Gastronomie

Unser Autor als Praktikant in der Profiküche: "Ich spüre, wie langsam ich bin"

Unser Autor schreibt zu kulinarischen Themen und kocht gern. Und gut, sagen seine Gäste. Aber wie kommt er in einer Hochküche an? Ein Praktikum in der Rebstock-Stube in Denzlingen soll es zeigen.  

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Ob das was wird – die Profis aus...e Bühler, Axel Frey  und Hannah Götze.  | Foto: Pascal Oertel
Ob das was wird – die Profis aus dem Rebstock sind skeptisch und schauen Praktikant Stephan Elsemann (vorne rechts) beim Schnippeln zu. Zu sehen sind außerdem (von links nach rechts): Adolf Frey, Moritz Göbel, Mike Bühler, Axel Frey und Hannah Götze. Foto: Pascal Oertel

Der Rebstock in Denzlingen bei Freiburg war Wunschkandidat für meinen Selbstversuch, vor allem wegen der tollen Küche, die ist modern, von größter Raffinesse und gleichzeitig tief verwurzelt in der französischen Kochtradition mit Kalbskopf, Gänseleber und Froschschenkeln auf der Karte. Gesagt, getan.

Mittwoch, 9 Uhr früh. Tag eins unter richtigen Köchen. Mit freundlicher Skepsis in den Augen werde ich von Axel Frey und den anderen begrüßt. Vor elf Jahren hat der 39-Jährige die Leitung des Restaurants vom Vater übernommen. An seiner Seite steht Mike Bühler, 41, "Mann für alles" – nicht zuletzt für gute Laune. Die Crew ist jung, die meisten sind in den Zwanzigern: Moritz Göbel, Sous-Chef, Samuel Haftstein, Garde-Manager, und Hannah Götze, Patissière. Dazu kommen noch Vaida Mikstaite, die Juniorchefin, und der Sommelier Niklas Köppinger im Service. Und, nicht zu vergessen, Adolf Frey: Der 75-jährige Seniorchef ist ein wandelndes Lexikon in Küchengeschichten. Er machte das Restaurant zu dem, was es heute ist. Zuvor wirkte er als rechte Hand von Paul Häberlin in der berühmten Auberge de l'Ill. Axel Frey machte seine Ausbildung bei Douce Steiner in Sulzburg und kochte acht Jahre bei Alfred Klink im Colombi-Hotel. Mehr Klasse geht kaum.

Pfifferlinge putzen ist mein erster Job

Mein Debüt in der Hochküche kann beginnen. "Ich bin der Axel, wir duzen uns hier." Dann bekomme ich Kochjacke und Schürze verpasst: "Damit du weißt, dass du bei der Arbeit bist." Und schon geht es los. Vormittags wird vorproduziert, lerne ich. Pfifferlinge putzen ist mein erster Job. Oh Schreck! Axel kippt sie ins Wasser. Pilze niemals waschen, habe ich verinnerlicht, sonst ziehen sie Wasser. "Stimmt", sagt Axel, "niemals! Aber wir tun das jetzt". Doch nur ganz kurz: Wässern, abbrausen, dann passiert schon nichts. Dann lege ich los: Stiele kürzen, größere Pilze teilen und gammelige Stellen entfernen – eigentlich wie zu Hause, nur sind es drei Kilo statt 200 Gramm. "Lieber zu viel als zu wenig wegschneiden", weil die Zeit kostbar ist, und anders als zu Hause Abschnitte nicht Abfall sind, denn wir kochen einen Fond daraus. Fast alles wird verwertet, der Eimer für Bioabfälle ist winzig im Rebstock.

"2 x Minestrone, Tisch 4, 1x Lachs, Tisch 3..." – Jeder Bon wird laut vorgelesen

Beim Schnippeln spüre ich, wie langsam ich bin. Es muss am Messer liegen, sage ich mir zum Trost, es ist einfach zu stumpf. Dann ist Schluss mit den Pilzen. Bald ist Mittag, die Gäste kommen. Es wird klar Schiff gemacht, dann kehrt noch einmal Ruhe ein. Alles muss parat sein: "Wenn das Risotto jetzt nicht vorbereitet wäre", erklärt mir Axel, "zieht sich das im Service wie ein Rattenschwanz nach hinten raus." Vorbereitet heißt: Das Risotto ist fast gar, nur wenige Umdrehungen mehr und es ist perfekt, "terminiert" wie es heißt. Die geputzten Pfifferlinge dagegen werden ad hoc gebraten, so wie die Fischfilets. "2 x Minestrone, Tisch 4, 1x Lachs, Tisch 3..." – der erste Bon ist da und wird laut vorgelesen. Alle rufen "ja" zur Bestätigung, dass vernommen wurde, was bestellt ist und jeder weiß, was zu tun ist.

