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Umzug des Herzens

Verlagsthema Im Sommer ist Matthias Ginter von Borussia Mönchengladbach zum SC Freiburg gekommen. Es war ein Umzug des Herzens, denn es ging für den mittlerweile 28-Jährigen "zurück in die Heimat".  

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Heimattreu: SC-Spieler Matthias Ginter Foto: Achim Keller
Die Antwort ist kurz und unmissverständlich. "Sehr gut", sagt Matthias Ginter auf die Frage, wie es ihm geht. Auf den ersten Blick erschließt sich dem Nachfrager die Antwort nicht sofort, den Abwehrspieler des SC Freiburg zieren schließlich nicht zu übersehende Kampfspuren im Gesicht. Ein Cut zwischen Nase und Stirn, blau unterlaufene Flecken dazu. Am Vortag war der FC St. Pauli im Pokal in Freiburg zu Gast gewesen, und es ist heiß hergegangenen gegen den Hamburger Zweitligisten. 2:1 haben die Breisgauer gewonnen. Auch dank Ginter. Bereits in der Nachspielzeit angekommen, war ihm zunächst der wichtige Ausgleichstreffer gelungen. Per Kopfball übrigens. Und auch beim noch folgenden Siegtreffer des Kollegen Michael Gregoritsch in der Verlängerung hatte Ginter nach Ecke seinen Kopf im Spiel. Von wegen Handicap.

Die Erkundigung nach Ginters Wohlbefinden hatte gar nicht dem Fußball gegolten. Zur neuen Spielzeit war er von Borussia Mönchengladbach zum SC Freiburg gekommen. Es war ein Umzug des Herzens, denn es ging für den mittlerweile 28-Jährigen "zurück in die Heimat".

Dorthin also, wo er geboren wurde, aufgewachsen ist und auch die ersten Schritte mit dem Ball getan hat. Die Familie, die Freunde, die gewohnte Umgebung, all das sagt er, sei für ihn sehr wichtig; "es ist meine große Wohlfühlkomponente". Freiburg, oder besser die March, wo die Familie Ginter zuhause ist, hat Matthias Ginter nie losgelassen. "Wenn es meine Zeit ermöglichte, bin ich nach Hause gefahren", erzählt er. Egal, ob das in den drei Spielzeiten war, als er bei Borussia Dortmund unter Vertrag stand, oder in den fünf sich anschließenden bei Borussia Mönchengladbach.

Wenn es der Terminplan zuließ, hat er sich dann auch im Dreisamstadion blicken lassen, bei den alten Bekannten des Sportclubs. Vielleicht aber noch wichtiger waren ihm Stippvisiten beim SC March, wo er von 1998 bis 2005 mit dem Kicken begonnen hatte und dessen Sportpark heute seinen Namen trägt. Die Kumpels haben einen hohen Stellenwert. Sie sind eine Art Kitt, der bis heute nicht gebröckelt ist. Auch nicht, als Ginter 2014 mit der Nationalmannschaft in Brasilien Weltmeister wurde. Ein Titel, der ihm ewig erhalten bleiben wird. Wie dem SC March vermutlich der Name des örtlichen Sportparks.

"Als sich im Sommer die Möglichkeit zum Wechsel nach Freiburg abzeichnete, war der Weg zurück für mich schnell beschlossene Sache", erzählt Ginter. Gut, es habe Alternativen gegeben, auch innerhalb von Deutschland. Auch eine durchaus reizvolle.

Als Konkurrenz zu Freiburg hat er die anderen Offerten allerdings nicht empfunden. Die Magneten Heimat und Trainer Christian Streich waren stärker als alles andere. Stärker auch als die Verlockungen aus dem Ausland. "Es ist nicht so, dass ich mir das nicht zugetraut hätte, aber letztlich war da nichts Passendes", schildert er rückblickend die Situation.

Und so hat er mit dem Ziel Freiburg den Möbelwagen bestellt. Angekommen ist das Gefährt dann in Merzhausen, wo er zusammen mit seiner ebenfalls aus der March stammenden Frau Christina und dem gemeinsamen Sohn – der an einem 19. Januar das Licht der Welt erblickte, der auch Ginters Geburtstag ist – eine neue Bleibe gefunden hat. "Einfach war die Suche nicht gerade", schildert er die dabei gewonnenen Erfahrungen mit dem Freiburger Immobilienmarkt.

