Natur
Wo kann man im Herbst besonders gut Vögel beobachten?
Wenn die kalte Jahreszeit naht, machen sich viele Vögel auf den Weg in ihre Winterquartiere. Wo man sie jetzt am besten beobachten kann, erklärt Ornithologe Carsten Brinckmeier im Interview.
Sa, 11. Okt 2025, 17:00 Uhr
Umwelt & Natur
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BZ: Herr Brinckmeier, welche Vögel kann ich derzeit hören?
Da erlebt man mitunter Erstaunliches in diesen Tagen: Wenn es nach der Morgennebelklärung sonnig und damit wärmer wird, kann sich das wie Frühling anhören. Das sind die Herbstgesänge der Singvogelarten, die noch nicht weggezogen sind. Der Hausrotschwanz zum Beispiel ist gerade häufig auf Dächern mitten in der Stadt oder in Dörfern zu hören, wo er in Nischen unserer Häuser lebt, der verkrümelt sich erst in den ganz kalten Monaten gen Süden. Auch die wärmeliebende Zaunammer habe ich in den vergangenen Tagen in den Weinbergen gehört. Davon hatten wir vor 20 Jahren nur wenige Brutpaare, inzwischen ist sie hier etabliert.
"Das kann sich wie im Frühling anhören."
BZ: Bleiben uns viele Singvögel über den Winter erhalten?
Ja, da herrscht kein Mangel. Wir bekommen auch viel Besuch über den Winter: Finkenarten, wie Buch- und Bergfink und auch Meisen kommen von weit aus dem Norden Europas zum Überwintern hierher. Das geht jetzt gerade los, dass man einen Tannenmeisen- oder Blaumeisenzug beobachten kann.

BZ: Wo habe ich gute Chancen, die Zugvögel zu beobachten?
Das ist ganz unterschiedlich, die Arten haben verschiedene Zugstrategien. Es gibt nachts ziehende Arten, die man dann natürlich nicht so gut mitbekommt. Aber viele Arten ziehen auch tags und sind dabei auffälliger. Arten, die in Formationen fliegen, wie Kraniche, gibt es in Südbaden eher wenige. Aber gerade in der Zeit des "Herbstens" sieht man auch große Trauben aus Staren. Im Kaiserstuhl kann man Trupps aus Meisen sehen, die von Hecke zu Hecke fliegen. Wenn diese dann ein größeres Tal überqueren müssen, steigen sie ganz weit auf und ziehen in die Höhe. Auch Buchfinken- und Kernbeißerzüge lassen sich vormittags gut am Rand des Schwarzwaldes beobachten. Gut ausgebildete Ornithologen hören die sogar zuerst, bevor sie die Zugvögel sehen.
BZ: Weil sich die Vögel im Flug unterhalten?
Sie kommunizieren mit sogenannten Stimmfühlungslauten. Mit Flugrufen halten sie die Gruppe zusammen. Ungefähr so, als wenn Sie mit Ihrer Familie in bergigem, unwegsamen Gelände unterwegs sind und zwischendurch immer mal wieder mit Rufen überprüfen, ob alle da und okay sind. Diese Zugrufe sind oft sehr auffällig, beispielsweise beim Buchfink, daran kann man die Vögel gut erkennen.
"In Freiburg empfehlen sich zum Vögel beobachten für Einsteiger im Herbst der Flückiger See oder auch der Schlossbergturm."
BZ: Was mache ich, wenn ich kein so geschultes Gehör habe?
Sie gehen dorthin, wo die Wahrscheinlichkeit für Sichtungen gerade besonders hoch ist. Zum Beispiel auf den Schauinsland in die Nähe der Halde, das ist eine schöne offene Landschaft. Wenn man sich dort morgens hinstellt, kann man mit Sicherheit Singvögel beobachten, auch solche, die nachts rasten und dann zu Tagesbeginn aufbrechen. Manche Zugvögel ziehen nur vormittags und rasten ab dem Mittag. In Freiburg empfehlen sich zum Vögel beobachten für Einsteiger im Herbst der Flückiger See oder auch der Schlossbergturm, das ist richtig toll, auf dieser Höhe kommen einige Zugvögel durch.
