Unverpackt-Läden erleben ihre erste Krise
Einkaufen ohne Verpackungsmüll – eigentlich eine tolle Idee, finden viele. Trotzdem stehen manche Unverpackt-Läden vor dem Aus.
So musste Deutschlands erster Unverpackt-Laden in Kiel Ende 2022 schließen. Auch "Zero Hero" in Erlangen ist dicht. Der Passauer Laden "Tante Emmer" kämpft ums Überleben. Rund 270 geöffnete Geschäfte sind zurzeit beim Verband der Unverpackt-Läden in Deutschland registriert. Anfang 2022 waren es noch fast 340. Die Unverpackt-Branche stehe angesichts steigender Lebensmittelpreise und Kaufzurückhaltung genauso wie viele andere Fachgeschäfte vor Herausforderungen, heißt es vom Verband.
Bei "Zero Hero" begannen die Probleme mit Corona. "Davon haben wir uns eigentlich nie erholt", sagt Koenig. In der Zeit hätten sich die Menschen daran gewöhnt, schnell einkaufen zu gehen – oder online. "Der Einkauf im Unverpackt-Laden dauert natürlich länger." Man müsse vorher überlegen, was man brauche, entsprechende Gefäße mitbringen, die Lebensmittel abfüllen und wiegen. Aus Sicht der Nachhaltigkeitsexpertin Petra Süptitz vom Nürnberger Konsumforschungsunternehmen GfK ist das ein Grund für die Probleme der Unverpackt-Läden. "Wir sind alle gestresst und haben viel zu tun. Einkaufen ist etwas, das schnell gehen muss." Zudem kauften viele Menschen zurzeit sehr preisbewusst ein, sagt Süptitz. Nachhaltige Produkte seien ihnen zwar nach wie vor wichtig. "Sie kaufen diese aber nicht mehr im Fachhandel, sondern im Discounter oder als Handelsmarken."
Marie Delaperrière, die ihren Unverpackt-Laden in Kiel Ende 2022 geschlossen hat, sieht auch psychologische Gründe: "Die Leute haben die Assoziation, das ist ein schöner kleiner Laden, der muss teuer sein." Delaperrière hält diese Einschätzung nicht für gerechtfertigt. "Meine Preise waren dieselben wie im Bio-Markt oder auf dem Wochenmarkt." Sie beobachtet eine Verschiebung der Prioritäten, wofür die Leute angesichts der Inflation ihr Geld ausgeben: "In den Restaurants ist am Wochenende immer alles ausgebucht." Ähnlich sieht es Koenig. "Die Deutschen sparen bei den Lebensmitteln als erstes." Freizeitaktivitäten, Reisen oder das Auto seien ihnen wichtiger.
Bisher konnte Carola Böhm ihren Unverpackt-Laden "Tante Emmer" in Passau über Wasser halten – auch dank einer Spendenaktion im vergangenen Jahr. "Damit konnten wir uns über die Monate retten", sagt die Inhaberin. "Doch jetzt ist es wieder schwierig." Als vor Corona überall Unverpackt-Läden eröffneten, sei das Interesse an dem neuen Konzept groß gewesen. Doch "der Hype ist nicht mehr da. Es kommt keine neue Laufkundschaft." Dazu komme die Konkurrenz großer Supermärkte, die Unverpackt-Stationen eingerichtet haben. Diese könnten zu ganz anderen Preisen einkaufen als ein kleiner Laden und seien meist besser mit dem Auto erreichbar. Außerdem habe sich auch bei den Verpackungen viel getan, sagt Böhm. Viele seien nachhaltig oder würden zumindest damit werben. Sie will nun das Konzept ihres Ladens umstellen – wie, überlegt sie gerade.
Ist die Unverpackt-Idee also gescheitert? Nein, meint die GfK-Expertin Süptitz. "Die Unverpackt-Läden treffen vom Grundkonzept den Nerv der Zeit. Es ist eher eine Frage, wie man es richtig macht und seine Kundschaft begeistert." Auch beim Verband der Unverpackt-Läden blickt man trotz allem optimistisch in die Zukunft: 115 neue Läden sind demnach gerade in Planung.