"Vergesst nie, woher eure Familie kommt"
Mehmet Erdem ist 87 Jahre alt und hat eine ganz besondere Lebensgeschichte. Seine Enkelin Ece Kahraman hat ein Interview mit ihm geführt.
Ece Kahraman, Klasse 4b, Karl-Tschamber-Schule (Weil am Rhein)
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BZ: Warum bist du nie zur Schule gegangen?
In meinem Dorf gab es keine Schule. Ich musste von klein auf mithelfen: Wasser tragen, Tiere hüten, Feuerholz sammeln und so weiter. Wir waren arm und jeder in der Familie musste arbeiten. An Schule war da nicht zu denken.
BZ: Wie war deine Kindheit im Dorf?
Die Kindheit war sehr schwer. Es gab keinen Strom, kein fließendes Wasser, keine Maschinen. Alles musste mit der Hand gemacht werden: Brot backen, Holz hacken, Tiere pflegen. Aber die Familie war eng verbunden, das hat uns Kraft gegeben.
BZ: Du warst beim Militär und bist nach Korea geschickt worden. Wie kam das?
1958 musste ich zum türkischen Militär. Damals war der Koreakrieg zwar schon vorbei, aber die Türkei hat trotzdem Soldaten geschickt, um dort zu helfen. Wir sind von Izmir aus mit dem Schiff gefahren – 30 Tage lang auf See. Es war sehr aufregend, aber auch beängstigend. In Korea war es kalt und fremd. Wir waren da, um beim Wiederaufbau zu helfen. Ich habe viele Dinge gesehen, die ich nie vergessen werde.
BZ: Was hast du denn nach der Militärzeit gemacht?
Ich bin zurück ins Dorf gegangen und habe wie früher gearbeitet. Aber ich wollte mehr für meine Familie – eine bessere Zukunft für meine Kinder. Als ich hörte, dass man in Deutschland arbeiten kann, habe ich mich beworben.
BZ: Wann bist du nach Deutschland gekommen?
1970 durfte ich als Gastarbeiter nach Deutschland kommen. Ich kam nach Weil am Rhein und wohnte dort in einem Heim mit vielen anderen Männern aus meinem Heimatdorf. Es war alles neu: die Sprache, das Essen, die Menschen. Ich konnte kein Deutsch, und das war am Anfang sehr schwer.
BZ: Wo hast du gearbeitet?
Ich habe bei der Deutschen Bahn als Rangierer gearbeitet. Das war eine schwere, körperliche Arbeit, aber ich war froh, dass ich Arbeit hatte. Später bekam ich eine Wohnung von der Bahn. Dann durfte ich endlich meine Frau und meine Kinder nachholen. Das war der schönste Moment meines Lebens.
BZ: Wie lebst du heute?
Heute verbringe ich einen Teil des Jahres in Deutschland bei meiner Familie und den Rest des Jahres in meinem kleinen Haus in Pülümür. Dort habe ich einen Garten. Ich liebe beide Orte. Deutschland hat mir eine Zukunft gegeben, und Pülümür ist meine Wurzel.
BZ: Was wünschst du dir für deine Enkelkinder?
Ich wünsche mir, dass ihr die Schule ernst nehmt und eure Chancen nutzt. Ich hatte diese Möglichkeit nicht. Ihr habt heute so viele Türen offen. Nutzt sie! Und vergesst nie, woher eure Familie kommt.
Mein Opa hat ein sehr bewegendes Leben geführt. Er war mutig, stark und hat immer für seine Familie gekämpft. Ich habe durch dieses Interview viel über die Vergangenheit gelernt – und darüber, wie wichtig Familie, Mut und Dankbarkeit sind. Danke, Opa!