"Man sollte schwindelfrei sein"

ZISCH-INTERVIEW mit Tobias Zahn, der seine Sommer als Hüttenwart in den Alpen verbringt und in der freien Zeit Kristalle sucht.  

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Tobias Zahn mit dem Pickel beim Strahlen – beim Suchen nach Kristallen.  | Foto: Privat
Tobias Zahn mit dem Pickel beim Strahlen – beim Suchen nach Kristallen. Foto: Privat

Zisch-Reporter Benedikt Walz aus der Klasse 4c der Hebelschule in Freiburg, hat ein Interview mit seinem Patenonkel Tobias Zahn geführt, der ein begeisterter Strahler ist und der im Sommer als Hüttenwart der Cavardirashütte auf 2649 Metern Höhe in den Schweizer Alpen arbeitete. Ihr fragt euch, was ein Strahler ist? Gleich werdet ihr es erfahren.

Zisch: Was macht ein Strahler und darf das jede oder jeder machen?
Zahn: Ein Strahler ist jemand, der Kristalle im Berg sucht, Kristalle, die der Berg im Laufe der Jahrmillionen eingeschlossen hat. Ein Strahler versucht, Kristalle zu finden und aus dem Berg zu klopfen. Dazu sucht er Kluften, so heißen die Bergspalten, in denen die Kristalle oder eben Strahlen zu finden sind. Jede und jeder darf Kristalle, die er oder sie findet, mitnehmen, wenn sie einfach so in der Bergwelt herumliegen. Wer aber mit Werkzeug loszieht, um im Berg zu klopfen, also mit Pickel, Hammer und Meißel, der braucht eine Bewilligung der Behörden.

Zisch: Wie lange bist zu schon Strahler?
Zahn: Ich habe das Strahlen für mich entdeckt, als ich 2008 zum ersten Mal in der Surselva war, so heißt das Gebiet um das Gotthardmassiv. Als ich dort Kristalladern, also Kluften, entdeckt habe, war das wie ein Fieber.

Zisch: Hast du schon viele Kristalle gefunden und was war dein schönster Fund?

Zahn: Schöne Kristalle habe ich schon viele gefunden. Neue Kluften zu finden ist allerdings immer ganz schön schwierig. Eine zu entdecken, in der nicht schon Werkzeug liegt, das heißt, dass sie jemand anders schon entdeckt hat und dort klopft, ist immer super. Mein schönster Fund war, dass ich einmal eine Steinplatte mit unterschiedlich großen Kristallen darauf gefunden habe.


Zisch: Gibt es beim Strahlen auch gefährliche Situationen?
Zahn: Um neue Kluften zu finden, muss man oft klettern. Dafür muss man schwindelfrei sein. Neue Kluften sind dort, wo der Gletscher sich zurückzieht und den Fels freilegt. Da war logischerweise noch niemand. Da gibt es gefährliche Gletscherspalten; auch Lawinen kann es geben. Manchmal findet man auch was ganz anderes, als man erwartet. 2017 hat ein Strahlerkollege unweit unserer Hütte, der
Cavardirashütte, quasi einen Sensationsfund gemacht. Er hat dort, wo sich der Gletscher zurückzieht, unter dem Eis ein Hirschgeweih gefunden. Er hat sich gewundert, dass in so hohen Lagen früher Hirsche waren. Deshalb hat er Gletscherarchäologen um Rat gefragt. Die haben neben dem Geweih Werkzeug aus geschliffenem Kristall gefunden, das ungefähr 8000 Jahre alt ist. Das war wohl zum Jagen und Tiere zerlegen. Das ist der höchste Fund solchen Werkzeugs in der Schweiz, vielleicht sogar in ganz Europa. Ab dem Sommer 2021 wird es an diesem Fundort auch Führungen geben.

Zisch: Du strahlst in den Zeiten, in denen du Hüttenwart bist. Was machst du denn als Hüttenwart so alles?

Zahn: Die Hütte liegt recht abgelegen beim Oberalpstock. Da kommt so schnell kein Handwerker hin. Ich muss also alles, was anfällt, reparieren und warten: die Solaranlage, die Wasserleitung für das Schmelzwasser und so weiter. Dann bin ich natürlich Gastgeber, koche und backe für die Wanderer. Vergangenes Jahr hatten wir im August 40 Zentimeter Neuschnee – da schippe ich dann auch Schnee.

Zisch: Du arbeitest als Hauptarbeit ja eigentlich was ganz anderes. In den Ferien machen viele Leute Urlaub am Meer und wollen am liebsten gar nichts tun. Warum gehst du in deinen Ferien in die Berge zum Arbeiten?
Zahn: Dieser Ort ist so wunderschön und es ist irgendwie wie Nachhausekommen, wenn ich über den Brunigrat und den Gletscher gehe und bei der Hütte ankomme. Es gibt dort keinen Handystress, Bergsteigerinnen und Bergsteiger sind freundliche Leute, und man trifft Menschen, die man sonst nie treffen würde. Es ist ein tolles Leben und Arbeiten mit dem Team. Das gönn’ ich mir! In dieser superschönen Umgebung sind lange Arbeitstage und schwere Arbeit eigentlich egal, und manchmal habe ich ja, quasi als Belohnung, Erfolg beim Strahlen.
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