Leserbrief: Eine Gelegenheit, sich fremdzuschämen

Ursula Stolz

Von Ursula Stolz (Ettenheim)

Di, 24. Januar 2023

Lahr

STREIT MIT KANZLEI
Zum Bericht über den Streit der Kanzlei Stoll & Sauer mit der Stadt Lahr, der in der Ausgabe am 20. Januar erschienen ist und in dem es um Mietpreise für Sozialwohnungen geht, äußert sich eine Leserin der Badischen Zeitung aus Ettenheim.
Nun wissen wir also, dass die Lahrer Rechtsanwälte Stoll & Sauer ihr Geld (auch) in Immobilien investieren. Neuerdings wurde der Bau von Sozialwohnungen in Lahr angestrebt.

Wie sich – zum Verdruss der Anwälte – zeigte, liegt die Vergleichsmiete in der Stadt Lahr zu niedrig, um damit im sozialen Wohnungsbau Renditen in der gewünschten Höhe zu erzielen. Dies wollen die Herren Anwälte offensichtlich nicht wahrhaben und streiten mit der Stadtverwaltung. Was aber erwarten Stoll & Sauer von Lahr? Einen Fantasie-Vergleichsmieten-Wert, das heißt, eine Art städtische Beihilfe? Äußerst bedenklich, wenn diese Haltung zuträfe.

Dass die Anwaltskanzlei ihre Wünsche öffentlich bekanntgibt, ist zusätzlich bemerkenswert und gibt Mitmenschen mit echtem Sozialengagement Gelegenheit, sich fremdzuschämen.

Mit Interesse las ich auch den Hinweis von Herrn Anwalt Stoll, dass die Kanzlei in Lahr hohe Gewerbesteuern zahle. Freiberuflich tätige Rechtsanwälte unterliegen mit ihren Berufseinkünften grundsätzlich nicht der Gewerbesteuer.

Tatsächlich firmiert die Anwaltskanzlei als GmbH, hat also freiwillig die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft gewählt. Als sinnvolle Gründe hierfür können beispielsweise in Betracht kommen: Reduzierung des Haftungsrisikos für die Anwälte und steuerliche Begünstigung von Altersvorsorge für die Geschäftsführer. Den verschiedenen Vorteilen einer GmbH steht aber eben die Gewerbesteuerpflicht gegenüber. Die aufgrund einer freiwilligen Entscheidung in Kauf genommenen Gewerbesteuerzahlungen nun gegenüber der Stadt in der Immobiliendebatte ins Spiel zu bringen, hat einen schlechten Beigeschmack.

Der Berichterstattung der Badischen Zeitung sei Dank hat nun jeder Zeitungsleser die Möglichkeit, sich über die Einstellung und Zielsetzung der Investoren eine differenzierte Meinung zu bilden.Ursula Stolz, Ettenheim