Immer weniger Auerhühner
ZISCH-INTERVIEW mit Forstwirt Matthias Mohaupt.
Levin Abel und Akio Becker, Klasse 4b, Turnseeschule (Freiburg)
Im Schwarzwald lebt ein Urhuhn. Das Auerhuhn. Doch die Tierart wird immer weniger, weil ihr Lebensraum bedroht ist. Matthias Mohaupt, Diplom-Forstwirt, Projektmanager und Habitatpfleger des Vereins Auerhuhn im Schwarzwald, versucht, den Auerhühnern zu helfen. Im Interview mit den Zisch-Reportern Levin Abel und Akio Becker aus der Klasse 4b der Turnseeschule in Freiburg erklärt er, wie besonders das Auerhuhn ist.
Mohaupt: Das kann man nicht so genau sagen. Wir hoffen, noch mehr, als gezählt wurden. Auerhühner kann man nur während der Balzzeit zählen, da kommen sie zusammen, um sich zu paaren. Letztes Jahr wurden noch 114 Hähne gezählt. Man geht von einem Geschlechterverhältnis von eins zu eins aus, also wissen wir gesichert von 228 Auerhennen und Auerhähnen.
Zisch: Ist das viel oder wenig?
Mohaupt: Das sind sehr wenige. Normalerweise möchte man von 600 Auerhühner ausgehen können. Das wäre eine überlebensfähige Population. Der Trend geht sehr steil bergab.
Zisch: Wie groß ist der gesamte Lebensraum der Auerhühner im Schwarzwald?
Mohaupt: Ein Auerhuhn beansprucht bei idealen Lebensraumbedingungen ein Streifgebiet von mindestens 50 Hektar. Ein Hektar entspricht 100 mal 100 Metern, da kommt also eine ganz schön große Fläche zusammen. Leider verteilt sich das Vorkommen aller im Schwarzwald lebenden Auerhühner auf viele getrennte Teilgebiete und Inseln. Für unser Ziel einer überlebensfähigen Population wären idealerweise mindestens 30 000 Hektar zusammenhängender Lebensraum nötig, damit sich die Art auf natürlichem Weg erhalten kann und sich genügend verschiedene Hennen und Hähne zusammenfinden.
Zisch: Arbeiten Sie an einem Naturschutzgebiet für Auerhühner?
Mohaupt: In dieser Größenordnung würde das schwierig werden, da sich in den bevorzugten Höhengebieten, auf den Kuppen, viele Loipen und beliebte Touristengebiete befinden. Da wären die Bürgermeister der Gemeinden nicht begeistert, wenn wir eine Schutzzone für Auerhühner errichten würden. Wir hoffen auf einen vernünftigen und achtsamen Weg der Menschen in und mit der Natur.
Zisch: Wo leben die Auerhühner am liebsten und in welchen Ländern kommen sie noch oder vor allem vor?
Mohaupt: Am wohlsten fühlen sich die Auerhühner in lichten, hellen Wäldern, auf den Kuppen der Höhenlagen und Höhenrücken im Schwarzwald und im gesamten Alpenraum. Aber am meisten kommen sie in Skandinavien, Finnland und Schweden vor. Dort leben viele Exemplare, dort gibt es mehr lichte Wälder, Moore und üppigen Heidelbeerbewuchs. Zudem entstehen häufig Stürme, natürliche Rodung und Brände, die wieder Licht und freie Flächen in die Wälder bringen.
Zisch: Wovon ernähren sich die Auerhühner?
Mohaupt: Das Auerhuhn ist schon ein richtiger Feinschmecker. Die Auerhühner haben auch die längsten Blinddärme der Welt mit 114 Zentimetern. Im Winter fressen sie vor allem Nadeln, am liebsten Kiefern-, aber auch Fichten- und Tannennadeln. Sie sitzen im Baum und verdauen diese Nadeln mit ihrem Kaumagen. Da sind kleine Steine drin, um die Nadeln zu zerreiben und zu zerkleinern. Und einen großen Kropf haben sie auch, bei einem Hahn kann er bis zu einem halben Liter fassen. Im Frühjahr essen sie alles, was die Natur hergibt: Knospen, Blüten, alle möglichen Früchte – bis die Heidelbeere reif ist, das ist ihre Lieblingsspeise.
Zisch: Wie alt werden Auerhühner?
Mohaupt: Sie können bis zu 15 Jahre alt werden. Je nachdem wie gut die Ernährungssituation im Sommer und Herbst war.
Zisch: Welche natürlichen Feinde haben sie?
Mohaupt: Der größte Feind ist der Rotfuchs. Er räubert das Gelege, die Jungvögel und die Hennen. Allerdings ist ein ausgewachsener Auerhahn auch sehr wehrhaft und könnte einen Fuchs verjagen. Dann noch der Mader und aus der Luft der Habicht können dem Auerhuhn gefährlich werden. Wenn sich übrigens ein Auerhuhn erschreckt, zum Beispiel vor dem Fuchs, kann es seine kompletten Schwanzfedern abwerfen. Diese sogenannte Schreckmauser ist ein Überraschungseffekt und kann ihm vielleicht das Leben retten.
Zisch: Hatte der Orkan, der kürzlich über den Schwarzwald fegte, Auswirkungen auf das Auerhuhn?
Mohaupt: Für das Auerhuhn sind Stürme erst einmal nicht schlecht, denn immer wenn ein Baum umfällt, bringt das Licht auf den Waldboden und das brauchen wir für das Auerhuhn. Das Tier freut sich, wenn die Heidelbeere wächst, die braucht etwas Licht. Ein Auerhahn kann bis zu zwei Kilo Heidelbeeren an einem Tag essen. Das ist schon ein ganzer Korb voll.