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"Ich kann die Bächle abstellen"

  • Fr, 28. November 2014
    Zisch-Texte

ZISCH-INTERVIEW mit Andreas Allgeier, dem Runzmeister von Freiburg, über Wasser, Rinnsale – und einen Knecht.

Die Tätigkeit des Runzmeisters ist eine traditionelle Aufgabe, die es so nur in Freiburg gibt. Zisch-Reporter David Hodapp aus der Klasse 4 der Hofackerschule Freiburg-Waltershofen hat den Freiburger Runzmeister Andreas Allgeier Anfang November getroffen und über seine Aufgaben befragt.

Zisch: Was ist eigentlich ein Runzmeister?
Allgeier: Der Runzmeister ist der Chef der Runzgemeinschaft. Die Runzgemeinschaft ist ein Wasserverband.

Zisch: Und was genau ist die "Runz"?
Allgeier: Wörtlich übersetzt heißt das "Rinne", es meint also einen künstlich angelegten Wasserlauf. Die Runz in Freiburg ist eine Genossenschaft mit vielen Mitgliedern. Im Mittelalter gab es oft Streitigkeiten zwischen den Handwerksbetrieben über die Nutzung des Wassers am Gewerbekanal. Daher haben sich die Menschen zusammengeschlossen und eine Genossenschaft und somit einen Runzmeister bestimmt.

Zisch: Was macht denn ein Runzmeister?
Allgeier: Ich in Freiburg regle die Wasserführung im Gewerbekanal. Früher war das wichtig, um das Wasser, das die Handwerksbetriebe gebraucht haben, gerecht zu verteilen. Das waren damals Fischer, Gerber, Färber und Müller. Heute geht es hauptsächlich um Hochwasserschutz und die Versorgung der Wasserkraftwerke in Freiburg.

Zisch: Wie genau macht man das, die Wasserführung regeln?
Allgeier: Im Praktischen heißt das, dass ich Wasser aus der Dreisam dem Gewerbekanal zuführe oder es daraus ableite, je nachdem, was gerade wichtig ist. Es muss immer genügend, aber es darf auch nie zu viel Wasser im Gewerbekanal sein, weil sonst die Wasserkraftwerke nicht genug Strom erzeugen können – oder aber die Keller in der Altstadt überschwemmt werden. Um die Wassermenge zu regeln, gibt es beim Sandfang an der Dreisam eine Stellfalle. Bei Hochwassergefahr werden die Stellfallen so gesenkt, dass weniger Wasser kommt, in trockenen Zeiten werden sie eher angehoben. Außerdem muss regelmäßig geprüft werden, ob am Kanal alles in Ordnung ist.

Zisch: Und warum ist jetzt gerade im Freiburger Gewerbekanal überhaupt kein Wasser zu sehen?
Allgeier: Ich habe es ganz abgestellt. Das macht man einmal im Jahr, immer im Herbst, damit der Gewerbekanal saniert werden kann. Das nennt man Bachabschlag. In zirka zwei Wochen stelle ich es wieder an. Man kann in der Zeit auch tolle Dinge in dem Kanal finden. Ich habe zum Beispiel eine schöne Brosche gefunden.

Zisch: Und die Bächle in Freiburg, warum haben die kein Wasser?
Allgeier: Die Freiburger Bächle bekommen ihr Wasser aus dem Gewerbekanal. Wenn ich das Wasser abstelle, bekommen auch die Freiburger Bächle nichts ab. Das regelt eigentlich die Stadt, aber wenn ich oben an der Dreisam am Sandfang die Stellfalle zumache, kommt halt unten kein Wasser an. Da kann dann auch die Stadt nichts machen.

Zisch: Wie sind Sie Runzmeister geworden?
Allgeier: Ich wurde vorgeschlagen und dann von den Mitgliedern der Genossenschaft gewählt.

Zisch: Wie viele Runzmeister vor Ihnen gab es schon?
Allgeier: Die Runz ist sehr alt. In Freiburg wurde sie 1537 zum ersten Mal urkundlich erwähnt und ich bin jetzt der 115. Runzmeister. Es gab im 18. Jahrhundert sogar schon mal einen Andreas Allgeier als Runzmeister.

Zisch: Und wie gefällt Ihnen dieser Job?
Allgeier: Es ist eigentlich kein richtiger Job, sondern ein Ehrenamt. Mir gefällt diese Aufgabe sehr gut, weil viel Tradition dahinter steckt, man ist eng mit den Behörden in Kontakt und der geschichtliche Hintergrund ist spannend. (Sein Gehalt verdient Andreas Allgeier als Diplomingenieur bei der Rhodia Acetow GmbH, d. Red.)

Zisch: Machen Sie das alles alleine?
Allgeier: Nein, ich habe einen Helfer, den sogenannten Runzknecht. Er muss immer erreichbar sein, 24 Stunden am Tag das ganze Jahr, damit bei Hochwassergefahr eingegriffen werden kann. Wenn der Runzknecht nicht kann, dann muss ich losfahren, notfalls auch nachts oder zum Beispiel an Weihnachten. Das ist auch schon einmal vorgekommen.

Zisch: In welcher Jahreszeit ist diese Arbeit am schwierigsten?
Allgeier: Eigentlich im Winter, denn, wenn das Wasser gefriert, kann das einen Stau verursachen, und dann gibt es Hochwasser. Hochwassergefahr besteht aber auch in den anderen Jahreszeiten.

Zisch: Kann eigentlich jeder Runzmeister werden?
Allgeier: Ja, eigentlich schon. Aber man muss auch gewählt werden.

Ressort: Zisch-Texte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 28. November 2014: PDF-Version herunterladen

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