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Zisch-Interview mit Ex-Lehrerin Maria Rabus

"Sie sollten zeigen, dass ihnen jedes Kind wichtig ist"

  • Julian Rabus, Klasse 4, Hofackerschule (Freiburg-Waltershofen)

  • Fr, 09. April 2021, 14:46 Uhr
    Zisch-Texte

     

Zisch-Reporter Julian Rabus hat seine Oma Maria Rabus, Gymnasiallehrerin im Ruhestand, zu ihrer Lehrertätigkeit und ihrer Sicht auf den Lehrberuf im Wandel der Zeit befragt.

Maria Rabus  | Foto: Privat
Maria Rabus Foto: Privat
Zisch: Was hat sich in deinem Beruf als Lehrerin im Vergleich zu früher verändert?
Rabus: Früher war auch samstags Unterricht. Bis spät in die Nacht habe ich Unterricht vorbereitet oder Schülerarbeiten korrigiert. Das ist heute noch so. Am Anfang, in der Ausbildung, musste ich den genauen Unterrichtsverlauf auf der Schreibmaschine tippen. Kopien gab es nicht. Da musste man Durchschlagpapier zwischen die Seiten in die Schreibmaschine legen. Tippfehler konnte man nicht einfach löschen wie heute auf dem Computer. Arbeitsblätter für Schüler tippte man auf eine Matrize oder schrieb mit der Hand darauf. Auch da konnte man keine Fehler korrigieren. Die Matrize wurde dann in der Schule durch eine Maschine gekurbelt. So entstanden dann die Arbeitsblätter. Das Gedruckte hatte eine bläuliche Farbe. Außer der Wandtafel gab es später in manchen Klassenzimmern Tageslichtprojektoren. Da konnte man auf Folien Texte oder Bilder für die Schüler schreiben, und es gab Kopiermaschinen in den Schulen, die auch Texte auf Folien druckten. Die Schüler und Schülerinnen standen auf, wenn die Lehrerin in die Klasse kam. Später war das nicht mehr üblich, aber gegen Ende meiner Arbeit als Lehrerin habe ich das wieder verlangt, damit sie auch wirklich wahrnehmen, dass jetzt der Unterricht beginnt. Ich war ja meist in jeder Stunde in einer anderen Klasse und mit einem anderen Fach.
Zisch: Hat es dir Spaß gemacht, Lehrerin zu sein? War der Beruf anstrengend?
Rabus: Der Beruf war anstrengend, und manchmal habe ich gestöhnt, wenn ich viel korrigieren musste, oder mir nichts einfiel, um den Stoff interessant rüberzubringen. Und während des Unterrichts musste man versuchen, alle im Blick zu behalten, alle gleichmäßig dranzunehmen und genau auf die Zeit zu achten, dass man vor dem Klingeln die Hausaufgaben gestellt hatte und mit dem Unterrichtsplan fertig war. Auch war es manchmal schwierig, richtig zu reagieren, wenn jemand sich zum Beispiel schlecht benahm, störte, nicht aufpasste oder Müll auf den Boden warf. Aber trotzdem kann ich mir keinen schöneren Beruf vorstellen. Man hat Kontakt mit jungen Menschen und auch interessanten Kolleginnen. Und mir machte es besonders Freude, Wissen weiterzugeben – was die Kinder nicht immer toll fanden, aber viel zu wissen und zu können finde ich wichtig. Schade war, dass es zu selten die Möglichkeit gab, den Kindern zu helfen, wenn sie persönliche Sorgen hatten.
Zisch: Wie waren deine Arbeitszeiten, vor allem in den Ferien?
Rabus: Ich weiß, dass manche Kollegen fast die ganzen Ferien verreisten, aber ich hatte in den "kleinen" Ferien immer Aufgaben zu korrigieren, und in den großen Ferien plante ich spätestens in den letzten beiden Wochen den Unterricht fürs neue Schuljahr. Besonders nervös war ich dann, wenn ich noch nicht wusste, welche Klassen ich unterrichten würde. Da war die Vorbereitung noch komplizierter. Beruhigend war es, wenn ich für Klassen eingeteilt war, in denen ich die Kinder schon kannte. Leider war es oft so, dass ich meinen Stundenplan erst am ersten Schultag bekam. Das kam auch daher, dass die Schulen oft gar nicht wussten, ob sie neue Lehrer bekommen würden und mit welchen Fächern. Später wurde besser geplant, da war der Schuljahresbeginn nicht so aufregend.
Zisch: Warum hast du dich entschieden, Lehrerin zu werden?
Rabus: Ich ging selbst immer gern in die Schule, wollte vieles wissen. Vor allem wollte ich fremde Sprachen lernen. In meiner Familie und meinem Umfeld konnte niemand eine andere Sprache. Damals liefen die ersten englischen Schlager im Radio. So wollte ich unbedingt nach dem Abitur Sprachen studieren. Auch war ich immer der Kirche verbunden und an religiösen Fragen interessiert. Was kann man werden, wenn man das studieren will? Zum Beispiel Lehrerin, und das fand ich sowieso einen tollen Beruf. Ich hätte mich auch für andere Fächer interessiert, vielleicht Mathematik. Etwas später merkte ich auch, dass der Beruf sehr günstig ist, wenn man einmal Kinder haben möchte. Man kann weniger als 100 Prozent arbeiten, und wenn die Kinder Ferien haben, kann man auch zuhause sein.
Zisch: Bist du froh, dass du aufgehört hast, bevor Corona kam?
Rabus: Ja, ich bin jeden Tag dankbar, dass ich in dieser Krise im Ruhestand bin. Erstens, weil ich mich nicht anstecken möchte – ich habe mich vorher in der Schule nie mit Grippe oder sonst etwas angesteckt, habe eigentlich nie wegen Krankheit gefehlt. Zweitens, weil der Online-Unterricht für mich zu schwierig wäre.
Zisch: Was würdest du jüngeren Lehrern raten, vor allem jetzt in der Coronazeit?
Rabus: Nach langer Erfahrung würde ich raten: Das viele Wissen ist nicht so wichtig. Die Lehrer sollen in dieser Krise vor allem die Kinder anrufen oder sonst irgendwie nachfragen, wie es ihnen denn geht. Sie sollten zeigen, dass ihnen jedes Kind wichtig ist und dass sie sich um seine Probleme kümmern. Kinder können am besten lernen, wenn der Lehrer wahrgenommen hat, was sie bekümmert. Auch sollen die Lehrerinnen und Lehrer dem Schüler Rückmeldung geben, wenn er Aufgaben gemacht hat, und sagen, dass sie sie angeschaut haben, und möglichst loben.

Ressort: Zisch-Texte

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