Heimkommen
Vom Kreuz mit der Bleibe
Verlagsthema Der Wohnungsmarkt in Freiburg und Umgebung ist angespannt. Daran führt kein Weg vorbei. Bezahlbare Mietwohnungen oder Immobilien sind nur schwerlich zu finden.
Di, 20. Dez 2022, 10:55 Uhr
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Thema: Heimkommen
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Dies Erfahrung haben auch Eveline Zobel und Egon Kramer gemacht. Vor fünf Jahren hatten sie ihrer liebgewonnen Wahlheimat Freiburg den Rücken gekehrt und sind aus familiären Gründen (die 92-jährige Mutter von Eveline Zobel wohnt im Norden) nach Worpswede in Niedersachsen gezogen. Jetzt wollen sie unbedingt zurück in die Schwarzwaldstadt und tun sich jedoch schwer mit der neuen Bleibe.
Aber Not macht bekanntlich erfinderisch und so sind die beiden – sie Diplomsozialpädagogin im Ruhestand, er selbstständiger Grafiker, auf eine ungewöhnliche Idee gekommen: Einhüten ist ihre Strategie. Das will heißen, Eveline Zobel und Egon Kramer bieten ihre Dienste insofern an, dass sie, wenn jemand länger verreist oder geschäftlich abwesend ist, dessen Haus, Garten und Katze versorgen und dafür vergleichsweise günstig wohnen können.
"Das Wohnen auf Zeit nutzen wir, um neue Kontakte knüpfen und aktiv auf die Suche zu gehen, vielleicht ergibt sich ja etwas", ist Kramer zuversichtlich. Ein erstes Mal haben sie auf diesem Weg im Herbst schon ein paar Wochen in Freiburg verbracht und das Haus nebst Garten eines Paars versorgt. Dass sie dennoch bislang noch keine Wohnung gefunden haben, schreckt sie nicht. "Das wird", sagt Eveline Zobel pragmatisch, der Optimismus ist ihr bislang nicht abhandengekommen.
Was auch mit ihren bislang positiven Erfahrung in Sachen Wohnungssuche zu tun hat. 1995 kam die gebürtige Bremerin zum ersten Mal in die für sie so sympathische Stadt an der Dreisam. Der Liebe wegen und auf Jobsuche. Eine Wohnung hatte sie damals zwar zuerst nicht, dafür viel Zuversicht und einen Wohnwagen, den sie am Tunisee platzierte und der zu einer ersten spartanischen Bleibe in Südbaden wurde. Die damals vorhandenen Möbel wurden irgendwo untergestellt, bis sich über eine Anzeige in der Badischen Zeitung eine erste möblierte Wohnung in Merzhausen und später eine endlich passende in Freiburg-Herdern fand.
"Es gibt immer einen Weg", sagt sie und erinnert sich gut daran, wie sie von Anfang an total begeistert war von der Stadt und der südbadischen Lebensart. "Ich glaubte, ich sei im Paradies gelandet", schmunzelt sie, wenn sie von jenen Jahren erzählt. Hoch aufs Jesuitenschloss sei sie immer gelaufen, und die nahe Natur habe sie sehr genossen. Und als sie in der Dreisam ein paar Studenten sah, die an einem im Wasser stehenden Tisch frühstückten, war sie total begeistert. "So etwas hatte ich vorher noch nicht gesehen", berichtet die heute 71-Jährige.
Egon Kramer stammt aus der Nähe von Kassel und zog vor 15 Jahren nach Freiburg, zehn Jahre hat er dort gelebt, bevor er mit seiner Lebensgefährtin zurück nach Niedersachsen siedelte. Die Liebe zu der Stadt und zur ganzen Region ist auch für ihn in den vergangenen Jahren nie weniger geworden. Er habe das milde Klima vermisst, die schon warmen Temperaturen im Frühjahr, wenn in Worpswede noch Schmuddelwetter gewesen sei. Und umgekehrt schätzte er den Schnee im Schwarzwald. In seiner Freiburger Zeit hatte sich der heute 66-Jährige das Langlaufen angewöhnt und war regelmäßig zum Notschrei gefahren, um den Sport auch auszuüben. "Die Nähe zu den Loipen sind ein wichtiges Argument für diese Gegend", beschreibt es Kramer, der hofft, diesen Vorzug bald wieder genießen zu können.
Eveline Zobel und Egon Kramer schätzen die Lage der Stadt jedoch nicht nur wegen des nahen Schwarzwalds, sondern auch wegen der Schweiz und Frankreich in der Nachbarschaft. Beides mache einen hohen Freizeitwert aus. Die potenziellen Heimkehrer vermissen außerdem das badische Essen mit Brägele und Co., die guten Restaurants und die vielen Straußen im Kaiserstuhl und im Markgräflerland, auch die Essenskultur ganz allgemein. Vielfach seien sie mit den Fahrrädern, aber auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs gewesen. Für Letzteres haben sie jede Menge Lob parat, "der öffentliche Nahverkehr funktioniert bestens, das ist nicht überall so", ist Eveline Zobel überzeugt.
Es gäbe noch viele Gründe mehr zu berichten, warum das agile Paar so gerne nach Freiburg zurückkehren will. Freunde, Bekannte, die Sauberkeit der Stadt, die sie so schätzen, oder die Sehnsucht nach einem erneuten Anfang in einer "Traumstadt". Das Einhüten scheint ihnen dabei ein gangbarer Weg auf dem Weg zur Wohnung zu sein. Für sie wäre es auch eine Möglichkeit, jemand im Alltag zu unterstützen. "Es gibt bestimmt Menschen, die zwar eine zweite Wohnung im Haus haben, aber niemand, der ihnen einkauft oder den Rasen mäht", sagt Kramer, der davon berichtet, dass beim Einhüten solche Arbeiten anfallen. Wenn alles klappt, wollen die beiden bald wieder in Freiburg sein – wer weiß, für ein paar Wochen zum Versorgen eines Hauses oder vielleicht sogar für längere Zeit in einer eigenen Wohnung. Es bleibt spannend, aber das macht das Leben ja aus.
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