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Komatrinken

Jugendliche saufen weniger exzessiv

  • dpa

  • Mi, 11. Februar 2015
    Panorama

Die Zahl der Komatrinker ist in Deutschland im Jahr 2013 deutlich zurückgegangen / Problem bleibt bestehen.

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Jugendliche haben in jüngster Zeit nicht mehr so oft bis zum Umfallen getrunken. Foto: photocase.de

WIESBADEN (dpa). An jedem Wochenende landen völlig betrunkene Jugendliche in den Krankenhäusern der Republik. Aber ihre Zahl sinkt – Kampagnen und Werbemaßnahmen gegen Alkohol zeigen Wirkung.

Nicht nur in den Karnevalshochburgen haben in diesen Tagen Bier, Schnaps und Wein Hochkonjunktur. Und auch wenn wieder viele Jugendliche zur Flasche greifen werden, die Zahl der jugendlichen Komatrinker ist rückläufig. Fast 23 300 Kinder und Jugendliche zwischen 10 und 19 Jahren sind 2013 in Deutschland wegen akuten Alkoholmissbrauchs stationär in einem Krankenhaus behandelt worden. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) am Dienstag in Wiesbaden mitteilte, sind das 12,8 Prozent weniger als 2012 – allerdings immer noch fast zweieinhalb mal so viel wie im Jahr 2000.

Zum Vorjahr also ein deutlicher Rückgang, aber keine Entwarnung. "Bevor die Sektkorken knallen: Wir haben diese Probleme nach wie vor", sagt der Geschäftsführer der Hauptstelle für Suchtfragen (HFS), Raphael Gaßmann. "Deutschland ist weiterhin eine Alkohol-Nation." Sieben von zehn wegen Alkohol im Krankenhaus behandelten Jugendlichen waren noch keine 18 Jahre alt. In einem aktuellen Fall kam am Dienstag in Nürnberg eine 14-Jährige in eine Klinik, weil sie sich lebensgefährlich betrunken hatte. Das Mädchen hatte einen Atemalkoholwert von mehr als 4,5 Promille. Laut Bundespolizei war sie im Gesicht blau.

Sowohl die HFS als auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) machen eine gelungene Aufklärungsarbeit für den Rückgang verantwortlich. Die Zahlen zeigten, dass Präventionsmaßnahmen Jugendliche erreichen, sagt BZgA-Leiterin Heidrun Thaiss. Gaßmann von der HFS betont, die Einstellung der Öffentlichkeit zu Jugendlichen mit Alkohol habe sich geändert, die Akzeptanz sinke. Dennoch: Nach BZgA-Zahlen betrinkt sich fast jeder fünfte Jugendliche mindestens einmal im Monat.

Der Kinderschutzbund nimmt auch Eltern und Lehrer in die Pflicht. Es gebe eine Aufklärungs- und Schutzpflicht, sagt die stellvertretende Geschäftsführerin des Bundesverbandes, Cordula Lasner-Tietze. "Das Verhalten der Erwachsenen spielt eine große Rolle." Gaßmann fordert vor allem eine Erhöhung der Steuern auf Alkohol. "Alkohol ist taschengeld-kompatibel. Jeder kann für unter zehn Euro eine Flasche Wodka kaufen und sich damit umbringen. Wir brauchen Preise wie im europäischen Durchschnitt." Dann würden Jugendliche weniger trinken und auch später beginnen. "Jeder Monat zählt", betont Gaßmann. Zudem müsse die Werbung eingedämmt und die Erreichbarkeit von Alkohol erschwert werden.

In Frankfurt hatten zu Monatsbeginn jugendliche Alkohol-Testkäufer in mehr als jedem zweiten der 95 auf die Probe gestellten Supermärkte, Trinkhallen, Kioske, Tankstellen und Internetcafés illegal Alkohol kaufen können. Besonders schlecht schnitten Trinkhallen und Supermärkte ab. Der Alkoholkonsum ist aber nicht nur bei Jugendlichen ein Problem. "Trotz der erfreulichen Entwicklung bei jungen Menschen bleibt die absolute Zahl der aufgrund eines Alkoholrausches behandelten Personen nach wie vor besorgniserregend hoch", betont Thaiss. Am häufigsten treten Alkoholvergiftungen bei den 45- bis 54-Jährigen auf.

Situation im Land

Baden-Württemberg steht in Sachen Komasaufen von Jugendlichen gut da: Auf 100 000 Jugendliche kamen hierzulande 284 Klinikaufenthalte wegen übermäßigen Konsums von Schnaps, Bier und Wein – bundesweit waren es dagegen 296. Im Südwesten gehen die Exzesse zwar aktuell nicht mehr so stark, dafür aber gegen den Bundestrend bereits seit Beginn des Jahrzehnts zurück. Eine neue Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft (DIW) und des Hamburger Center for Health Economics (HCHE) führt dies unmittelbar auf das im März 2010 erlassene nächtliche Alkoholverkaufsverbot zurück. Demnach wirkt sich dieses nachweisbar auf das Konsumverhalten der 15- bis 19-Jährigen und auch der 20- bis 24-Jährigen aus. Die Zahl der Alkoholexzesse wie auch der damit oft einhergehenden Körperverletzungsdelikte habe nach dem Verbot in beiden Altersgruppen überproportional abgenommen. Ein solches Verbot könne "für andere Bundesländer ein interessanter Ansatz" sein, empfehlen die Studienautoren Jan Marcus und Thomas Siedler den Stuttgarter Sonderweg zur Nachahmung.

Ressort: Panorama

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