Freiburg

Kolumnist Harald Martenstein war im Rotteck-Gymnasium zu Gast

Harald Martenstein erzählt bei "Nachgefragt" im Rotteck-Gymnasium viele Anekdoten aus seinem Leben. Diese handeln von Dosenravioli mit Tabasco – und einem Friedhof für schlechte Texte.  

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Jonas Durst (links) und Lisa Pflanz waren die Gastgeber bei „nachgefragt“ mit Harald Martenstein (Mitte) am Freiburger Rotteckgymnasium. Foto: Ingo Schneider
Volles Haus wie immer im Rotteck-Gymnasium: Die Oberstufenschüler Lisa Pflanz und Jonas Durst haben in der Reihe "nachgefragt" den Journalisten, Buchautor, Zeit- und Tagesspiegel-Kolumnisten Harald Martenstein zu Gast. Seine Kolumnen lassen erahnen: Man kann ihn alles fragen. Das gründlich vorbereitete Moderatorenduo nutzt das weidlich aus. Und bekommt auf alles eine – meist meinungsstarke – Antwort, sei es zu Brexit, Upload-Filtern oder Klimademonstrationen. Nicht alle dürften ihnen gefallen haben.

Martenstein erzählt Anekdoten

Kommen wir zu den Ravioli, die der Gast weisungsgemäß aus einer Dose in einen Topf füllt und auf einer Kochplatte erwärmen soll. Fast hätte er sie anbrennen lassen, hätte Jonas Durst den Redefluss nicht gebremst. Wozu er sich des Öfteren an diesem Abend genötigt sieht. Wenngleich es durchaus amüsant ist, Martenstein beim assoziativen Verfertigen seiner Gedanken zuzuhören. Wie auf Knopfdruck sprudeln Anekdoten und Erinnerungen aus ihm heraus.

Die beiden Rotteckschüler drücken viele Knöpfe. Die Ravioli also, die es immer bei Oma gab, die noch "ein unbefangenes Verhältnis zu Dosenkost hatte". Der Enkel pflegte sie mit Tabasco zu "verfeinern". Was ihm, wie Zeit-Leser wissen, auch in seinen Kolumnen immer wieder gelingt: Das Alltäglichste mit Würze zu versehen. Ganz so uninspirierend kann die großteils bei den Großeltern verbrachte Kindheit dieses 1953 geborenen "Meenzer Bubs" also nicht gewesen sein.

Von seiner Begeisterung für den Kommunismus ist bei dem früheren DKP-Mitglied nicht viel geblieben: "Das unglaublich autoritäre Klima war schrecklich." Auch der Kibbuz-Sozialismus in Israel, den er nach dem Abitur über "Aktion Sühnezeichen" kennenlernte, sei inzwischen "den Bach runtergegangen".

Gespür für die Fallhöhe idealistischer Positionen

Schon damals muss der spätere Kisch-Preisträger ein Gespür für die Fallhöhe abgehobener idealistischer Positionen entwickelt haben: Ausgerechnet in Israel hat der Kriegsdienstverweigerer das Schießen gelernt. Und dass "mit Orangenpflücken im Kibbuz die Naziverbrechen gesühnt werden sollten, finde ich bizarr". Martensteins rheinhessischer Tonfall ist bis heute zu hören und selbstredend wählt er aus den angebotenen Getränken den rheinhessischen Riesling. Zwischen "Schlemmerparadies" und "Dschungelcamp" schwankt das Lebensgefühl des Kolumnisten, wenn er mit Lisa Pflanz und Jonas Durst um die Wette Blumenkästen bepflanzt und in schwarzen Säckchen schleimige Glibbermassen ertastet.

Eigentlich, bekennt er, wollte er Tierarzt werden: "Aber da hätte ich wegen des Numerus Clausus wahrscheinlich erst jetzt einen Studienplatz bekommen." Stattdessen studierte er Geschichte und Romanistik an der Freiburger Universität. In der BZ-Redaktion Titisee-Neustadt gab er sein Debüt als Journalist. Einige Jahre war er Redakteur der Stuttgarter Zeitung.

Martenstein schreibt seine Kolumnen am Küchentisch

Wie das denn geht mit dem Kolumnen-Schreiben, wollen die Moderatoren vom Ausbilder an der Henri-Nannen-Journalistenschule wissen. "Das könnte jeder", meint er. Voraussetzung bei ihm: Er braucht zum Arbeiten eine Küche. Schließlich hat er immer Hausaufgaben am Küchentisch gemacht. Sollte er darin mal eine Kolumne über Urheberrecht schreiben, können seine Interviewer nicht mit solidarischer Empörung rechnen. "Stellt euch vor, ihr würdet Stühle bauen und jemand nähme sie einfach mit ohne zu zahlen. Das würdet ihr auch nicht so schön finden."

Nicht alles sei gut, was er schreibe. Schlechte Texte verschiebt er in den Ordner "Friedhof". "Wenn ich mal nicht zum Schreiben komme, suche ich mir auf dem Friedhof die schönste Leiche aus."

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