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Leute im Landkreis

Annika Bergfeld wünscht sich, dass die Leute normal reagieren

  • Philippa Baurmann

  • Sa, 22. Oktober 2016, 12:59 Uhr
    Horben

Annika Bergfeld aus Horben stottert. Die 17-Jährige geht selbstbewusst damit um. "Die Leute sollen das einfach ignorieren und ganz normal reagieren", sagt sie. Doch ein Lehrer tat das einmal nicht.

Annika Bergfeld im Gespräch mit der BZ-Reporterin.  | Foto: Rita Eggstein
Annika Bergfeld im Gespräch mit der BZ-Reporterin. Foto: Rita Eggstein
"Das Stottern gehört zu mir", sagt Annika Bergfeld. Das ist mal eine selbstbewusste Aussage. Die 17-Jährige lacht viel und blickt ihrem Gegenüber beim Reden immer in die Augen. Am Samstag ist der "Welttag des Stotterns", der auf die Schwierigkeiten der Stotternden hinweisen soll. Seit 1998 findet der Tag jedes Jahr am 22. Oktober statt. Das diesjährige Motto lautet: "Stuttering Pride: Respect. Dignity. Recognition." Zu Deutsch etwa: "Der Stolz der Stotternden: Respekt. Würde. Anerkennung." (Hintergrund: Beispiel Freiburg: Wie Stotterer mit ihrem Sprachfehler umgehen)

"Viele Stotternde trauen sich nicht, etwas zu sagen und verkriechen sich" Annika Bergfeld
Das Thema passt gut zu der Abiturientin aus Horben. Sie weiß sich mittlerweile Gehör und Respekt zu verschaffen. "Viele Stotternde trauen sich nicht, etwas zu sagen und verkriechen sich", sagt sie. "Aber man muss selbstbewusst sein und auch darüber reden. Am wichtigsten ist es, den Blickkontakt bei einer Blockade zum Gesprächspartner nicht abzubrechen", fährt die leidenschaftliche Golfspielerin und Skifahrerin fort. Das Stottern sei keine Krankheit, sondern bloß ein Fehler und jeder habe Fehler. "Keiner ist perfekt."

Das ist eine gesunde Einstellung. Bei Annika Bergfeld fing das Stottern mit fünf Jahren an. Sie sagt, sie habe es von ihrem Opa geerbt. Das Sprachproblem ist behandelbar, aber nicht jeder kann geheilt werden. Während der Schulzeit war sie alle zwei Wochen bei einem Logopäden. Mit diesem hat sie stressige Situationen, wie Bewerbungsgespräche, aber auch Techniken geübt. So auch das "Pseudo-Stottern", wofür sie absichtlich kleine Stotterer einbaut, damit das echte Stottern ausbleibt.

Stotternde sind oft sehr redegewandt

Ebenso setzt sie die Technik des Wörterersetzens ein. Dabei sucht sie Synonyme für schwer auszusprechende Worte und tauscht sie aus. Durch dieses Suchen nach Ausgleichsmöglichkeiten sind viele Stotternde sehr redegewandt.

So auch Annika Bergfeld. In der Schule habe sie sich immer sehr viel gemeldet und zu allem etwas beigetragen. Trotzdem wurde ihren Eltern nahegelegt, ihr Kind auf eine Sonderschule zu schicken. "Das hat meine Mutter aber strikt abgelehnt. Ich habe ja niemanden gestört, ich habe nur langsamer gesprochen." Die Entscheidung war die Richtige.

Annika Bergfeld hat ein Abi von 1,0

Sie hat ihr Abitur mit 1,0 abgeschlossen und macht nun ein Praktikum in der Zahnarztpraxis ihres Vaters. Im nächsten Sommersemester möchte sie Zahnmedizin in Freiburg studieren. Doch so leicht, wie es im Nachhinein aussieht, war es nicht immer. "Anfangs wollten mich die Lehrer schonen, aber sowas möchte ich auf keinen Fall. Ich will mir meine guten Noten verdienen", betont sie.

Manche Lehrer seien überfordert gewesen, wollten aber eigentlich nur helfen. Einmal habe ein Lehrer gefragt, ob es für sie in Ordnung sei, wenn die Klasse den Film "The King’s Speech" guckt, bei dem es um einen stotternden König geht. "Er hat dann vor der Klasse erklärt, dass er das mit mir abgesprochen habe. Sowas muss man doch nicht breittreten. Keiner möchte diese extra Aufmerksamkeit", erklärt sie.

Für mündliche Prüfungen gibt es für Stotternde die Möglichkeit eines Nachteilausgleichs

In solchen Fällen ist sie frustriert und enttäuscht. Manchmal ist sie das auch von sich selber, wenn es mit dem Sprechen vor anderen nicht so klappt, wie sie sich das vorstellt. Wenn sie die erlernten Techniken erfolgreich anwendet, ist sie umso stolzer.

Für die mündlichen Prüfungen in der Schule gibt es für Stotternde die Möglichkeit eines Nachteilausgleichs – ähnlich wie bei schriftlichen Prüfungen für Schüler mit Lese- und Rechtschreibschwäche.

Dafür benötigt man ein Attest des Hausarztes und des Logopäden. So hatte die junge Frau mehr Zeit und durfte sich Karteikarten und den Prüfern ein Skript schreiben. "Die Lehrer waren sehr fürsorglich und verständnisvoll. Einer hat mir sogar erzählt, dass er selber mal gestottert habe. Das hat mir sehr geholfen", sagt sie. Absolute No-Gos für Stotternde sind Sätze wie "Beruhige dich mal" oder wenn der Gegenüber angefangene Sätze beendet. "Die Leute sollen das einfach ignorieren und ganz normal reagieren", empfiehlt sie.

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Ressort: Horben

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