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Handwerk in der Region

"Dämmen geht vor Haustechnik"

Anita Fertl
  • Mi, 24. April 2024, 09:32 Uhr
    Verlagsthema

     

Verlagsthema BZ-Interview: Wenn es darum geht, das Haus energetisch fit zu machen, gibt es für Eigentümer einiges zu beachten – was genau, das erklärt Marc Ellinger vom Verband Privater Bauherren (VPB).

VPB-Fachmann Marc Ellinger zeigt auf, ...s auf dem Weg zum grünen Haus ankommt.  | Foto: Bastian Brummer (dpa)
VPB-Fachmann Marc Ellinger zeigt auf, worauf es auf dem Weg zum grünen Haus ankommt. Foto: Bastian Brummer (dpa)
BZ: Herr Ellinger, bevor es losgehen kann: Was ist der erste Schritt?
Marc Ellinger: Erst muss man das eigene Haus verstehen und schauen, in was für einem Zustand es sich befindet. Dazu bedarf es einer umfassenden Bestandsanalyse.

BZ: Braucht es dazu gleich fachliche Hilfe?
Ellinger: Erst einmal geht das selbst. Aber dann ist es natürlich sinnvoll, sich die Unterstützung eines Bausachverständigen oder zumindest eines Bausachkundigen zu holen.

BZ: Das hört sich nach viel Geld an.
Ellinger: Das kostet Geld und kann durchaus eine höhere vierstellige Summe umfassen.

BZ: Manch einer würde dazu neigen, diesen ersten Schritt zu überspringen. Warum ist das keine gute Idee?
Ellinger: Es bringt nichts, eine Immobilie, die Schäden hat, über diese Schäden hinweg energetisch fit zu machen. Bevor es ans energetische Ertüchtigen gehen kann, ist oft ganz viel Sanierung drumherum zu leisten: Ist meine Sockelzone feucht? Gibt es Schimmel oder Risse an den Wänden? Ist mein Dachstuhl oder die Holzkonstruktion noch so, wie sie sein soll, oder ist sie von holzzerstörenden Organismen befallen? Das heißt, die Sanierung muss vorweg oder begleitend laufen, denn sonst mache ich ein Haus energetisch fit – sei es mit Dämmung oder sei es mit Haustechnik – das mir in den nächsten Jahren über dem Kopf zusammenbricht.

BZ: Beim Planen geht’s auch ums Budget: Welche energetischen Sanierungsmaßnahmen sind am wichtigsten?
Ellinger: Für das energetische Fitmachen würde ich sagen: Dämmen geht vor Haustechnik. Denn wenn ich ein schlecht gedämmtes Haus habe, dann bringt mir die neue Haustechnik nichts, außer, dass ich die Wärme auf eine andere Art und Weise erzeuge. Das Haus verbraucht deswegen nicht weniger Energie. Deshalb: Bevor ich Fenster erneuere, gehe ich erst an die Fassade. Denn wenn ich nur die Fenster mache und die Fassade erst mal in ihrem ursprünglichen Zustand lasse, weil mein Budget nicht reicht, dann habe ich viel mehr Probleme rund um die neuen Fenster.

BZ: Bevor es im zweiten Schritt an die Umsetzung geht: Welchen Beratungsstellen gibt es?
Ellinger: Das sind das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, kurz Bafa, die Förderbank KfW und auch die Verbraucherzentralen, die relativ preisgünstig Energieberater durchschicken. Bei Letzteren kann es aber eine Weile dauern, bis die kommen. Und unter Umständen gibt es auch regionale Berater, gerade wenn es um das Thema kommunale Wärmenetze geht. Denn zum einen brauchen diese Netze Abnehmer und zum anderen müssen sie gebaut werden.

BZ: Und ab wann sollte man einen Energieberater hinzuziehen?
Ellinger: Wenn man die Bestandsabnahme abgeschlossen, alle Fragen für sich beantwortet hat und weiß, was für ein Budget man überhaupt zur Verfügung hat. Denn wenn ich nur mit kleinem Geldbeutel sanieren kann, dann kann ich mir im Grund genommen Förderprogramme aus dem Kopf schlagen.

BZ: Warum?
Ellinger: Wenn ich durch die Baumaßnahme eine bestimmte Förderstufe nicht erreiche, bekomme ich die Förderung – entweder das Darlehen oder den Tilgungszuschuss – nicht. Und da hängt die Latte teilweise relativ hoch, gerade bei den, was die Energiebilanz angeht, schlechten Gebäuden aus den 60er, 70er Jahren.

BZ: Wie geht man dann weiter vor und wer kann unterstützen?
Ellinger: Ich persönlich würde einen Energieberater für Baudenkmale beauftragen, denn der kennt sich mit dem Bestand aus. Und er weiß, wie man diesen so saniert, dass es bausubstanzverträglich ist, ohne dass ich in den Bereich komme, Fördermittel in Anspruch zu nehmen. Dann muss ich den Berater halt selber bezahlen. Ich würdeempfehlen, einen neutralen Energieberater zu wählen und nicht beispielsweise denjenigen, der beim Heizungsbauer angesiedelt ist – der berät natürlich in die Richtung der Produkte, die er verkauft.

BZ: Welcher Schritt ist der nächste, wenn man budgetmäßig Förderungen abgreifen kann und will?
Ellinger: Energieberater werden auch für die Baubegleitung bezahlt und auch das wird gefördert. Mit ihnen kann man den individuellen Sanierungsfahrplan entwerfen. Anschließend stellt man über den Energieberater den Antrag für diese Maßnahmen bei der KfW oder Bafa, je nachdem, ob man Komplett- oder Einzelmaßnahmen machen will. Wenn ich den Bescheid habe, kann ich mit den Arbeiten anfangen. Man darf zwar vorher beginnen, aber ich würde den Bescheid abwarten. Denn wenn sich herausstellt, dass die Fördertöpfe leer sind, hat man den Auftrag erteilt und bekommt keine Förderung. Sind die Arbeiten dann erledigt, hole ich mir die Bestätigung des Energieberaters, dass alles ordnungsgemäß gemacht ist und dann das Geld bei der finanzierenden Bank ab.
Zur Person: Marc Ellinger ist Diplom-Ingenieur, Bausachverständiger, Dozent und Autor. Er leitet seit 2016 das VPB-Regionalbüro Freiburg-Südbaden.

Ressort: Verlagsthema

Dossier: Handwerk in der Region

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