Gesundheit und Soziales

"Eine Struktur anbieten wie ein Brückengeländer"

Verlagsthema Anna Terstiege arbeitet als Sozialarbeiterin und Coach im Zentrum Beruf + Gesundheit in Bad Krozingen. Sie unterstützt Menschen beim Start in ein zweites Berufsleben.  

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Das Zentrum Beruf + Gesundheit bietet Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen ihren Beruf nicht mehr ausüben können, die Chance einen anderen Beruf zu lernen. Foto: Zentrum Beruf + Gesundhei
BZ: Frau Terstiege, wie lässt sich Ihr Beruf beschreiben – was sind Ihre Aufgaben?
Anna Terstiege: Mein beruflicher Alltag als Sozialarbeiterin ist sehr vielfältig. Ich arbeite in einer 70-Prozent-Stelle und habe insgesamt vier Arbeitsfelder: Ich begleite zum einen unsere erwachsenen Umzuschulenden während der beruflichen Rehabilitationsmaßnahme, die in der Regel 30 Monate dauert. In dieser Zeit bin ich als Coachin ansprechbar für kleine und große Herausforderungen, die diese Personen meistern müssen.
In den verschiedenen Gruppen bin ich auch zusammen mit einer Kollegin für das Team-Coaching zuständig. Wir sorgen dafür, dass es ein positives Miteinander gibt, fördern eine gute Lernumgebung, stärken die Kommunikationsfähigkeit und helfen bei Konflikten.

Des Weiteren unterrichte ich als Dozentin die Kaufleute im Büromanagement in verschiedenen Soft Skills wie Selbstmarketing, Lernen lernen, gelingender Kommunikation und gebe praktische Tipps zur Arbeitsmarktorientierung und zur Bewerbung.
Mein viertes Arbeitsfeld ist das Qualitätsmanagement des Bildungszentrums. Hier bin ich für die Vorbereitung, Durchführung und Dokumentation der Zertifizierungen zuständig.

BZ: Was für eine Ausbildung haben Sie durchlaufen?
Terstiege: In meinem ersten beruflichen Leben war ich am Theater als Dramaturgin, Regisseurin und Theaterpädagogin tätig. Ich habe nach meinem Umzug nach Freiburg an der Evangelischen Fachhochschule Soziale Arbeit studiert und danach in einigen Berufsförderprojekten gearbeitet, die aber immer zeitlich begrenzt waren. Hier in Bad Krozingen bin ich jetzt seit zwei Jahren fest angestellt und freue mich noch immer über die guten Arbeitsbedingungen, das Kollegium und die tolle Lage des Ausbildungszentrums direkt am Kurpark – das ist echte Lebensqualität.

BZ: Wie sieht ein typischer Arbeitstag von Ihnen aus?
Terstiege: Jeder Tag ist anders. Mal unterrichte ich, inklusive der Vor- und Nachbereitung des Unterrichts. An anderen Tagen habe ich regelmäßig stattfindende Feedbackgespräche mit den Umzuschulenden oder erledige Verwaltungsaufgaben und erfülle die Dokumentationspflichten.
An allen Tagen gibt es mehr oder weniger geplante Gespräche mit den Teilnehmenden. Das sind oft nur kurze zehn Minuten auf dem Flur aber auch mal intensive Gespräche mit schwierigen Themen zum Beispiel bei einem längeren Spaziergang durch den Kurpark.
Die Menschen, mit denen wir hier zu tun haben, können aufgrund einer körperlichen oder psychischen Einschränkung ihren gelernten Beruf nicht mehr ausüben. Das sind alles Erwachsene, die viel Erfahrung mitbringen, sich aber neu orientieren müssen und dafür auch einen gewissen Schutzraum brauchen. Alle bringen ein Handicap mit und erleben hier viel Solidarität untereinander.
Mir macht es Spaß, mit diesen Menschen kreativ zu arbeiten, ihre Ressourcen zu aktivieren und Konflikte konstruktiv zu lösen. In dieser Umbruchsituation sollen die Umzuschulenden wieder Selbstvertrauen gewinnen, damit sie neu Fuß fassen können.
Die Teilnahme an der Umschulung ist freiwillig. Fast alle Umzuschulende haben bei Abschluss der Ausbildung schon einen Arbeitsvertrag in der Tasche. In der Mitte der Umschulung machen alle ein dreimonatiges Praktikum. Oft entstehen dabei Kontakte zu zukünftigen Arbeitgebern. Außerdem ist der Arbeitsmarkt für gut ausgebildete Personen im Moment sehr aussichtsreich.

BZ: Was mögen Sie an Ihrer Arbeit besonders?
Terstiege: Die Abwechslung zwischen Einzelcoaching und der Arbeit mit den Gruppen ist super. Ganz besonders gefällt mir die Möglichkeit, die Menschen in dieser langen Neuorientierungsphase zu begleiten und zu sehen, wie sie sich weiterentwickeln.

BZ: Welche Fähigkeiten sollten Menschen mitbringen, die in einem sozialen Beruf wie Ihrem arbeiten möchte?
Terstiege: Auf alle Fälle sollte man Lust haben, mit beeinträchtigten Menschen zu arbeiten. Dazu gehört Einfühlungsvermögen genauso wie Kommunikationsfähigkeit. Wir sind in dieser Maßnahme auch diejenigen, die eine Struktur anbieten wie ein Brückengeländer. Die Abgrenzung von Nähe und Distanz im sozialen Beruf ist sehr wichtig, genauso wie pädagogisches Fingerspitzengefühl. Verlässlichkeit und Verbindlichkeit sind grundlegende Eigenschaften, eine hohe Belastbarkeit sowie eine große Portion Gelassenheit gehören auch dazu.
Hier im Zentrum Beruf + Gesundheit sind wir 40 Personen und ein gutes Team. Wir tauschen uns immer wieder über die Umsetzung der Maßnahmen und die verschiedenen Gruppen aus. Teamfähigkeit ist also ebenfalls sehr willkommen. Wer kontaktstark und aufgeschlossen ist, schnell umschalten kann und flexibel auf die vielfältigen Situationen reagieren kann, ist in diesem Beruf an der richtigen Adresse. Man muss auch ein bisschen Idealismus mitbringen, denn mit den gezahlten Tarifen aus dem öffentlichen Dienst kann man nicht reich werden.

BZ: Wer oder was motiviert Sie?
Terstiege: Wenn ich beobachte wie sich die Teilnehmenden Schritt für Schritt weiter entwickeln und wieder neues Selbstbewusstsein aufbauen, dann sehe ich, dass sich die Begleitung gelohnt hat. Auf unseren Sommerfesten tauchen auch immer wieder Ehemalige auf, die jetzt in ihren neuen Berufen glücklich geworden sind. Das sind Geschichten, die mich motivieren.
Schlagworte: Anna Terstiege

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