Es entspricht Ginters angenehm zurückhaltender Art, auch für seine zwischenzeitlichen Aufenthaltsorte durchaus lobenswerte Attribute zu finden. Dortmund als Stadt sei "sicherlich besser, als man vielleicht annimmt" und die Peripherie von Düsseldorf sei "eine klasse Adresse" gewesen. Zu seiner Mönchengladbacher Zeit hat er in der Stadt am Rhein gewohnt, deren Vorzüge er nachdrücklich preist; "da gibt es alles, was das Herz begehrt". Oder doch fast alles: Familie, Freunde, Münsterturm, Dreisam und womöglich auch den heimischen Dialekt fehlten ihm schon ein bisschen.

Dass ihm an Freiburg viel liegt, hat Ginter schon 2018 bewiesen. Damals, nach einem Besuch in der Freiburger Kinderklinik, hat er zusammen mit seiner Frau spontan die Gründung einer Stiftung forciert. Geistig, körperlich und sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche im Raum Freiburg bis zu einem Alter von 18 Jahren unterstützt die Matthias-Ginter-Stiftung seither.

Unabhängig von ihrer Herkunft oder ihres Glaubens soll diesen die Möglichkeit gegeben werden, ihr Leben möglichst erfolgreich zu meistern. Die Aktionen sind zahlreich, mit Mannschaftskollege und Kapitän Christian Günter und dessen Frau Katrin hat er unter anderem tatkräftige Botschafter mit an Bord.

Stellt er Unterschiede zu seiner früheren Zeit in Freiburg fest? "Eigentlich nicht", sagt er. Ginter hat den Kontakt zu Stadt und Menschen nie verloren; "hier ist mein Zuhause". Natürlich: "Das neue Stadion imponiert mir, das ist super geworden." Und die Stimmung auf den Rängen sei im Freiburger Westen "auch toll", adelt er die Fans auf der steilen Südtribüne. Gleichwohl: Die Erinnerungen ans alte Dreisamstadion sind bei Ginter nicht auslöschbar. Sein erstes Spiel bei den Profis im Januar 2012, das dank eines Tores von ihm mit einem 1:0-Sieg gegen den FC Augsburg endete, ist ihm noch in bester Erinnerung.

Parallel dazu bestritt er sogar noch einzelne Spiele für die A-Jugend und gewann mit dieser wie schon im Vorjahr den DFB-Junioren-Vereinspokal. Schon damals war vielen im Verein klar, ein wahres Juwel in den eigenen Reihen zu haben. Auf 46 Länderspiele hat es Ginter bislang gebracht, er wurde zudem am Ende der Spielzeit 2019/20 zum Nationalspieler des Jahres gewählt. Auch gewann er mit der deutschen Olympiaauswahl 2016 in Rio de Janeiro die Silbermedaille, im Jahr darauf mit Dortmund den DFB-Pokal und mit der Nationalmannschaft den Confed Cup. Bei der Weltmeisterschaft in Katar war Ginter auch dabei – er ist bescheiden, wenn er von seinen Stationen erzählt.

"Die zurückliegenden Jahre waren gut, um meinen Horizont zu erweitern", sagt Ginter. Bis auf die Anfänge bei der Dortmunder Borussia verlief für ihn zwar sportlich das meiste nach Plan, doch gab es auch schwierige Momente zu bewältigen. Wie die letzten Monate in Mönchengladbach, als es zu Differenzen mit den dortigen Verantwortlichen kam. Auch musste er im Rahmen eines Länderspiels gegen Frankreich die Terroranschläge am 13. November 2015 in Paris erleben, wie auch zwei Jahre später das Attentat auf den Mannschaftsbus von Borussia Dortmund vor einem Champions-League-Spiel gegen AS Monaco. Verletzt wurde er dabei nicht, aber diese Geschehnisse wird er wohl nicht vergessen können. Was er sich für die Zukunft wünscht? "Vor allem Gesundheit", sagt er spontan und schiebt hinterher, "natürlich auch für meine Familie und meine Freunde." Zumindest eine seiner großen Sehnsüchte ist ja bereits in Erfüllung gegangen: die Rückkehr nach Freiburg, "in meine alte Heimat".
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