US-Zölle
Nach Trumps Zoll-Schock: Die Schweiz sucht nach Antworten
Die US-Zollpolitik trifft die eidgenössische Wirtschaft hart. Eine Folge: Die beiden Basler Pharmariesen werden ihre Produktion in den USA hochfahren. Auch die Partnerschaft mit der EU wird beschworen.
So, 17. Aug 2025, 13:00 Uhr
Wirtschaft
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Seit 7. August belegen die USA die Schweiz für den Export von Gütern mit Zöllen von 39 Prozent – es war eine Demütigung für die Schweizer Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter, die von US-Präsident Donald Trump vorgeführt wurde, und ein schwerer Schlag für die exportorientierte Schweizer Wirtschaft. Für die Eidgenossen sind die USA der zweitwichtigste Handelspartner.
Während in der Hauptstadt Bern und den restlichen Kantonen nun politische Katerstimmung herrscht und manch ein Deutscher sich die Schadenfreude nicht verkneift, sucht die für ihren Pragmatismus bekannte Schweizer Wirtschaft nach Antworten. Experten befürchten Firmenpleiten, zehntausende Jos könnten in Gefahr sein, das Bruttosozialprodukt um bis zu 0,7 Prozent schrumpfen. Das Selbstverständnis ist gehörig angeknackst. Und auch die rund 66.000 Berufspendler aus Südbaden, die in der Schweiz arbeiten, sind in Sorge. Was also tun?
Betroffen ist die Pharmabranche, die von den aktuell geltenden US-Zöllen in Höhe von 39 Prozent zwar noch ausgenommen ist, aber beträchtlich unter Druck steht. Denn Trump fordert offensiv tiefere Medikamentenpreise in den USA. In einem Gespräch mit dem US-Sender CNBC drohte er der Pharmaindustrie kürzlich Zölle von bis zu 250 Prozent auf Medikamente und andere Medizinprodukte an. Gespräche laufen im Hintergrund, bald wollen sich die Spitzen der Schweizer Pharmaindustrie um Novartis und Roche, beide in Basel ansässig, mit dem Gesundheits- und dem Wirtschaftsministerium zum Krisengipfel treffen. Das berichtet die Nachrichtenagentur Keystone-SDA unter Berufung auf die Zeitung Sonntagsblick.
Pharmariesen sehen Jobs in der Region nicht in Gefahr
Im vorauseilenden Gehorsam haben die beiden großen Player laut einem Bericht der NZZ am Sonntag bereits beschlossen, zusätzlich in ihre Standorte in den USA zu investieren. Mit Folgen für die Arbeitsplätze in der Region? Laut Aussage des Pharmakonzerns Roche werde dies nicht zu einem Stellenabbau in der Schweiz führen. Man rechne damit, dass die Zahl der Mitarbeitenden im laufenden Jahr insgesamt stabil bleibe. "Mit unserer kürzlich angekündigten Investition von 50 Milliarden US-Dollar in den USA bekräftigen wir unser Engagement für das Gesundheitssystem und die Patienten in dieser Region", teilte das Unternehmen auf Anfrage von Keystone-SDA mit. Zum jetzigen Zeitpunkt sehe Roche keine Auswirkungen der Investitionen auf die Mitarbeitenden in der Schweiz und in anderen Ländern, hieß es. "Wir haben Milliarden von Schweizer Franken in unsere Aktivitäten in der Schweiz und Europa investiert und werden dies auch weiterhin tun." Auch die Konkurrentin Novartis betonte demnach, die Investitionen in den USA hätten keinen Einfluss auf Produktionsstätten außerhalb Amerikas. Novartis will laut NZZ künftig die wichtigsten Medikamente vollständig in den USA produzieren.
Die 39 Prozent Zölle wirken sich aus auf die exportorientierten Unternehmen in den beiden Basler Kantonen. Die Branchen Maschinenbau, Medizintechnik und Präzisionsinstrumente hätten nun einen Wettbewerbsnachteil in den USA, das mache den Handel unrentabel, fasst die Handelskammer beider Basel die aktuelle Situation der dortigen Unternehmen zusammen. Eine Umfrage unter 20 in die USA exportierenden Unternehmen aus der der Region habe ergeben, "dass nahezu alle vorerst weiter im US-Markt aktiv bleiben wollen. Die Hälfte sieht die Möglichkeit, auf andere Märkte auszuweichen. Knapp ein Viertel zeigt nun Zurückhaltung bei Investitionen. Die Produktion in die USA zu verlagern, ziehen vorerst nur zwei der befragten Unternehmen in Betracht. Ebenfalls zwei befürchten, dass sie in der Schweiz Arbeitsplätze abbauen müssen", so Martin Dätwyler, Direktor Handelskammer beider Basel.
Bewirkt der Zollschock eine Annäherung an die EU?
"Nun müssen wir den Blick nach vorne richten und auf verlässliche Handelspartner setzen." Elisabeth Schneider-Schneiter
Die Präsidentin der Kammer, Elisabeth Schneider-Schneiter, sagte: "Nun müssen wir den Blick nach vorne richten und auf verlässliche Handelspartner setzen". Konkret bedeute dies, den seit 25 Jahren erfolgreichen, bilateralen Weg mit der EU weiterzuführen. Auf einen Rahmenvertrag mit der Europäischen Union hat die Schweiz indes bislang verzichtet, ein entsprechender Vorstoß scheiterte im Jahr 2021 am Widerstand der rechten Partei SVP.
Bewirkt der Zollschock nun eine Annäherung an die EU? Einige Schweizer Unternehmen haben bereits europäische Tochterunternehmen, sie können einen Teil der US-Zölle eventuell umgehen, wenn sie die Endmontage in die EU verlegen, wo die US-Zölle nur 15 Prozent betragen. Auch für die Schweizer Sozialdemokraten ist klar, wo die Reise hingehen sollte: Richtung EU. "Es ist höchste Zeit, dass wir unsere Selbstüberschätzung ,wir allein gegen die ganze Welt' aufgeben und unseren Weg gemeinsam mit Europa gehen", schrieb die Abgeordnete im Ständerat, Franziska Roth, auf Instagram. Der Wirtschaftsverband Economiesuisse ist für eine engere Kooperation mit der EU: "Wir sind aufgrund unserer geografischen Lage umgeben von EU-Staaten und haben deshalb ein großes Eigeninteresse, mit der EU in für uns relevanten Bereichen eng zusammenzuarbeiten", schrieb der Verband schon vor Veröffentlichung der US-Zölle.
Einen Fürsprecher hat die Schweiz in Brüssel: den Rottweiler EU-Parlamentarier Andreas Schwab (CDU). In einem Interview mit der Basler Zeitung von Anfang August sagte der 52-Jährige: "Für die Schweiz ist die Entscheidung natürlich ein harter Schlag, sie hat das nicht verdient." Und weiter: " In einer instabilen Welt gibt es keinen verlässlicheren Partner als die europäischen Nachbarn. (...) Für uns als Grenzregion zwischen Freiburg und Basel, Konstanz und Kreuzlingen ist Stabilität zentral. Sie schafft Voraussetzungen, dass es allen Bürgerinnen und Bürgern gut gehen kann. Und das ist, was auf Dauer zählt." (Mit Material von dpa und sda)
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