Vertagte Zukunft
Im Doppelhaushalt des Landes fehlt wieder einmal das Geld für die Schuldigitalisierung.
Rund eine Milliarde Euro ist in den vergangenen Jahren in Schul-IT geflossen. Es wurden Geräte und Software beschafft, Kabel verlegt und Klassenräume umgerüstet. Nun laufen Folgekosten an, für Wartung, Support und Ersatz – eine teure Daueraufgabe. Wer soll das bezahlen?
In Baden-Württemberg werden solche Themen erst "auf Arbeitsebene" vor- und dann in der Gemeinsamen Finanzkommission (GFK) verhandelt. In ihr sitzen Landesregierung und kommunale Spitzenverbände, also Abgesandte von Gemeinden, Städten und Kreisen. Sie haben im Herbst 2021 verabredet, das Thema zu klären und 2022 "Preisschilder" für die einzelnen Aufgaben zu ermitteln.
Das war für den Digitalisierungsbereich spätestens im Frühsommer 2022 erledigt. Ein internes Papier von Mitte Mai listet die Kosten auf: Software und Endgeräte für Schüler sowie Lehrkräfte, deren Wartung und Support, dazu Investitionen in Infrastruktur und Anbindung der Schulen: Mit 760 Millionen Euro jährlich schlägt die Vollausstattung zu Buche, mit 630 Millionen die Teilausstattung.
Doch als es im Juli in die GFK ging, hatten andere Themen Priorität. Zwar sagte das Land den Kommunen hunderte Millionen zu, doch das Geld sollte zur Unterbringung der vielen neuen Flüchtlinge und für den Kita-Ausbau verwendet werden. Die Schuldigitalisierung, hieß es damals, werde im Herbst wieder aufgerufen, wenn es um den Landeshaushalt für 2023 und 2024 geht. Doch das ist nicht passiert. Auch die Verhandlungen sind beendet. Ergebnis: Die Kommunen bekommen rund 770 Millionen Euro – 530 Millionen für Flüchtlinge, der Rest für Kitas und die Ganztagsbetreuung an Grundschulen, auf die es ab 2026 einen Rechtsanspruch gibt. Schuldigitalisierung? Vertagt.
Die Kommunen hätten das Thema ausgeklammert, heißt es. "Ich war total von den Socken. Das ist doch ein Top-Thema", sagt einer, der für das Land mit am Tisch saß. Von "großer Verwunderung" spricht ein anderer. Ein Sprecher des Kultusministeriums betont: "Die Aufteilung der Mittel auf die verschiedenen Aufgaben in der Gemeinsamen Finanzkommission entspricht der Priorisierung, welche die kommunalen Landesverbände vorgenommen haben." Die zu schulternden Aufgaben ließen finanziell einfach nicht mehr Spielräume.
"Die Flüchtlingskosten hatten Priorität", sagt Alexis von Komorowski, Vertreter der Landkreise. "Das Thema drängt und wir wollten toxische Debatten in den Kreis- und Gemeinderäten vermeiden." Und in der Kinderbetreuung gebe es eben zu erfüllende Rechtsansprüche. Das Land stellt sich im Zweifel auf den Standpunkt, grundsätzlich seien für die Technik die Schulträger zuständig – bis man etwas Anderes verabredet. Das aber ist für die nächsten zwei Jahre wohl erstmal vertagt.