths Bus. "Das ist natürlich auch selbstironisch gemeint", sagt sie.
"Am schönsten ist es, dass man in einer Gemeinschaft zusammenwächst und Freunde fürs Leben findet", sagt sie. Wie Ruth musste jede Schülerin in ihrem Verband insgesamt rund 40 000 Kronen (4300 Euro) vom Kaufpreis des Busses bezahlen. Hinzu kommen unter anderem noch Abiturmützen mit Bändern, die um Minigegenstände geknotet werden, wenn bestimmte Mutproben erfüllt werden. Da kann es darum gehen, auf der Straße einem Polizisten ein Küsschen zu geben. Die Beamten kennen das schon.
Wirklich fiesen Gruppendruck versuchen die Jugendlichen zu vermeiden. Norwegische Schulen sind gut darin, Mobbing zu bekämpfen. "Ich mache nicht mit, weil ich das Besaufen sinnlos finde. Aber ich werde deshalb nicht unter Druck gesetzt. Meine besten Freunde feiern ausgiebig, aber wir respektieren einander", sagt etwa Hermann Zahn (19), der zusammen mit Ruth am Handelsgymnasium ist und Bauingenieur werden möchte.
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