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"Ich wollte ins kalte Wasser springen"

  • Fr, 03. Mai 2019
    Schülertexte

ZISCHUP-INTERVIEW mit dem 24-Jährigen Robin Cytatzky, der als Rucksackreisender für 14 Monate in Australien unterwegs war und dort auch gearbeitet hat.

Robin Cytacki beim Abhängen im australischen Kalbarri National Park.  | Foto: privat
Robin Cytacki beim Abhängen im australischen Kalbarri National Park. Foto: privat

Viele junge Menschen zieht es ins ferne Australien. So auch den 24-jährigen Robin Cytatzky*. Im Dezember 2017 flog er hin, vergangenen Februar kam er wieder. Im Interview mit seiner Cousine, Zischup-Reporterin Vicky Cytacki* aus der Klasse 9c des Kreisgymnasiums Hochschwarzwald in Titisee-Neustadt, erzählt er von seinem großen Abenteuer.


BZ:
Wie fühlt es sich an, wieder in vertrauter Umgebung zu sein?
Cytatzky: Sehr komisch, weil einfach alles so anders ist. Angefangen bei so ganz simplen Sachen wie Linksverkehr. Als ich hier angekommen bin, bin ich zum Auto gelaufen und stand auf der falschen Seite. Das Klima ist auch ganz anders. In einem Land, in dem die Sonne die ganze Zeit scheint, sind die Leute auch ganz anders drauf. Dann kommen noch Geschichten wie Jetlag dazu. Man merkt richtig, wie man nachts nicht mehr schlafen kann und nur noch verwirrt durch die Gegend läuft. Ich war ja 14 Monate weg, und da ist es echt eine Aufgabe, sich hier erstmal wieder einzugliedern.

BZ: Wieso hast du dich dazu entschlossen, nach Australien zu reisen?
Cytatzky: Weil alles direkt schon vorbereitet ist. Ich hatte mein Visum innerhalb von 20 Sekunden online. In anderen Ländern ist es nicht so einfach, für ein Jahr mit Arbeitserlaubnis einzureisen. Da ist Australien schon sehr besonders. Eine Nummer, ein Konto, eine Arbeitserlaubnis und eine Steuernummer konnte ich an einem Tag organisieren. Genauso einfach war die Anmeldung des Autos. Das würde hier niemals so schnell funktionieren.

BZ: Eigentlich wolltest du nur ein Jahr in Australien bleiben, hast deinen Aufenthalt dann aber noch um zwei Monate verlängert. Warum?
Cytatzky: Ganz am Anfang sollte es eigentlich nur ein halbes Jahr sein. Beim Planen der Reise ist mir aber schnell aufgefallen, dass sechs Monate nicht wirklich Sinn machen. Wenn man schon ein Visum für ein Jahr beantragt und noch drei Monate arbeitet, um sich ein Visum für ein zweites Jahr zu besorgen, sind drei Monate fürs Reisen viel zu wenig. 14 Monate wurden es dann dadurch, dass ich angefangen habe auf einer Farm zu arbeiten und dann im Anschluss noch den Road Trip gemacht habe. Am Ende bin ich nochmal zurückgekommen, um auf der Farm zu arbeiten, weil mir langsam das Geld ausging und ich noch drei Monate Visum übrig hatte. Dann wollte ich natürlich auch noch ein paar andere Sachen ansehen und bin noch nach Indonesien und auf die Philippinen gegangen.
BZ: Ist es schwer, als Deutscher Arbeit in Australien zu bekommen?
Cytatzky: Das ist so eine Sache. Wenn man arbeiten will, findet man immer Arbeit. Mit diesen Work-and-holiday-Visa sind wir als Deutsche relativ privilegiert. Ich hatte am Anfang gar nicht geplant, schon so früh nach Arbeit zu suchen. Es hat sich dann so ergeben. Nach einer Woche Aufenthalt habe ich mit einigen anderen Backpackern direkt etwas auf einer Farm gefunden. Bei mir war es super einfach, und ich hatte auch echt Glück, weil ich auf einer echt netten Farm gelandet bin. In den großen Städten ist es recht schwierig, Arbeit zu bekommen, weil dort eben unheimlich viele Backpacker sind.

