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Zischup-Interview

"Rund 600 Kindern habe ich schon auf die Welt geholfen"

  • Finnja Klinger, Klasse 8c, Kolleg St. Sebastian & Stegen

  • Do, 20. August 2015, 13:39 Uhr
    Schülertexte

     

Finnja Klinger, Schülerin der Klasse 8c des Kolleg St. Sebastian in Stegen, hat im Rahmen des Zischup-Projekts eine Hebamme interviewt. Diese wollte nicht mit vollem Namen in der Zeitung stehen. Darum heißt sie hier nur Verena.

Babys brauchen Hebammen.   | Foto: dpa
Babys brauchen Hebammen. Foto: dpa
Zischup: Im letzten Jahr sah man viele Aufkleber und Fahnen mit der Aufschrift "Hebamme". Was haben diese zu bedeuten?
Verena: Es geht um die berufspolitische Geschichte. Die Arbeit der freiberuflichen Hebammen ist durch steigende Berufshaftpflichtversicherungsprämien bedroht, die wir bezahlen müssen. Das ist eine längere und kompliziertere Sache. Das liegt zum einen daran, dass wenn ein Geburtsschaden eingetreten ist, diverse Stellen Regressforderungen in enormen Höhen stellen können. Deswegen gab es den Aufruf an die Politik, dass sich etwas ändern muss, da die Hebammen die Haftpflicht nicht mehr bezahlen können und somit eine neue Gesetzesgrundlage kommen muss.


Zischup:
Was hat dich daran gereizt Hebamme zu werden?
Verena: Der Beruf erschien mir eine perfekte Mischung zu sein – und zwar aus all dem, was mich interessiert. Das Medizinische verbunden aber mit selbstständiger Arbeit. Es ist eine sehr freudige Arbeit mit schönen Erlebnissen und man hat viel mit Menschen zu tun.
Zischup: Was gehört alles zum Aufgabenbereich einer Hebamme?
Verena: Alles rund um Schwangerschaft, Geburt und die Zeit danach. Also sprich Schwangerenvorsorge, Schwangerenbetreuung, Hilfe bei Schwangerschaftsbeschwerden, Vorbereitungskurse, dann natürlich die Betreuung und Leitung bei normalen Geburten. Wenn es Komplikationen gibt, assistieren wir den Ärzten oder arbeiten als Partner zusammen. Dann die Zeit danach, Wochenbettbetreuung, Stillberatung und Rückbildungsgymnastik.


Zischup:
Wie wird man Hebamme?
Verena: Das war bis vor kurzem ein dreijähriger Ausbildungsberuf, in Verbindung mit schulischer Ausbildung und praktischer Ausbildung. Das hat sich mittlerweile aber geändert. Es gibt jetzt auch noch einen Weg, den man mit einem Studium verbinden kann. Es gibt auch die Hochschulform mit weniger Praxis und mehr wissenschaftlichen Ansatzpunkten.
Zischup: Gibt es auch männliche Hebammen?
Verena: Ja, die nennen sich Entbindungspfleger, wobei es die extrem selten gibt. Die Zahl in Deutschland liegt im einstelligen Bereich. Es gibt mehrere, die die Ausbildung gemacht haben, aber nur zwei oder drei, die wirklich arbeiten.
Zischup: Was macht man, wenn zu viele Frauen in die Klinik kommen?
Verena: In dem Krankenhaus, in dem ich arbeite, ist es so, dass wir dann abweisen. Wenn die Kreißsäle voll sind oder wir es vom Personal nicht mehr leisten können, müssen wir die Frauen wegschicken. Die Frauen sollen vorher anrufen, bevor sie sich auf den Weg machen, dann können wir schon am Telefon sagen, dass sie woanders hinfahren müssen. Wenn sie schon da sind, schicken wir sie auch dann noch weg, wenn wir einschätzen können, dass die Zeit noch reicht.