BZ: Wenn Sie "morgens" sagen, von wie viel Uhr reden wir dann?
Etwa eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang sollte man vor Ort sein. Dann kann man den entspannt genießen und bekommt eine Menge Vögel zu Gesicht. Mit etwas Glück zum Beispiel den Wiesenpieper. Der ist im Schwarzwald inzwischen als Brutvogel vom Aussterben bedroht, allerdings kommen im Herbst ganze Trupps davon aus der Tundra zu uns. Aus den skandinavischen Fjellwäldern kommt der Bergfink, der nordische Bruder des Buchfinks, jetzt im Oktober zu uns und überwintert hier, ich habe die Tage schon den ersten gehört. Der ist übrigens auch optisch ein Schmankerl mit seiner orangefarbenen Brust.
"Experten können am Flug tatsächlich oft die Vogelart erkennen, das ist ähnlich wie das Gehprofil beim Menschen."
BZ: Was brauche ich an Equipment für die Vogelbeobachtung?
In der Regel reicht ein Fernglas mit genügend Gesichtsfeld, so dass die Landschaft drumherum mit abgebildet wird. So lassen sich die Zugvögel am Himmel gut erkennen. Und auch der "Jizz". So bezeichnet man die komplexe Wahrnehmung innerhalb eines kurzen Momentes. Da spielen das Flugmuster und der Gesamteindruck des Vogelfluges mit rein: Wie genau bewegt sich der Vogel fort – eher flatternd oder eher hüpfend? Wie oft schlägt er mit den Flügeln – die sogenannte Flügelschlagfrequenz? Beinhaltet der Flug Gleitstrecken? Experten können daran tatsächlich oft die Vogelart erkennen, das ist ähnlich wie das Gehprofil beim Menschen.
BZ: Haben Sie noch Tipps für Anfänger?
Es ist natürlich immer eine gute Idee, auf eine geführte Tour zu gehen oder jemanden mitzunehmen, der sich auskennt. Viel lernen kann man auch mit den Videos des Emmendinger Ornithologen Kalle Nibbenhagen, der gibt tolle Tipps auf Youtube. Wer ernsthaft Vögel bestimmen möchte, der ist mit dem Kosmos-Vogelführer – unter Fachleuten "Der Svensson" genannt – gut beraten, da gibt es auch eine Bezahlapp. Was richtig Tolles ist die kostenlose App Merlin Bird ID von Cornell Lab. Damit kann man Vogelstimmen erkennen, wobei die Aufnahmen recht klar sein müssen.
BZ: Wie lange geht der Vogelzug jetzt noch?
Im Oktober gibt es sicher noch eine ganze Menge zu sehen. Wir haben hier übrigens zunehmend die Chance, auch Kraniche zu hören und ihren Formationsflug beobachten zu können. Die mitteldeutsche Kranichachse führt eigentlich über Hessen und Rheinland-Pfalz Richtung Lac du Der in der Champagne, wo große Zahlen an Kranichen rasten und auch überwintern. Aber es gibt immer mehr Kraniche, die am Alpenrand langziehen oder auch mal über dem Schwarzwald zu sehen sind. Spannend wird's am Himmel auch nochmal, wenn richtig Schnee kommt. Je weiter südlich die Gegend, desto mehr ist der Vogelflug von Wetterphänomenen abhängig – wenn es bei uns also nochmal richtig kalt wird, setzt eine Winterflucht aus dem Norden ein und wir können einige Vögel beim Weiterziehen beobachten.
Carsten Brinckmeier ist Ornithologe, wohnt in Emmendingen und arbeitet in der Freiburger Bürogemeinschaft für Landschaftsökologie ABL.
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