Natur
Sollte man Gartenvögel im Sommer füttern – oder besser nicht?
Weniger Nistmöglichkeiten, Schottergärten und versiegelte Fläche erschweren auch in Baden-Württemberg den Gartenvögeln das Leben. Ob eine ganzjährige Fütterung ihnen helfen kann, ist aber umstritten.
Do, 29. Mai 2025, 10:00 Uhr
Südwest
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Ernüchternd, teilte die Session Baden-Württemberg des Naturschutzbundes (Nabu) Deutschland Anfang der Woche mit, sei das Ergebnis seiner diesjährigen Stunde der Gartenvögel. Die Zahl der Vögel pro Garten nehme auch in Baden-Württemberg weiter ab: "In 20 Jahren haben wir im Schnitt acht Vögel je Garten verloren und dieses Jahr mit 26,8 Vögeln einen Tiefpunkt erreicht", sagt Nabu-Ornithologe Stefan Bosch. Von den 109.111 Vögeln, die 6024 Menschen im Land in 4058 Gärten beobachtet haben, waren knapp 20.000 Haussperlinge. Es folgten Amsel, Kohlmeise, Star und Blaumeise. Der Feldsperling hat dem Nabu zufolge weiter Plätze eingebüßt, und auch der Hausrotschwanz, Vogel des Jahres 2025, sei immer seltener zu sehen.
Die Ursachen für den Rückgang sind hinlänglich bekannt: weniger Nistmöglichkeiten in Städten, Schottergärten mit exotischen Pflanzen, Flächen, die neu versiegelt, und Äcker, die mit Monokulturen bewirtschaftet werden. Weniger heimische Bäume und Sträucher haben weniger Insekten und Sämereien zufolge, die Vögel finden entsprechend kaum Futter für den Nachwuchs.
Seit Jahren wird daher unter Naturschützern diskutiert, ob eine ganzjährige Fütterung sinnvoll ist. Befürworter wie der Ornithologe Peter Berthold, der um die Jahrtausendwende die Vogelwarte Radolfzell geleitet hat, begründen das mit einem erhöhten Energiebedarf der Vögel in den Frühjahrs- und Sommermonaten, sie müssten schließlich sich selbst und die Jungen versorgen.
"Das Füttern im Sommer ist keine komplett sinnlose Maßnahme, aber auch nicht das ultimative Mittel der Wahl."Gernot Segelbacher
Wer profitiert von der Unterstützung?
Der Freiburger Wildtierökologe Gernot Segelbacher sieht das kritisch: "Ich kann das Bedürfnis nachvollziehen, mit dem Füttern die Vögel unterstützen zu wollen, man muss sich aber fragen: Wer profitiert davon?" Das seien in erster Linie Arten wie Haussperling, Meisen und Finken, also jene, die in Städten sowieso am häufigsten vorkommen. Insektenfresser wie Grauschnäpper und Gartenrotschwanz hingegen haben nichts von den angebotenen Sämereien. "Das Füttern im Sommer ist also keine komplett sinnlose Maßnahme, wenn es um den Vogelschutz geht, aber auch nicht das ultimative Mittel der Wahl", sagt Segelbacher.
Das Beste, was Einzelpersonen für Gartenvögel tun können, sind dem Ornithologen zufolge zwei Dinge: für Struktur im Garten sorgen und Nistmöglichkeiten anbieten. "Die Auswahl der Pflanzen leistet einen wichtigen Beitrag", sagt Segelbacher, "mit Thuja, Buchsbaum und Kirschlorbeer können weder Insekten noch Vögel viel anfangen, besser sind Faulbaum, Holunder und Liguster." Möglichst viel blühen lassen, neben Wiesen auch Sträucher und Stauden pflanzen. Zudem kommen Blühflächen, wie sie mittlerweile öfter in städtischen Grünanlagen angelegt werden, bei den Vögeln offenbar gut an. "Wir sehen da zum Beispiel häufig Finkenvögel reinfliegen", sagt Segelbacher, "sie holen sich dort unter anderem die Samen der Wegwarte."
Sommerfutter enthält weniger Fett
Auch Wolfgang Fiedler vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Radolfzell steht dem Sommerfüttern eher skeptisch gegenüber, aus den gleichen Gründen wie Segelbacher: "Wenn den Insektenfressern die Nahrungsgrundlage wegbricht, werde ich sie nicht mit Futtermischungen erreichen." Zudem hätten Studien Hinweise darauf gefunden, dass Jungvögel, die hauptsächlich mit dem, was ihre Eltern aus Fettknödeln holen, aufgezogen werden, häufiger Wachstumsstörungen zeigen.
"Wer füttern möchte, sollte — im Winter wie im Sommer – auf hochwertiges Futter achten", sagt Fiedler. Das heißt nicht nur, dass es frei von Neophyten wie Beifuß-Ambrosia sein sollte, sondern auch ausgewogen zusammengesetzt. Sommerfutter enthält beispielsweise weniger Fett, das benötigen Vögel vor allem in den kalten Monaten, um sich warm zu halten. Dafür ist der Eiweißanteil erhöht, die Proteine sind essentiell für das Eierlegen und die Aufzucht der Jungen. Ganz wichtig: Der Futterplatz sollte für Katzen nicht erreichbar sein. Sonst war's das mit dem Vogelschutz.