Wirtschaft

"SOS vom Arbeitsmarkt": Die November-Zahlen für Deutschland

Kaum Herbstbelebung, Strukturprobleme und mehr Kurzarbeit: Der deutsche Arbeitsmarkt steckt vor dem Weihnachtsgeschäft 2024 in der Krise.  

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Die Fassade der Agentur für Arbeit in Hamburg  | Foto: Marcus Brandt (dpa)
Die Fassade der Agentur für Arbeit in Hamburg Foto: Marcus Brandt (dpa)

Über dem deutschen Arbeitsmarkt hängt das Damoklesschwert von drei Millionen Arbeitslosen. Im Winter könnte die Zahl erreicht werden, nachdem die Herbstbelebung auch im November nicht in Schwung gekommen ist. "Die Entwicklung geht seit Herbst 2023 in die falsche Richtung", sagte die Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles, bei der Vorstellung der November-Statistik für den deutschen Arbeitsmarkt. Und Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger fügte hinzu: "Der Arbeitsmarkt funkt SOS. Drei Millionen Arbeitslose drohen diesen Winter Realität zu werden. So hoch lag die Arbeitslosigkeit zuletzt vor knapp zehn Jahren."

Im November sank die Zahl der Arbeitslosen im Vergleich zum Vormonat Oktober zwar saisonbedingt um 17.000 auf 2,774 Millionen. "Der Rückgang fällt aus unserer Sicht schwach aus", sagte Nahles. "Üblich wäre jedoch ein etwas stärkerer Rückgang gewesen." Die Zahl der Menschen ohne Job liegt um 168.000 höher als im November 2023. Die Arbeitslosenquote sank im Vergleich zum Oktober um 0,1 Punkte auf 5,9 Prozent. Im November 2023 hatte die Quote mit 5,6 Prozent niedriger gelegen. Für die Novemberstatistik zog die Bundesagentur Datenmaterial heran, das bis zum 13. des Monats vorgelegen hat.

Entlassungen und Fachkräftemangel

Die Gründe für die steigende Arbeitslosigkeit sieht Nahles nicht nur in konjunkturellen Problemen. Die deutsche Wirtschaft habe – etwa in der Industrie – vor allem strukturelle Sorgen, es komme in einigen Branchen zu großen Veränderungen, auch mit Entlassungen. Auf der anderen Seite fehlten in vielen Firmen weiterhin Fachkräfte. Die Bundesagentur versuche, diesem Zwiespalt mit sogenannten Job-Drehscheiben zu begegnen. "Da ist unser Ehrgeiz sehr groß, das miteinander zusammenzubringen", sagte Nahles. Die Jobvermittler der Bundesagentur gingen auch direkt in betroffene Betriebe, um einen möglichst großen Teil von Entlassungen betroffene Mitarbeiter "Job to Job" zu vermitteln – also gar nicht erst arbeitslos werden zu lassen, bevor sie eine neue Beschäftigung finden.

Ob die Arbeitslosigkeit im nächsten Jahr weiter steige, hänge auch von der Geschwindigkeit ab, mit der die Industrie in der Lage ist, die Transformationsprozesse voranzubringen, sagte Nahles. Martin Müller, Arbeitsmarktexperte bei der staatlichen Förderbank KfW gibt ihr Recht: "Um das Produktivitätswachstum wieder anzukurbeln, muss Deutschland mehr investieren und die Digitalisierung auch im Dienstleistungssektor und in den Kommunen mit dem Ziel der Produktivitätssteigerung weiter voranbringen", betonte er.

Deutlich gestiegen ist zuletzt die Kurzarbeit. Im September – jüngere verlässliche Daten stehen nicht zur Verfügung – zahlte die Bundesagentur Kurzarbeitergeld an 268.000 Beschäftigte aus. Im August waren es 175.000, im Juli 194.000. Im November kamen bis zum 25. des Monats Anträge für 64.000 weitere hinzu. Ob diese tatsächlich in Anspruch genommen werden, ist aber noch nicht sicher. Insgesamt ist die Kurzarbeit in diesem Jahr deutlich höher ausgefallen als erwartet – die Bundesagentur musste 726 Millionen Euro an Kurzarbeitergeld auszahlen. Das ist mehr als doppelt so viel, wie im Haushalt veranschlagt worden war.

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