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Der zweite Versuch

  • Fr, 12. Januar 2001
    Zisch

     

22 neue Gesichter: Zum zweiten Mal wurde in Freiburg der Jugendrat gewählt. Was haben sich die frisch gebackenen Jugendvertreter vorgenommen? Was wollen sie anders, besser machen als ihre Vorgänger? Ein JuZ-Interview mit Ama Leicher und Edvard Högner.

ie Enttäuschung ist groß: Lediglich 3,2 Prozent aller Wahlberechtigten beteiligten sich an der zweiten Jugendratswahl im vergangenen November. Und das, obwohl mit viel Aufwand für die Wahl geworben wurde. Wen vertritt der Jugendrat, wenn sich so wenige Jugendliche für ihn interessieren? Gregor Salvamoser sprach mit den beiden Leitern, Ama Leicher und Edvard Högner, über Probleme und Ziele des Jugendrats.

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JuZ: Fühlt Ihr Euch angesichts der mageren Wahlbeteiligung überhaupt als Vertreter der Freiburger Jugendlichen?
Leicher: Ich denke schon, dass wir die Vertreter der Jugendlichen sind. Die geringe Wahlbeteiligung ist für uns vor allem ein Grund zur Motivation: Jene, die uns gewählt haben, stehen hinter uns. Den anderen müssen wir eben zeigen, dass wir hinter ihnen stehen.
JuZ: Woran lag es, dass so wenige zu den Urnen gingen?
Högner: In anderen Städten liegt die Wahlbeteiligung oft um die 50 Prozent. Dort steht die Wahlurne allerdings auch eine Woche lang im Klassenzimmer. Hier in Freiburg konnte man nur an einem Samstagnachmittag seine Stimme abgeben und so kamen natürlich viel weniger Leute zur Wahl. Es war sozusagen der aktive Wähler gefordert. Wir denken darüber nach, dieses System beim nächsten Mal zu ändern.
JuZ: Glaubt Ihr, dass die Jugendlichen an Politik interessiert sind?


"Ohne die Unterstützung der Jugendlichen kann der Jugendrat nicht wirken." Edvard Högner

Leicher: Man muss den Jugendlichen klar machen, was Politik heißt. Für viele ist Politik gleichbedeutend mit mächtigen, erwachsenen Politikern. Dabei können Jugendliche ebenso Politik machen. Außerdem darf man ab 18 wählen und greift somit auch in die Politik ein.
Högner: Versucht man Politik so zu vermitteln, wie es in den Schulen geschieht, dann stößt man sicherlich nicht auf allzu großes Interesse. Der alte Jugendrat versuchte es mit Partys, doch das schlug fehl, da jedem die Partys besser gefielen als die Arbeit. So entstand auch der Spitzname "Partyrat".
JuZ: Inwieweit könnt Ihr die Wünsche der Jugendlichen durchsetzen?
Högner: Einen konkreten Einfluss haben wir nur bedingt. In vielen Gremien haben wir keine Stimmberechtigung, sondern nur eine beratende Funktion. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir unsere Anliegen gut und überzeugend vermitteln. Wenn man schon keine eigene Stimme hat, muss man andere Stimmen für sich gewinnen.
JuZ: Was sind Eure wichtigsten Projekte?
Leicher: Derzeit sind wir noch hauptsächlich mit Organisieren und dem Verteilen von Positionen beschäftigt . . .
Högner: . . . aber es kristallisieren sich schon Vorhaben heraus: Dazu gehört die Mitarbeit an der Kampagne "Freiburg - offene Stadt", die sich gegen Rechtsextremismus richtet. Zudem wollen wir die Arbeit in den einzelnen Stadtteilen intensivieren - jeder Jugendrat wurde ja für ein bestimmtes Viertel gewählt und soll sich dort um die Belange der Jugendlichen kümmern. Aber auch Projekte des alten Jugendrats wie Jugendhearings oder die heißdiskutierten Partys werden wir mit Sicherheit weiterführen. Dabei wollen wir insbesondere ein jüngeres Publikum, so ab 12 Jahren, ansprechen.
JuZ: Wie sieht es mit dem ewigen Projekt JugendDenkMal aus? Wird daraus noch einmal etwas?
Högner: Das liegt erstmal nicht in unserer Hand; JugendDenkMal ist ja ein eigener Verein. Momentan sieht es so aus, dass sich JugendDenkMal mit der Stadt auf eine "mittlere", abgespeckte Variante geeinigt hat. Der Bau wird hoffentlich bald beginnen. Mit mehr Unterstützung seitens der Stadt käme man natürlich schneller voran. Der Wille und die Energie sind da.
JuZ: Was hat der Jugendrat Eurer Ansicht nach bislang geleistet?
Leicher: Wir sind noch in der Anfangsphase unserer Arbeit und noch nicht lange genug zusammen, um ein Fazit ziehen zu können.
JuZ: Und wenn ihr an den alten Jugendrat denkt?
Högner: Es wurde in Freiburg jahrelang versäumt den Jugendlichen eine Chance zu geben, aktiv in der Politik, vor allem in der Kommunalpolitik, mitzumachen. Jetzt haben wir diese Chance und wir sollten sie wirklich nutzen. Wir bieten etwas an, aber wenn niemand kommt . . . Genau hier liegt das Problem: Ohne die Unterstützung der Jugend konnte der Jugendrat nicht richtig wirken. Man kann jetzt Veranstaltungen wie Jugendhearings, Sprayeraktionen oder den P-Day aufzählen. Dass diese nur bedingt von Erfolg gekrönt waren, ist in erster Linie nicht dem Jugendrat anzulasten, sondern den Jugendlichen, die sich nicht engagiert haben.
JuZ: Tragt ihr als Leiter des Jugendrates die ganze Verantwortung?
Högner: Nein, unsere Aufgabe ist es, den Überblick zu behalten und die Aktionen zu koordinieren.
Leicher: Konkret heißt das: Viel Büroarbeit und im Notfall die Fehler ausbaden.
Högner: Als Leiter sind wir nicht so etwas wie Chefs. Im Jugendrat sind alle Mitglieder gleichberechtigt.
JuZ: Haltet ihr Freiburg für eine jugendfreundliche Stadt mit genügend Zentren oder Sportanlagen?


"Für viele ist Politik gleichbedeutend mit mächtigen, erwachsenen Politikern. Dabei können Jugendliche ebenso Politik machen." Ama Leicher

Leicher: Eher ja, denn hier ist einiges geboten.
Högner: Wie jugendfreundlich eine Stadt ist, hängt davon ab, wie viele Jugendliche sich etwas wünschen und davon, ob diese Wünsche erfüllt werden. Nur: In der Regel finden die Jugendlichen Gehör, nur müssen sie auf einen zukommen und nicht warten, bis ihnen Angebote und Einrichtungen vor die Nase gesetzt werden.
JuZ: Glaubt Ihr, dass das Interesse der Jugendlichen am Jugendrat steigen wird?
Högner: Das hängt wohl davon ab, was wir machen werden. Die Lage zu verbessern ist zwar nicht gerade leicht, aber wenn wir es schaffen, wäre es genial. Aber ich bin kein Politiker, der Versprechen abgibt und sie dann nicht hält.
JuZ: Wollt ihr später Politiker werden?
Leicher : Nein. Es gibt einige Bereiche, in denen ich begabter bin.
Högner: Ich würde es höchstens als Chance zur Provokation sehen. Aber wer weiß, ich habe meine Zukunft noch nicht verplant.

Ressort: Zisch

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