BZ: Was genau ist ein Backpacker?
Cytatzky: Backpacker sind einfach Menschen, die sich einen Rucksack aufsetzen und die Heimat verlassen, um sich einfach mal die Welt anzugucken. "Backpack" steht ja für das Wort Rucksack und Backpacker sind einfach Rucksackreisende. Davon trifft man sehr viele in Australien, weil es super einfach ist sich dort anzumelden und sein Ding zu machen.

BZ:
War es einfach, sich anderen Backpackern anzuschließen?
Cytatzki: Super einfach! Es gibt viele Hostels, in denen man jeden Tag neue Menschen kennenlernt. Ich habe ein Reisebuch angefangen, in dem ich immer eine Seite freigelassen habe für Leute, die ich unterwegs getroffen habe, damit sie etwas reinkritzeln können.

BZ: Hat der Aufenthalt in Australien dir geholfen, deine Englischkenntnisse zu verbessern?
Cytatzky: Es hat mir in jeder Hinsicht geholfen mein Englisch zu verbessern. Ich muss aber zugeben, dass mein Englisch davor schon sehr gut war, dadurch, dass ich meinen Bachelor in International Eventmanagement auf Englisch gemacht habe. Der Aufenthalt hat mich trotzdem viel selbstbewusster in meinem Englisch gemacht. Ich war ja durchgehend von Australiern umgeben, die natürlich nur Englisch sprechen, sich aber auch Mühe geben einen zu verstehen. Nach einer Weile war es auch ziemlich verwirrend, am Telefon wieder Deutsch zu reden, weil mir nur noch die englischen Wörter eingefallen sind.


BZ:
Sind Australier generell offene Menschen?
Cytatzky: Grundsätzlich würde ich sagen, dass Australien ein sehr westliches Land ist. Man darf sich das alles gar nicht so anders vorstellen. Es gibt überall böse und gute Menschen, aber grundsätzlich würde ich sagen, dass Australier sehr nette Menschen sind. Natürlich gab es auch Situationen, in denen ich so schnell wie möglich wegwollte.

BZ: Hast du ein Beispiel für so eine Situation?
Cytatzky: Es gibt viele Beispiele, um ehrlich zu sein. Ganz schlimm war es, wenn man in einem Loch von Australien gelandet ist und die Leute behaupteten, dass sie die Ureinwohner Australiens nicht haben wollen und diese zu Unrecht finanziell unterstützt werden.

BZ: Haben dir auch Dinge von zu Hause gefehlt?
Cytatzky: Je länger ich unterwegs war, desto mehr habe ich angefangen, deutsche Musik zu hören und auch Familie und Freunde zu vermissen. Insgesamt habe ich aber selten etwas vermisst. Ich habe gelernt, mit wenigen Dingen auszukommen, weil ich mit der Zeit gemerkt habe, was ich nicht brauche.

BZ: Als Außenstehender bringt man Australien oft mit Gefahr in Verbindung. Man hört von gefährlichen Tieren wie Spinnen und Schlangen. Ist es wirklich so gefährlich?
Cytatzky: Als ich aufgebrochen bin, war mir das gar nicht bewusst. Angst vor Spinnen hatte ich aber nie wirklich. Statistiken zeigen auch, dass Spinnen in den letzten 15 Jahren keinen Menschen mehr in Australien getötet haben. Da sind wir medizinisch inzwischen so weit, dass man davor keine Angst haben muss. Bei Schlangen ist das leider nicht so, weil Schlangenbisse oft tödlich ausgehen. Ich wurde auch sehr oft mit Schlangen konfrontiert und habe sie leider Gottes auch töten müssen, weil sie sich um die Farm herum angesiedelt hatten. Klar ist es hart mit tödlichen Schlangen umzugehen, weil der erste Gedanke ist, dass es gleich vorbei ist und man selber ins Gras beißt. Man muss sich einfach dieser Gefahr bewusst sein und wissen, was man macht. Das wurde mir aber am ersten Tag gleich mehrmals erklärt.

