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Zischup-Interview

"Ich habe fünf bis sechs Termine am Tag"

  • Ben-Luca Marashi und Mathis Lupberger, Klasse 8b, Kreisgymnasium (Neuenburg)

  • Fr, 28. April 2023
    Schülertexte

Joachim Schuster ist seit 32 Jahren Bürgermeister von Neuenburg am Rhein. Ende Mai geht er in den Ruhestand. Im Interview erzählt er, wie er zu dem Posten kam und was ihm bei seiner Arbeit wichtig ist.

Joachim Schuster  | Foto: Stadt Neuenburg
Joachim Schuster Foto: Stadt Neuenburg
Zischup: Was hat Sie dazu gebracht, Bürgermeister zu werden und was war Ihr Ziel, was wollten Sie verändern?
Schuster:
Bevor ich vor 32 Jahren zum Bürgermeister gewählt wurde, war ich sieben Jahre – 1984 bis 1991 – in der Landesvertretung in Bonn tätig, zuständig für das Land Baden-Württemberg. 1991 ist die Landesvertretung Baden-Württemberg nach Berlin umgezogen. Meine Frau und ich haben uns dann Gedanken gemacht und uns entschlossen, etwas Neues auszuprobieren. Über den Fußball gab es Verbindungen zum Landkreis Lörrach mit dem Hinweis, dass eine Bürgermeisterwahl in Neuenburg stattfindet. Ich habe mir dann daraufhin Neuenburg angeschaut, mich beworben und wurde gewählt.

Zischup:
Wie haben Sie sich das Bürgermeisteramt vorgestellt und war es Ihren Erwartungen entsprechend?
Schuster:
Es war schon meinen Entsprechungen entsprechend. Ich habe mich darauf vorbereitet, doch man ist in so einem Amt plötzlich in der Öffentlichkeit und wird beobachtet. Auch meine Frau musste mit der Situation zurecht kommen. Die Leute haben geschaut, wo meine Frau einkauft, was sie einkauft, sie galt ebenso als öffentliche Person. Man kann als Bürgermeister viel bewegen, wir haben 200 Millionen Euro in Neuenburg und den Ortsteilen investiert. Alleine in Schulen und Kindergärten haben wir 35 Millionen investiert: Neubau der Grundschule, Neubau der Realschule, Neubau von zwei Sporthallen. Dazu habe wir uns um den Bereich Wirtschaft intensiv gekümmert.

Zischup:
Welche Alltags-Arbeiten haben Sie als Bürgermeister?
Schuster:
Ich komme ungefähr um neun Uhr ins Büro und habe davor schon zwei Zeitungen gelesen, um zu wissen, was es Neues gibt und was aktuell ist. Im Büro habe ich so ungefähr fünf bis sechs Termine am Tag, dazu kommen Sitzungen und Besprechungen. Dazu die Themen zur Organisationsstruktur im Haus, allgemeine Aufgaben im Rathaus und die Bearbeitung des Posteingangs. Außerhalb geht es um Wirtschaftsthemen, Kirchen, Schulen, Kindergärten, Naturschutzthemen, Ansiedlungen von Firmen, Flüchtlingsthemen, Sozialthemen, über das Altenheim, das Ordnungsamt, den Verkehr und so weiter. Mein Hauptbereich ist die Zukunftsplanung. Mir ist nie langweilig. Oft gehe ich auch zu Veranstaltungen, um mit den Bürgern ins Gespräch zu kommen und zu wissen was sie wollen. Um Langzeitprojekte wie zum Beispiel die Landesgartenschau 2022 habe ich mich das erste Mal im Jahr 2000 gekümmert.

Zischup:
Was machen Sie, wenn Sie nicht im Bürgermeisteramt aktiv sind?
Schuster:
Viel Zeit bleibt da nicht, da ich selbst am Abend und am Wochenende arbeite. In der knapp bemessenen Freizeit habe ich früher sehr intensiv Fußball gespielt und dabei auch die Trainer-Lizenz erworben. Heute gehe ich gerne zum Ausgleich durch die Landschaft mit Stöcken wandern. Ich habe einen großen Garten, wo es ständig was zu tun gibt, ich lese sehr gerne, dabei am meisten Bücher von Autoren, die aus anderen Ländern kommen. Ich reise gern, fahre gern Fahrrad und mache alles gern, was mit Bewegung zu tun hat.

Zischup:
Wie hat sich Neuenburg in Ihrer Karriere entwickelt?
Schuster: Ich denke, dass ich viel für die Schulen und die Bildung getan habe, da mein Vater Lehrer war. Als ich kam, waren hier noch 8800 Einwohner, jetzt haben wir knapp 13.000 Einwohner. Ich habe auch für die Ortsteile gesorgt, es gibt mittlerweile vier Kindergärten in den Ortsteilen. Wir haben viele neue Krippen, Kindergärten, Grundschulen und weiterführende Schulen gebaut. Wir haben natürlich auch mehr Arbeitsplätze, anfangs waren es 2300 Arbeitsplätze jetzt sind es 4500. Dazu ist das Pflegeheim St. George entstanden und noch ein neues Pflegeheim gebaut worden. Wir hatten letztes Jahr 130.000 Übernachtungen, und haben einige Feste am Start.

Zischup:
Was für negative Punkte hatten Sie in Ihrer Karriere?
Schuster:
Eigentlich keine erheblichen, denn wir haben eine gute Mannschaft im Rathaus. Ich selbst war immer motiviert bei der Sache. Was in den letzten Jahren belastend war, ist das Thema soziale Netzwerke inklusive den Hetzereien, deshalb habe ich unter anderem kein Facebook-Konto mehr.

Zischup:
Was werden Sie niemals vergessen in Ihrer Karriere?
Schuster:
Als Bürgermeister: das Gymnasium nach Neuenburg geholt zu haben. Außerhalb der Bürgermeistertätigkeit: Als ich 2008 Europameister wurde von den Nationen der Bürgermeister.

Zischup:
Was erhoffen Sie sich von Ihrem Nachfolger und welche Eigenschaften sollte man als Bürgermeister mitbringen?
Schuster:
Ich würde mir erhoffen, dass die Projekte, welche angefangen wurden, fertigstellt werden. Dass die Schulen in einem top Zustand bleiben und modernisiert werden, dass die Glasfaseranbindung weitergeht. Dazu sollte man das Thema Wasserstoff und Klimawandel im Blick halten. Mein Nachfolger braucht sicherlich Geduld, gute Nerven, Selbstbewusstsein, eine gute Basis beim Gemeinderat und eine gute Beziehung zu und Mitbestimmung von den Bürgern.

Zischup:
Gibt es noch Dinge, die Sie gerne noch erreicht hätten, wenn Sie noch Zeit dafür gehabt hätten?
Schuster:
Es gibt einige Themen, die ich noch gerne gemacht hätte, die zeitlich leider nicht gepasst haben. So zum Beispiel ein neues Baugebiet, die Bebauung des Münsterplatzes, ein Wohngebiet auf dem Parkhaus-Deck, das Schulzentrum weiterzuentwickeln, das St.-George-Heim zu sanieren, einen Stadtbus zu etablieren, den Bau von Solaranlage fördern und so weiter.

Ressort: Schülertexte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 28. April 2023: PDF-Version herunterladen

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