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"Das negative Gefühl gegen Israel habe ich abgelegt"

  • Do, 01. August 2002
    Zisch

     

Latifeh Abu el Assal ist Palästinenserin und mit einer Israelin befreundet - und erzählt von veränderten Perspektiven.

Latifeh Abu el Assal, 31 Jahre, ist Palästinserin. In Freiburg hat sie sich mit der Israelin Anat Hammermann befreundet. Latifeh erzählt von sich: Ich habe mich nie mit Palästina identifiziert. Ich bin in Brasilien geboren und fühle mich als Brasilianerin. Als ich acht Jahre alt war, wollte mein Vater, dass ich mit meinen Geschwistern in einer palästinensischen Schule Arabisch lerne, weil meine Familie palästinensisch ist.

Viele meiner Verwandten sind in Palästina. Bei denen wohnten meine Geschwister und ich, denn unsere Eltern waren in Brasilien geblieben. Ich kann mich noch an meinen ersten Schultag in Sawiya, meinem Dorf, erinnern. Ich habe kein Wort verstanden und der Lehrer hat mich geschlagen, weil er dachte, dass ich ihn verarsche. Ich habe geweint und wollte zurück nach Brasilien. Das konnte ich aber inzwischen nicht mehr: rausgekommen wäre ich wohl, aber nie mehr zurück, weil der israelische Sicherheitsdienst mir meinen brasilianischen Pass entzogen hat. Ich habe viel Unrecht von Israel gegen uns gesehen und selbst darunter gelitten, obwohl es in den 80er-Jahren eher gesellschaftliche als militärische Auseinandersetzungen gab. Trotzdem habe ich außer gegen die Soldaten nie einen Hass empfunden, auch wenn mir immer gesagt wurde, "vertraue nie einem Juden". Die Familie von meiner Mutter hat in Israel gewohnt und ich habe mich immer gefreut, wenn ich am Wochenende zu ihnen konnte. Dort gab es ein Radio und einen Fernseher im Gegensatz zu unserem Haus. Ich habe ab und zu Ausflüge in Israel unternommen und kenne die israelischen Städte. Wie diese Menschen aus diesem unfruchtbaren Land ein kleines Paradies geschaffen haben ist unglaublich. Nein, ich war nicht neidisch, sondern bewundere, was sie im Gegensatz zu den Palästinensern geschafft haben.

Die Möglichkeit Israelis richtig kennen zu lernen hatte ich erst, als ich im Sommer 2000 nach Freiburg kam und Anat getroffen habe. Ich war so aufgeregt mit ihr zu sprechen, immerhin war sie die erste Israelin, mit der ich mich unterhalten konnte. Wir sind gute Freundinnen geworden und helfen uns gegenseitig in dieser schwierigen Zeit. Ich bin erleichtert, jemanden wie sie aus Israel getroffen zu haben. Wir können uns gegenseitig vertrauen. Das negative Gefühl gegen Israel habe ich abgelegt. Nach so langer Zeit ist das ein schönes Gefühl.

aufgezeichnet von Johannes Evers

Ressort: Zisch

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