BZ: Was wusstest du über Australien, bevor du aufgebrochen bist?
Cytatzky: Gar nichts. Ich hatte echt nicht viel Plan. So banale Sachen wie, dass es dort Krokodile, ein paar giftige Tiere und ein Opera House gibt, aber ansonsten hatte ich nicht wirklich eine Ahnung. Ich wollte ins kalte Wasser springen.

BZ: Gab es durch diese Ungewissheit auch Momente, in denen du Angst hattest und nicht mehr weiterwusstest?
Cytatzky: Ja, natürlich. Man redet auch mit anderen Reisenden viel darüber, wie so die Gefühlslage ist, weil man seinen Gedanken ausgesetzt ist. Man überlegt, ob es das alles wert ist. Ich hatte Situationen, in denen ich montags meine Pläne abgeholt habe und erst freitags wieder Menschen gesehen habe. Gerade wenn man aus so einem Umfeld kommt wie ich und ständig von Menschen umgeben ist, ist das eine krasse Umstellung. Aber ich denke, dass ich diese Aufgabe sehr gut bewältigt habe.

BZ: Welches Ereignis hat dich dann dazu gebracht, wieder nach Hause zu fliegen?
Cytatzky: Kein Geld.

BZ: Wie war die Reaktion deiner Familie, als du wieder zu Hause warst?
Cytatzky: Das war super witzig, weil ich keinem erzählt habe, dass ich nach Hause kommen werde. Ich hatte das ganze Jahr über einen Haustürschlüssel mit dabei und bin dann einfach bei uns reingelaufen. Mein großer Bruder war am Schlafen und hat gedacht, dass er ein Gespenst sieht. Mein kleiner Bruder und mein Papa waren geschockt, aber natürlich glücklich, und Mama hat fünf Minuten lang geheult.
BZ: Würdest du so eine Reise noch einmal machen?
Cytatzky: Jederzeit. Bevor ich 30 werde, möchte ich noch das zweite Jahr in Australien machen, weil das Land einfach so unendlich groß ist und es so viel zu sehen gibt. Manche Sachen kann man sich nicht kaufen, die muss man einfach erleben.

BZ: Und wie sieht dein Plan für die Zukunft aus?
Cytatzky: Zum einen möchte ich einen Job in meinem Bereich finden, im Veranstaltungsmanagement. Andererseits hatte ich geplant, einen Master an meinen Bachelorabschluss anzuschließen.

BZ: Würdest du so eine Reise weiterempfehlen?
Cytatzky: Unbedingt! Um die Frage zu beantworten, muss man einfach zwischen den Zeilen lesen. Natürlich kann so eine Reise am Anfang auch ein bisschen beängstigend sein, aber gerade Australien ist so ein Land, in dem man auf so viele anderen Reisende im selben Alter stößt. Ich habe auch 18-Jährige kennengelernt, die frisch nach dem Abi in den Flieger gestiegen sind. Man sollte es sich auf jeden Fall nicht entgehen lassen, bevor man zu alt ist und zu viele Pflichten hat.

BZ: Würdest du im Nachhinein sagen, du hättest die Reise früher machen sollen?
Cytatzky: Ja, würde ich. Allein aus dem Grund, weil es sehr selbstständig macht.

BZ: Bist du jetzt ein weltoffenerer Mensch?
Cytatzky: Klar. Aber das war ich schon immer. Sich auf so eine Reise zu begeben, kann helfen, ein bisschen offener für die Bewohner des Planeten zu werden.

* Cytatzky ist ein polnischer Name, Robins Familie hat die polnische Schreibweise behalten, Vickys Familie hat den Namen ans Deutsche angeglichen.

Ressort: Schülertexte

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