Zischup: Muss man bestimmte Dinge beachten, wenn Frauen aus anderen Kulturen da sind?
Verena: Ja, das ergibt sich meistens automatisch. Zum Beispiel, dass in manchen Kulturen die Männer bei der Geburt nicht dabei sind. Wir zwingen ja auch in unserer Kultur keinen Mann dazu, dabei zu sein. Es gibt auch muslimische Frauen, die die Bitte haben, dass nur Frauen bei der Geburt dabei sind. Das können wir im Krankenhaus aber nicht garantieren. Meistens klappt es, aber eben nicht immer.
Zischup: Was ist mit den Männern bei einer Geburt?
Verena: Viele Männer sind dabei und unterstützen aktiv ihre Frau. Sie halten Händchen, geben Wasser geben oder massieren die Frau. Das ist auch meistens hilfreich. Es gibt auch Männer, die nicht so eine enge Beziehung zu ihrer Frau haben oder nicht so eine liebevolle. Dann gibt es die, die sich völlig überflüssig fühlen und nur daneben sitzen. Oder auch Männer, die stören, weil sie selber so nervös sind und die Frau nur verrückt machen. Dann kommt es auch mal vor, dass ich sage, es wäre besser, wenn sie rausgehen.

Zischup: Was für Unterschiede gibt es bei einer Zwillingsgeburt?
Verena: Prinzipiell werden Zwillinge nacheinander geboren. Der Zeitabstand variiert zwischen ein, zwei Minuten und mehreren Stunden. Es gibt einfach andere Dinge zu beachten. Oft kommen die Kinder früher. Die Geburt ist natürlich auch mit mehr Anstrengung verbunden.
Zischup: Gibt es noch oft Geburten von Drillingen, und hast du schon mal eine miterlebt?
Verena: Ja, allerdings nur per Kaiserschnitt. Spontangeburten gibt es eigentlich so gut wie nie. Da die Frauen aber immer später Kinder kriegen, steigt auch die Mehrheit der Mehrlingsgeburten, wegen künstlicher Befruchtung oder Hormonbehandlungen.
Zischup: Gibt es auch andere Möglichkeiten, als im Krankenhaus zu arbeiten?
Verena: Ja, man kann zum Beispiel Teilzeit arbeiten. Also teils im Krankenhaus und teils freiberuflich. Das Freiberufliche kann man sich ja so portionieren, wie man möchte. Man kann aber auch rein freiberuflich arbeiten.
Zischup: Wie oft kommen heutzutage noch Hausgeburten vor?
Verena: Es gab Zeiten, da kamen die Kinder überwiegend zu Hause auf die Welt. Dann kamen die sechziger und siebziger Jahre, und da gab es eigentlich nur Klinikgeburten. In Freiburg sind ungefähr ein Prozent der Geburten Hausgeburten, ein bisschen mehr als anderswo in Deutschland. Das liegt auch daran, dass es eine große Hebammendichte gibt und somit das Angebot überhaupt da ist. In anderen Orten haben die Frauen gar nicht die Möglichkeit, was eigentlich schade ist, da man ihnen ein Grundrecht nimmt, selber über den Geburtsort zu entscheiden.

Zischup: Was haben Hebammen zu tun, wenn entschieden wird, dass ein Kaiserschnitt stattfindet?
Verena: In Deutschland ist es gesetzlich so festgelegt, dass bei jeder Geburt eine Hebamme dabei sein muss. Das ist wegen Arbeitsüberlastung nicht immer zu erfüllen. Wir können aber beim Kaiserschnitt weitestgehend durch diverse andere Berufsarten ersetzt werden. Wenn wir jedoch dabei sind, bereiten wir die Frau vor. Im Operationssaal nehmen wir dann das Kind entgegen. Normalerweise machen die Hebammen die Erstversorgung. Wenn es jedoch eine Kinderklinik gibt, übernehmen das die Ärzte.
Zischup: Weißt du ungefähr, wie viele Kinder du schon auf die Welt gebracht hast?
Verena: Ich schätze mal, dass ich schon rund 600 Kindern auf die Welt geholfen habe.
Zischup: Ich habe mal gehört, dass der Mond Einfluss auf Geburten haben soll. Glaubst du, dass das stimmt?
Verena: Also meine Beobachtung ist, dass es nicht stimmt, dazu gibt es auch Studien. Es gibt auch außerhalb von Vollmondzeiten Geburtenhochs. Was aber vorkommt, ist, dass je nach Wetterlage viele Frauen vorzeitige Blasensprünge bekommen. Ich konnte oft beobachten, dass so etwas nach Wetterumschwüngen vorkommt.
Zischup: Was gefällt dir an deinem Beruf besonders?
Verena: Mir gefällt, dass er so abwechslungsreich ist. Es ist ein extrem variantenreicher Beruf.

Ressort: Schülertexte

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