Gewürzpflanze
So kann man mit Estragon Akzente setzen – auch in der Marmeladenküche
Frankfurter Grüne Sauce, Sauce béarnaise: Estragon prägt Köstlichkeiten und setzt selbst in Aprikosenmarmelade reizvolle Akzente. In Frank Fischers Umkircher Gärtnerei wächst eine duftig-blumige Alternative.
So, 10. Aug 2025, 10:00 Uhr
Gastronomie
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Zwei breite parallele, senkrechte grüne Streifen, die sich einen Mantel aus Anis übergeworfen haben. Am Ende scharf betäubend wie Szechuanpfeffer: So beschreibt eine kräuterkundige Simonswälderin, die als Synästhetin Gerüche und Geschmack bildlich sieht, das Aroma von Estragon (Artemisia dracunculus). Der hat sich nach seiner Verwendung als Heilkraut im Mittelalter besonders in der französischen Küche einen festen Platz erobert, entzieht sich mit einer beeindruckenden Komplexität jedoch einer präzisen Beschreibung.
Frank Fischer, Gärtner aus Umkirch, muss schon eine Weile nachdenken, wenn er nach dem Aroma des ursprünglich aus Sibirien stammenden Gewächses gefragt wird. Einen Unterton von Lakritz nimmt er wahr, dann gut ausbalancierte, herb-würzige Noten und zuletzt ein warmes Mundgefühl. "Es ist interessant, dass man immer wieder neue Geruchs- und Geschmacksnuancen entdeckt, und es ist ein interessantes Experiment, im Familien- und Freundeskreis nach Assoziationen beim Schnuppern an in der Hand verriebenen kleinen Blättchen zu fragen", sagt er. Oder Estragon vor dem gemeinsamen Kochen geschmacklich zu ergründen und ihn auch mal statt Basilikum in einem Tomatensalat zu nutzen. Er passe darüber hinaus dort perfekt, wo man sonst Minze verwende, sagt Fischer.
Auch Melone mag Estragon
Letzteres bestätigt auch die Wissenschaft: "Estragon wirkt aufgrund seines Aromenspektrums für sich allein, erweitert aber bei sparsamer Dosierung die Aromenspektren anderer Kräuter um zitrus-kiefernartige, würzig-minzige Töne", schreiben der Polymerforscher Thomas Vilgis und der Publizist Thomas Vierich in ihrem umfangreichen Buch "Aroma" über die Kunst des Würzens. Für Spitzenkoch und Gewürzprofi Heiko Antoniewicz gehört Estragon daher auch in Zitrusfruchtsalate und passt hervorragend zu Melone. Leichte und erfrischende Sommergenüsse also, auch wenn sich Estragon durch seine appetitanregenden ätherischen Öle und Bitterstoffe fabelhaft für üppige Speisen eignet und in Fett sein unvergleichliches Aroma entfaltet.
Und jetzt: Raus ins Freie! Fürs Picknick ist eine Estragonbutter zum Veredeln von Grillgut oder den schnellen Genuss auf einer knusprigen Kante Brot schnell zubereitet: Zimmerwarme Butter schaumig schlagen. Eine fein geriebene Zitronenschale und einen Spritzer Zitronensaft hinzufügen, salzen und zu guter Letzt fein gehackten Estragon unter die Masse heben. Dazu ein Lieblingssalat – natürlich mit Estragonessig.
Frank Fischer stellt sein intensives, stets griffbereites Würzmittel ganz unkompliziert selbst her: "Ich lege Estragon zusammen mit ein paar Senfkörnern in Weißweinessig ein, lasse ihn ein paar Tage ziehen und habe dann feinen Estragonessig, wie ihn auch die Franzosen neben Estragonsenf gern verwenden", erklärt Fischer.
Aus dem Buch "Die Jahreszeiten Kochschule", Brandstätter Verlag
Zutaten für 4 Gläser à ca. 300 ml:
1 kg entsteinte Marillen (Aprikosen) vierteln oder sechsteln, mit dem Saft einer Zitrone und 650 g Gelierzucker vermengen und eine Stunde stehen lassen. Mischung unter Rühren aufkochen, 5 Minuten wallend kochen lassen. 1 EL fein geschnittenen Estragon einrühren. Marmelade nochmal kurz aufwallen lassen und in heiß ausgespülte Gläser füllen. Mithilfe einer Pipette mit einigen Tropfen Marillenschnaps beträufeln, anzünden und die Gläser sofort verschließen.
von Richard Rauch
Estragon ist winterhart
Sich ein Pflänzchen anzuschaffen, lohnt auch Mitte August noch, denn Estragon ist winterhart und mehrjährig, mag durchlässige Erde mit etwas Humus und gedeiht bei sparsamem Gießen im Topf ebenso gut wie im Gartenbeet. Fischer rät, ihn gerade jetzt auch für extravagante Marmeladen mit reifem Obst zu verwenden, bei der sich herbe Bitternoten mit fruchtiger Süße verbinden.
Wer lieber eine dezentere blumige Alternative möchte, kann in seiner Gärtnerei noch eine weitere lohnende kulinarische Entdeckung machen: gelb blühenden Estragon-Tagetes (Tagetes lucida). Mit dem zu den Artemisien gehörendem Echten Estragon ist er nicht verwandt und wurde dennoch aufgrund seines ähnlichen lakritzig-anisartigen Dufts nach ihm benannt. Fischer nutzt ihn "für alle Speisen, bei denen mir Estragon zu streng wäre". Er streut klein geschnittene Blättchen über angedünstetes Gemüse, verwendet ihn bei hellen Saucen, pikanten Dressings oder stellt einen Kaltwasserauszug her. Für ein leicht blumiges, feinwürziges Getränk legt er Estragon-Tagetes einfach über Nacht in einen Krug mit kaltem Wasser. Noch ein Expertentipp zur Ernte der kleinen Blättchen: Man sollte sie nicht einfach abzupfen, sondern immer den ganzen Trieb abschneiden. So kann die Pflanze wieder perfekt nachwachsen.
Kontakt: Frank Fischer, Gärtnerei und Salbeigarten, Im Fuchsloch 1, Umkirch. www.franks-salvias.de