Interview

"Der Freundeskreis kann viel bewegen"

Der Freundeskreis Flüchtlinge Lahr besteht seit zehn Jahren. Heimfried Furrer verrät im BZ-Gespräch, welche Erlebnisse ihn besonders berührt haben – und wie das Jubiläum begangen wird.  

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Die Studentinnen Sabrina Arndt (links) und Katharina Topar (rechts) sowie Brigitte Ordowski (Mitte) vom Freundeskreis falten zusammen mit Flüchtlingskindern Papierschiffe. Foto: Freundeskreis Flüchtlinge
BZ: Herr Furrer, was war in zehn Jahren Einsatz für Geflüchtete in Lahr das eindrücklichste Erlebnis?
Es gab viele eindrückliche Erlebnisse, aber am meisten beeindrucken mich die Erfolgsgeschichten der Geflüchteten – wie etwa ein Syrer, der mit großem Engagement die B2-Sprachprüfung abgelegt hat und jetzt als Chemiker arbeitet, oder ein türkisches Mädchen, das nach bestandener C1-Prüfung in Tübingen studiert. Diese persönlichen Entwicklungen mitzuerleben, erfüllt mich mit großer Freude, vor allem durch meinen engen Kontakt im Deutschunterricht. Sehr bewegend war außerdem ein Gedenktag, den ukrainische Geflüchtete mit mehr als 200 Gästen, Musik, Vortrag und einem großen Buffet organisiert haben.

BZ: Und organisatorisch? Wo konnten sie größere Dinge in Bewegung bringen?
Ein Beispiel war eine Spendenaktion für ein schwer verletztes syrisches Mädchen: Innerhalb kurzer Zeit haben wir 15.000 Euro gesammelt und so mehreren Kindern Operationen ermöglicht – das Auge des Mädchens konnte dank einer Hornhautspende sogar gerettet werden. Auch unser Café war organisatorisch eine große Herausforderung, da wir es ursprünglich nur monatlich geplant hatten. Ich habe mich sehr dafür eingesetzt, es wöchentlich anzubieten, und das hat sich bewährt. Von Anfang an kamen mindestens 40, manchmal sogar bis zu 80 Menschen zusammen. Solche Erfahrungen zeigen, dass der Freundeskreis viel bewegen kann, besonders wenn alle an einem Strang ziehen.

BZ: Wo kam der Freundeskreis an seine Grenzen?
Wir haben in unserem Bereich bisher immer viel erreicht und übernehmen mit der Zeit sogar immer mehr Aufgaben, sind aber an die Vorgaben und Zuständigkeiten der Behörden gebunden, was uns manchmal Grenzen setzt. Besonders wichtig ist uns, dass wir den Geflüchteten helfen, hier Fuß zu fassen und sich wohlzufühlen. Ein schönes Beispiel ist unser Café: Viele Geflüchtete haben uns rückgemeldet, wie bedeutend es für sie ist und wie sehr es ihnen hilft, Sorgen zu vergessen und sich heimisch zu fühlen.

BZ: Welche zusätzlichen Aufgaben übernimmt der Freundeskreis?
Zu unseren Aufgaben gehören inzwischen deutlich mehr Ausflüge und Veranstaltungen, etwa gemeinsame Fahrten zum Weihnachtsmarkt oder Wanderungen. Neu hinzugekommen ist unser Kreditprojekt, bei dem wir gemeinsam Fälle besprechen und die Rückzahlungen organisieren, was bisher sehr gut funktioniert. Besonders wichtig ist unsere Fahrradwerkstatt, die inzwischen von einem Team aus Geflüchteten getragen wird und deren Erlöse unserem Grundschulprojekt zugutekommen. Aus früheren Einzelaktionen sind heute feste, kontinuierliche Angebote geworden, was natürlich mehr Aufwand bedeutet. Besonders freut mich, dass immer mehr Geflüchtete selbst Verantwortung übernehmen, neue Ideen einbringen und das Miteinander stärken.

BZ: Wann übernimmt die jüngere Generation die Zügel des Freundeskreises?
Der Generationenwechsel vollzieht sich eher langsam, aktuell tragen noch überwiegend erfahrene Mitglieder wie Klaus Schweizer, ich und andere Pensionierte die Hauptverantwortung – viele sind ehemalige Lehrer, aber es sind auch andere Berufsgruppen wie zum Beispiel ein pensionierter Arzt. Erfreulicherweise engagieren sich unter den Geflüchteten immer mehr junge Leute und bringen neue Ideen ein. Ein besonders schönes Beispiel ist ein Valentinstag-Ball, den zwei junge Frauen – eine Ukrainerin und eine Frau mit afghanischen Wurzeln – komplett eigenständig organisiert haben, von Dekoration bis Musik. Solche Initiativen zeigen, dass die nächste Generation bereits beginnt, Verantwortung zu übernehmen.

BZ: Sie würden also sagen, es gibt genügend Unterstützer?
Ja, es gibt auf jeden Fall genügend Unterstützer, und es kommen sogar immer wieder neue dazu. Besonders schön finde ich, dass viele Menschen ganz von selbst auf uns zukommen und ihre Hilfe anbieten. Beispielsweise haben wir eine engagierte Studentin der Politikwissenschaften, die sich sofort eingebracht hat, bevor sie zum Studium nach Frankreich ging. Auch eine Juristin mit drei Kindern hat nach ihrer Ankunft direkt Kinderprogramme für ukrainische Familien organisiert und später ein Ferienprogramm organisiert.

BZ: Wie wird der Freundeskreis das zehnjährige Bestehen feiern?
Wir feiern es im Rahmen unseres jährlichen Sommerfestes, das wir diesmal besonders gestalten möchten. Zum Programm gehört ein Musiker, der schon einmal bei uns war und mit Piano- und Barmusik für eine schöne Atmosphäre sorgt. Unsere engagierte Politikwissenschafts-Studentin bietet wieder Kinderschminken an, und eine junge Tierärztin aus dem Sprecherkreis macht Hennabemalung. Zudem planen wir eine Bastelaktion für Kinder, bei der auch die Künstlerin Ina Breig mitwirkt. Es wird Eis geben, eine Salatbar und gegrillt wird natürlich auch – aber am wichtigsten sind uns das Miteinander und die gemeinsame Freude am Fest.

Heimfried Furrer (77) ist Sprecher des Freundeskreises Flüchtlinge Lahr. Im Kernteam engagieren sich rund 50 Menschen, im erweiterten Kreis etwa 100. Zudem stehen rund 500 Interessierte im E-Mail-Verteiler.

Das Sommerfest findet am Freitag, 1. August, 15.30 Uhr, im Interkulturellen Garten in der Römerstraße statt.
Schlagworte: Heimfried Furrer, Ina Breig, Klaus Schweizer
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