Mein Job: das Amuse Bouche terminieren, eine sommerliche Melonenkaltschale. Die Suppenschälchen mit Melonenwürfelchen stehen in der Kühlschublade, daneben die Suppe. Die Aufgabe: eine Kelle Suppe einfüllen, danach mit einem Spritzbeutel drei gleich große kreisrunde Kleckse Kokoseiscrème auf der Suppe platzieren. Drei, vier Versuche, und es klappt so lala. Tief genug über der Suppe ansetzen, den richtigen Druck für den Klecks finden, und die Tüte schnell wieder hochnehmen, irgendwann wird es was. Schön sieht das aus – und sofort gehen die Schälchen raus zu den Gästen.

Unter den Wärmelampen wachsen die Teller aus Gemüse, Fisch, Fleisch, Reis oder Pasta zusammen

Mit einem Auge verfolge ich die perfekt orchestrierten Abläufe beim Finish am Pass. Unter den Wärmelampen wachsen die Teller aus Gemüse, Fisch, Fleisch, Reis oder Pasta zusammen. Da wartet ein Risotto im Formring, wenige Sekunden später ist der Seeteufel gebraten und – weg mit dem Formring. Die Medaillons werden auf dem Reis platziert – das Gericht kann raus. "1x Eisberg, 2x Kalbs-Piccata, 1x Seeteufel-Piccata", der Drucker spuckt neue Bons aus. "Ja!" – "Ja!" und "Ja!" ist zu hören, und wieder geht es los. Für mich: 3 x Melone fürs Amuse Bouche.

Gegen zwei sind wir durch. Jetzt wird aufgeräumt und durchgewischt. Alle sind dabei, bis auf Mike, der kocht das Mittagessen für die Belegschaft: wunderbar fluffige Fleischküchle mit einem Spiegelei obendrauf. Mein Job für heute ist getan. So verlaufen auch die folgenden Tage. Und immer wieder staune ich, mit welcher Präzision und Leichtigkeit Köche und Köchin einander zuarbeiten, so, als könne jeder die Aufgaben des anderen übernehmen – und gelegentlich passiert das auch.

Einmal geht es um ein neues Gericht: Jakobsmuscheln, die püriert und dann in Kohlblätter gewickelt werden. Doch wie bekommt man die klebrige Farce in die Blätter hinein? Einmal mehr versuchen wir es mit der Spritztüte. Ein Streifen Farce auf jedes Spitzkohlblatt, dann heißt es: Rollen bitte, und nicht falten! Wie beim Zigarettendrehen. Doch die Garung? Wie viel Grad, wie lange, wie viel Dampf? Knifflige Fragen – Axel berät sich mit Moritz, der in diesen Dingen Experte ist. Lieber länger bei weniger Temperatur, ist hier die Lösung. Damit sie zarter bleiben.

Schön auch, dass Platz für eigene Ideen bleibt

Links beim Fleisch steht abends Moritz und mittags Mike, rechts beim Fisch immer Axel, der begeisterte Angler macht beide Schichten. Fleisch und Fisch wird à la minute sautiert. Schön auch, dass Platz für eigene Ideen bleibt. Hannah lässt mich ein sensationelles Tiramisu testen, optisch ein harmloser weißer Hügel, drinnen eine Wundertüte an Geschmack. Ich probiere ein tolles Basilikum-Eis und höre Mike dazu schwärmen, was er alles an Eis und Sorbets zaubern kann. Der Pacojet hilft, das ist eine hochtourige Fräse, die Gefrorenes zu feinsten Pürees macht. Dass man mit so wenigen Menschen so viel feine Küche schaffen kann, hat auch mit diesen ausgefuchsten Geräten zu tun. Hier ist schon Realität, was auch in privaten Küchen immer mehr Eingang findet.

Doch ich nehme aus dem Rebstock fürs Kochen zu Hause eher Handgriffe und kleine Tricks mit. Und habe verstanden, dass Planung das Leben leichter macht und dass es gut ist, wenn alles an seinem Platz liegt. Die "Mise en Place" ist das A und O der Profiküchen. Aber mehr noch: Ich habe im Rebstock Menschen kennengelernt, denen ihr Job Freude macht, weil sie so viel Schönes umsetzen können und am Strahlen der Gäste sofort bemerken, was sie bewirken.

Rebstock-Stube, Hauptstraße 74, 79211 Denzlingen, 07666-2071, www.rebstock-stube.de. Mittwoch bis Freitag, 12 bis 14.30 und 18 bis 22.30 Uhr, Samstag 18 bis 22.30 Uhr, Sonntag, 17 bis 22.30 Uhr

Schlagworte: Axel Frey, Adolf Frey, Paul Häberlin
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