Interview
Barfuß wandern oder am Strand joggen – ist das eine gute Idee?
Sommerzeit ist Barfußzeit. Doch wie gesund ist Barfußlaufen wirklich? Wo und wie häufig ist es gut, mal die Schuhe wegzulassen? Hans Brauns, Chef der Freiburger Uniklinik-Physiotherapie, gibt Antworten.
So, 10. Aug 2025, 13:30 Uhr
Gesundheit & Ernährung
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BZ: Herr Brauns, gerade jetzt im Sommer begegnen einem immer wieder mal Menschen, die nicht nur auf der Wiese, sondern auch in der Stadt oder im Supermarkt barfuß laufen. Was sagen die Füße dazu?
Das Barfußlaufen ist in den vergangenen Jahren zunehmend populär geworden. Das hat auch der Boom der Barfußschuhe getriggert. Ich finde das prinzipiell eine gute Idee, so lange man es richtig macht. Wer barfuß läuft, dem sollte klar sein, dass dies ein ergänzendes Training für die Füße ist und er jetzt nicht auf diese Weise sein Herz-Kreislauf-Training absolvieren und joggen gehen sollte. Wer den Fokus bewusst auf die Füße legt, der erreicht damit auch positive Effekte.
BZ: Die da wären?
Ein rauer Untergrund – und das sind die meisten, sobald ich keine Schuhe trage – trainiert die Muskel- und Sehnenfunktionen am Fuß, was dafür sorgt, dass wir ihn besser ansteuern können. Auch die Durchblutung profitiert.
Hans Brauns ist Ärztlicher Leiter der Zentralen Physiotherapie und Oberarzt in der Sportorthopädie am Universitätsklinikum Freiburg.
BZ: Das klingt doch gut.
Stimmt. Doch man sollte tatsächlich langsam anfangen, wenn man barfuß unterwegs sein möchte. Zum Beispiel erst mal auf gutem Boden auf Gras oder im Sand. Und vor allem: nicht zu lange. Währenddessen ein bisschen vorsichtig sein: Man kann sich schnell eine Schnittwunde holen an Steinen oder Scherben, gerade wenn die Fußsohlen noch nicht abgehärtet sind. Dann schaut man, wie die Füße reagieren, nicht nur während der ungewohnten Belastung, sondern auch am nächsten Tag. Habe ich mir Blasen geholt, habe ich Schmerzen?

BZ: Wieso kann barfuß laufen zu Schmerzen führen?
Weil Strukturen überlastet werden, wenn ich es mit dieser neuen Form der Bewegung übertreibe. So manch einer kennt das vom Strand. Man ist im Urlaub und geht den ganzen Tag begeistert barfuß am Strand entlang, womöglich joggt man sogar. Das führt schnell zu Überlastungsbeschwerden an Sehnen und Sehnenansätzen, das merkt man dann am Tag danach. Wer barfuß läuft, verändert sein Laufbild. Mit Schuhen rollen wir eher über den Rückfuß ab, ohne belasten wir mehr den Vor- und Mittelfuß. Damit wird auch eine stoßdämpfende Wirkung unseres Körpers aktiviert, das Barfußlaufen fordert mehr Dämpfung über die Wadenmuskulatur. Sind Muskeln, Bänder und Sehnen hier untrainiert, merke ich das sehr schnell.
"Mit Barfußlaufen trainiert man die Füße, das lässt sich so extrem steigern, dass manche Menschen auch barfuß wandern gehen."
BZ: Ist ohne Schuhe zu laufen gesünder als mit?
Ein solcher Vergleich macht keinen Sinn. Mit Barfußlaufen trainiert man die Füße, das lässt sich so extrem steigern, dass manche Menschen auch barfuß wandern gehen. Das sehe ich aber nicht als Ziel für die Masse an. Es ist eine schöne Idee, sich so wieder mehr um die Füße zu kümmern, sie wahrzunehmen und zu sehen, was für erstaunliche Fähigkeiten in ihnen stecken, wie sehr sie sich an Wärme und Kälte oder verschiedene Untergründe anpassen können. Wer barfuß läuft, nimmt seinen Körper anders wahr. Wenn man ein paar Kilo zu viel hat, wird man das ohne Schuhe eher merken als mit. Und ja, es hat auch eine gelenkschonende Wirkung. Aber wer anfängt barfuß zu laufen, um Hüft- und Rückenschmerzen wegzukriegen, der greift ein wenig zu kurz.
BZ: Wie jetzt, lieber nicht laufen?
Doch, aber eben nicht zwingend barfuß. Laufen ist per se sehr gut, auch mit Schuhen. Jeder Schritt zählt, das stimmt tatsächlich. Und es gibt wirklich nur wenige, die zu viel laufen.
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BZ: Barfußschuhe ...
... sind ein Trainingsgerät. Sie stellen den Kompromiss zwischen klassischen Schuhen und dem Barfußlaufen dar. Man hat maximalen Bodenkontakt, aber keinerlei Dämpfung. Und ist gleichzeitig vor Verletzungen geschützt. Man macht in denen wie beim Barfußlaufen auch intuitiv kleinere Schritte. Auch hier haben wir ein verändertes Gangbild, man muss sich also langsam dran gewöhnen. Wenn man gesunde Füße hat und Schritt für Schritt beginnt, ist das Tragen von Barfußschuhen völlig in Ordnung.
BZ: Wem würden Sie das Laufen mit nackten Füßen empfehlen?
Auf jeden Fall kleinen Kindern, die sollten viel barfuß laufen, damit sich die Füße samt der umgebenden Strukturen gut entwickeln können. Für ältere Menschen kann es ein ergänzendes Kräftigungs- und Koordinationstraining sein. Allerdings würde ich das nur in einem entsprechend sicheren Umfeld und als gezielte Maßnahme empfehlen. Für Menschen mit Fußfehlstellungen und starkem Übergewicht ist Barfußlaufen eher nicht geeignet, sie sollten mindestens vorher mit ihrem Arzt darüber sprechen. Und für jeden, der anfängt, gilt: Gerne bei den ersten Runden Stöcke mitnehmen. Das hilft an kniffligen Stellen beim Balancieren und kann die Füße entlasten.
BZ: Und nach dem Laufen?
Waschen, auf Wunden kontrollieren und eincremen – das freut Ihre Füße.
Der moderne Mensch hat Erfahrung im Barfußlaufen: Seit gut 300.000 Jahren bewegt sich Homo sapiens über die Erde. Er geht, läuft und springt auf weichen, harten, unebenen Böden – alles dank seiner Füße. Diese haben sich mit Fußgewölbe, Zehenbeweglichkeit und einer gut ausgeprägten Sensorik an der Sohle an die Herausforderungen ohne Schuhe angepasst. Erst vor gut 40.000 Jahren begannen die Menschen, ihre Füße mit sehr einfachen Schuhen vor Verletzungen und Kälte zu schützen. Inzwischen werden damit Fersen erhöht, Fußgewölbe gestützt und die Kräfte beim Auftreten gedämpft. Das permanente Tragen von vor allem starren Schuhen kann zu Fehlbelastungen, Fehlstellungen und Muskelschwächen führen, weil viele Strukturen im Fuß nicht mehr in der ursprünglich gedachten Weise in Anspruch genommen werden.