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Lahrer Erfolgsgeschichte

Der Geflüchtete Atif Aman wohnte in der Turnhalle, in der er später sein Zeugnis bekam

  • Sa, 10. Oktober 2020, 12:00 Uhr
    Lahr

     

Der Mann aus Pakistan war 2015 als Geflüchteter in der Schulturnhalle der Kaufmännischen Schule untergebracht – vier Jahre später erhielt er hier sein Abschlusszeugnis.

Atif Aman zeigt sein Abschlusszeugnis in der Schulturnhalle.   | Foto: Schule
Atif Aman zeigt sein Abschlusszeugnis in der Schulturnhalle. Foto: Schule
"Wir schaffen das" – vor fünf Jahren sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel ihren berühmten Satz. Ein Geflüchteter, der es geschafft hat, ist Atif Aman. In einer Pressemeldung erzählt die Kaufmännische Schule Lahr seine Geschichte.

Juli 2019: Atif Aman aus Pakistan bekommt sein Abschlusszeugnis in der Turnhalle der Kaufmännischen Schule Lahr überreicht – an einem Ort, der dem Geflüchteten vier Jahre zuvor als Notunterkunft diente. Damals, im Herbst 2015, mussten viele geflohene Menschen kurzfristig untergebracht werden, im ganzen Land wurden Turnhallen zu provisorischen Unterkünften umfunktioniert. Auch an der Kaufmännischen Schule oberhalb des Stadtparks.

Mit 54 Geflüchteten wohnte er in der Schulturnhalle

Atif Aman war einer der 54 Menschen, die dort unterkamen. Eineinhalb Monate habe er gebraucht, um von Pakistan nach Lahr zu kommen. Einen Großteil der Route habe er zu Fuß zurückgelegt. Auf die Flucht gemacht habe er sich – so schildert es Aman – aufgrund einer verschärften politischen Situation in seinem Heimatland. Zusammen mit seinem Bruder habe er einen kleinen Betrieb für Nahrungsmittel geführt. Als der Bruder, ein Angehöriger einer kleineren Partei, für ein politisches Amt kandidierte, sei die Gefahr zu groß geworden.

Seine Brüder seien nach Saudi-Arabien und Dubai geflohen, er wollte sich eine Zukunft in Europa aufbauen. In der Türkei musste er sich zunächst "wie ein Tier" verstecken, erzählt er. Mit dem Schiff sei er nach Griechenland gekommen, um abermals zu Fuß die sogenannte Balkan-Route zu bestreiten. Dabei sei er mit seinen Begleitern in Ungarn zwei Tage inhaftiert gewesen, erinnert er sich. Nur mithilfe eines Rechtsanwalts hätten sie weiterziehen können.

Anfangs war es wie ein schlechter Traum

Nach der Registrierung in Deutschland wurde Aman zunächst im Raum Karlsruhe untergebracht, bevor er in die Turnhalle auf dem Gelände der Kaufmännischen Schule Lahr verlegt wurde. "Wie ein schlechter Traum" kamen ihm diese Wochen in der Halle vor, in der üblicherweise die Sportkurse der Schule unterrichtet werden. Durch mangelnde Privatsphäre und Rückzugsmöglichkeiten sei es immer wieder zu Konflikten mit den unbekannten Mitbewohnern gekommen. Im Januar kam endlich die erlösende Nachricht einer anderen Unterbringung. Im Sommer 2019 wurde Aman in der Sporthalle nach einer zweijährigen Ausbildung zum Verkäufer sein Abschlusszeugnis überreicht.

Mit ihm wurden zwei weitere ehemalige Sporthallen-Mitbewohner beschult. Alle drei haben den Gesellenbrief bei der IHK zum Verkäufer bestanden.

Doch für Aman, der die "berufliche Herausforderung im Einzelhandel" sucht, sollte das nicht das Ende sein – er fügte das dritte Ausbildungsjahr zum Einzelhändler hinzu, das er im Sommer 2020 erfolgreich abschloss. Seit seiner Ankunft in Deutschland hat Aman nach einer Aushilfstätigkeit bei einer Fast Food Kette und einer Einstiegsqualifikation mit anschließendem Ausbildungsvertrag schon viele Bereiche des Einzelhandels kennengelernt. Dabei sei ihm stets die Unterstützung durch die Arbeitskollegen und Vorgesetzten sowie Klassenkameraden und Lehrer aufgefallen. Von allen habe er eine "große Bereitschaft zur Hilfe" erfahren, für die er sehr dankbar sei.

Von Verantwortung und Vorbehalten

An der Schule habe er Verantwortung übernommen: Er ließ sich an der Berufsschule als Klassensprecher aufstellen und wurde gewählt. Im Kundenkontakt möchte er darauf einwirken, "Vorbehalte abzubauen", schreibt die Schule. Aman sei immer optimistisch geblieben, obwohl sein Asylantrag lange Zeit im Ungewissen schwebte. Mittlerweile ist dieser positiv beschieden, im September wurde seine Arbeitserlaubnis um zwei Jahre verlängert. Jetzt strebt er eine 100-Prozent-Stelle an.

Vielleicht kann er dabei auch noch mehr Menschen von seiner neuesten kulinarischen Kreation überzeugen: Spätzle mit pakistanischer Currysuppe. Und wie hat er in so kurzer Zeit Deutsch gelernt? Die Antwort überrascht: Außer dem Deutschunterricht in der Schule habe er noch nie einen Kurs besucht. Sein Credo: "Wenn man will, dann kann man auch das schaffen."

Ressort: Lahr

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Sa, 10. Oktober 2020: PDF-Version herunterladen

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