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Heimkommen

Daheim schmeckt’s am besten

Heinz Siebold
  • Di, 20. Dezember 2022, 10:30 Uhr
    Verlagsthema

Verlagsthema Was der Badener in der Fremde vermisst: Spezialitäten von A wie Apfelküchle bis Z wie Zwiebelkuchen.

Wurstsalat ist eine badische Spezialität. Foto: kab-vision
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Der Heimkehrer aus der Fremde – nehmen wir das Rheinland bei Düsseldorf als Beispiel – ist, wenn er wieder auf die heimischen badischen Speisen trifft, stark gefährdet. Genauer gesagt, sein Magen. Denn möglicherweise übertreibt der lange Jahre von Wurstsalat, Leberle und Zwiebelkuchen träumende Exilant die Wiederaneignung der vertrauten und geliebten Speisen dermaßen, dass sie ihm übel aufstoßen. Sachtes Vorgehen ist also angesagt, denn die Liste der Versuchungen ist lang.

Schon das Frühstück (alemannisch: Z’Morge) ist ganz anders als anderswo. Die Laugenbrezel vom Bäcker am Eck knickt beim Anbiss endlich wieder sanft ein und hat nichts gemein mit pappweichen (alemannisch: lummeligen) oder steinharten Gebäcken gleichen Aussehens in anderen Bundesländern. Marmelade (alemannisch: Schleckli oder Guetseli) kann nur mit Beeren und Früchten aus badischem Wald und Feld gut schmecken. Danach munden ein, zwei Scheiben würzigen Schwarzwälder Schinkens, der nicht umsonst Namensschutz genießt. Und vom westfälischen oder holsteinischen Schinken Lichtjahre entfernt ist.

Zum Vesper (alemannisch: Z’Nüni) legt sich der badische Genießer gerne eine Scheibe des fetteren Bruders vom Schinken auf das Brettle: geräucherten Speck, der mit dem scharfen Messer hauchdünn geschnitten und verzehrt wird. Natürlich mit original Bauernbrot und einem Kirschwasser (alemannisch: Chriesiwasser).

Beim Mittagessen fällt die Wahl schwer. Darf es vielleicht gekochtes Ochsenfleisch mit Salzkartoffeln, Meerrettichsoße und Rote-Beete-Salat sein? Aber ist das wirklich typisch badisch? Heute ja, aber es kommt wohl – wie vieles andere, insbesondere Nudelgerichte und Klöße – ursprünglich aus Österreich. Weite Teile Südbadens waren mehr als 400 Jahre habsburgisch regiert. Die Regenten haben unter anderem den Tafelspitz importiert, in der Brühe gekocht und mit Apfelkren, Schnittlauchsauce und Kartoffelschmarrn garniert. Auch die Innereien waren fester Bestandteil der Habsburger Küche – und wurden von den badischen Köchen liebend gerne ins Repertoire genommen. Insbesondere: Leberle sauer oder geröstet. Als Standardbeilage zu Leberle gibt es Brägele – Bratkartoffeln. Im Wiesental und am Hochrhein gibt es auch den Brägel. Dafür werden die gekochten Kartoffeln (alemannisch: Grumbiere, Herdöpfel, Erdäpfel) nicht in Scheiben geschnitten, sondern in Flocken geraspelt und in der Pfanne angebraten.

Auf der Schweizer Rheinseite gibt es eine weitere Brägelvariante: Rösti. Dort werden Grumbiere roh geraspelt und mit ein wenig Ei gemischt gebraten.

Nicht nur zum Mittagessen, sondern auch abends, schmeckt das Schäufele, die geräucherte und gepökelte Schweineschulter. Und zwar nicht vollgekleckert mit schwarzbrauner Soße wie anderswo (Franken!). Sondern stundenlang geköchelt und gegart im Sud aus Wasser, Weißwein, einem Schuss Essig, Zwiebel, Lorbeer und Gewürznelken knapp unter dem Siedepunkt. Serviert je nach Jahreszeit mit einem schlonzigen Kartoffelsalat, der mit der Kochbrühe und Salz, Pfeffer und Essig angemacht wurde. Im Herbst auch mit Feldsalat (alemannisch: Nüssli, Ritscherli, Sunnewirbeli). Das Schiifeli, Schüfeli, Schäufele ist auch ein traditionelles Essen für die Familie an Heiligabend.

Beim Nachmittagskaffee thront die Schwarzwälder Kirschtorte natürlich unübersehbar auf Platz eins. Die Grundidee – die Kombination von Biskuit, Kirschen, Sahne und Kirschwasser – stammt wohl aus der Region, in Tortenform hat sie aber angeblich der schwäbische Konditor Josef Keller im Jahr 1915 in Bad Godesberg am Rhein gebracht. "Die Schwarzwälder" ist die bekannteste deutsche Torte und hat ein eigenes Festival in Todtnauberg.

Für die alltägliche Kaffeetafel stehen nicht minder wohlschmeckende Alternativen bereit. Typisch für die Region sind die Waihen, flache Hefekuchen, rund oder rechteckig, belegt mit den Früchten der Saison, also Rhabarber, Zwetschgen, Äpfel oder Birnen. Hefezöpfe und Gugelhupfe mit oder ohne Rosinen vereinen die Alemannen links und rechts des Rheins in den drei Ländern am Rheinknie. Wunderbar auch die Apfelküchle, Apfelringe im Teig frittiert oder im Fett gebacken.

Zum schlichten Abendessen (alemannisch: Z’Obeneh) taugt der badisch oder elsässisch garnierte Wurstsalat. Mit oder ohne Zwiebeln, mit oder ohne Käse, aber nur mit guter heller Wurst und sauren Gürkchen. Manchmal auch gesprenkelt durch ein paar Scheiben Schwarzwurst. Beliebt ist auch das "Badische Dreierlei": ein Wurstsalat mit Brägele und Bibbeleskäs. Letzteres ist Quark oder Frischkäse, versetzt mit Zwiebelwürfeln und Schnittlauch. Ursprünglich wurde der Bibbeleskäs aus gesalzener Sauermilch gewonnen, die man in flachen Tellern eintrocknen ließ. Bibbele ist das alemannische Wort für Küken, und angeblich wurde die getrocknete Sauermilch – wenn sie zu bitter war – zuweilen auch als Hühnerfutter verwendet.

Saisonale kulinarische Höhepunkte sind im Frühjahr der Spargel mit Kratzete (hochdeutsch: Omlettteile). Und im Herbst der (nicht süße) Zwiebelkuchen auf Hefeteig – mit oder ohne Speck. Natürlich mit frisch getrottetem Traubensaft, der je nach Gärstadium Neuer Süßer, Federweißer, Rauscher, Sauser oder Kretzer heißt. Hochzeit der urigen badischen Fleischeslust ist die winterliche Schlachtplattensaison: Blut- und Leberwürste, Kesselfleisch und Bauchspeck mit Sauerkraut und Kartoffelbrei (alemannisch: Grumbierestock) gibt es freilich auch anderswo.

Der Badener – ob einheimisch, zugereist oder zurückgekehrt – glaubt aber fest daran, dass es – wie Wild und Rinderbraten mit Spätzle, Knöpfle oder Bubenspitzle – daheim viel besser schmeckt. Wohl bekomms!
Wer sich jetzt überlegt, nach Südbaden zurückzukehren, kann sich hier nach den passenden Stellenangeboten umschauen.

Ressort: Verlagsthema

Dossier: Heimkommen

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Sa, 24. Dezember 2022: PDF-Version herunterladen

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