Account/Login

Im Kampf um die Arena am Martinstor

Konstantin Görlich
  • Do, 21. Juli 2016
    fudder

     

Es könnte das erfolgreichste Handyspiel seit Snake sein: Die ganze Welt jagt Pokémons – auch Freiburger schauen aufs Smartphone.

Pokémon Go in der Freiburger Altstadt  | Foto: Daniel Laufer
Pokémon Go in der Freiburger Altstadt Foto: Daniel Laufer

Zurück in die Kindheit der Neunziger! Diesen Wunsch erfüllen sich gerade viele Gaming-Fans mit "Pokémon Go". Das Smartphone-Spiel schlägt reihenweise Downloadrekorde. Wie kommt es in Freiburg an? Einige spielten es über Umwege schon Tage vor dem Deutschlandstart. In knapp einer Woche wurde das Spiel ein globales Massenphänomen.

Ein junges Pärchen steht am Martinstor. Es gehört zu der Generation junger Erwachsener, für die Pokémon DAS Spiel ihrer Kindheit war. Sie zeigt ihm ihr Handy. "Und so kannst Du die Viecher fangen", sagt sie. Er schüttelt verständnislos mit dem Kopf. Ob sie bald noch zusammen sein werden? Womöglich nicht. "Pokémon Go" wird bereits als Beziehungskiller gehandelt.

Das erste Pokémon-Spiel von Nintendo kam 1996 heraus, damals für den Gameboy. Die Reihe gilt als eine der erfolgreichsten überhaupt. Eine Anime-Serie, 17 Kinofilme und tonnenweise Merchandise kamen auf den Markt und überfüllten zahllose Kinderzimmer. Im Spiel geht es darum, kleine Monster – die Pokémon – zu sammeln, zu ertauschen, zu trainieren und sie gegeneinander kämpfen zu lassen.

"Pokémon Go" holt den Klassiker nun ins Jahr 2016 – und in eine erweiterte Realität: Die ganze Welt ist die Spielwelt, der Spieler bewegt seinen Avatar, indem er sich selbst bewegt. Dabei kann er das Bild der Handykamera einblenden – und die virtuellen Monster erscheinen in der Realität.

"Pokémon Go" stürmte in den App-Store-Charts umgehend auf Platz 1. Der Hype nimmt ständig neue Dimensionen an. Gerüchte über Kriminelle tauchen auf, die Spielern gezielt auflauern. Die üblichen Datenschutzbedenken werden verbreitet, weil die App allerlei Freigaben benötigt, um zu funktionieren – wie viele andere Apps auch.

Ein Twitter-Video zeigt hunderte Menschen, die über eine Straße in New York laufen. Der Verkehr kommt zum erliegen, Menschen lassen ihre Autos stehen. Der Grund: Ein sehr seltenes Pokémon ist in der Nähe.

Der Deutschland-Start der App wurde verzögert, weil zu viele neue Spieler in sehr kurzer Zeit die Server überlastet hatten. Trotzdem waren bereits Spieler im Straßenbild zu erkennen, die sich die App mit Tricks schon vorab besorgt hatten.

Marlene Greiwe gehörte zu den Ersten, die in Freiburg spielten. Die 35-Jährige ist Steuerfachwirtin und bezeichnet sich als "Nerdmädchen". Ortstermin am Bertoldsbrunnen, er ist einer der überaus zahlreichen Pokéstops, an denen man Spielgegenstände bekommt – unter anderem die Pokébälle, mit denen man Pokémons fängt, die überall auftauchen.

"Und dann kannst Du Deine Pokémons trainieren, damit sie stärker werden, und gegen andere kämpfen können", erklärt Marlene. Übermäßige Begeisterung für "Pokémon Go" zeigt sie nicht. Es ist nicht ihr erstes "Augmented Reality"-Spiel – so nennt man Games, die eine "virtuelle" mit der "echten" Welt verbinden. Sie spielt auch Ingress, ebenfalls vom Spieleentwickler Niantic.

Die Parallelen zwischen den beiden Spielen sind frappierend. Die Pokéstops basieren auf Ingress-Portalen – samt Namen und Fotos, die Ingress-Spieler über die Jahre hochgeladen haben. Dann entdeckt Marlene eine unbesetzte Arena an der Dreisam. Nix wie hin.

In Arenen finden die Kämpfe statt, sie können von einem der Teams besetzt und von – möglichst starken – Pokémons verteidigt werden. Auch die Arenen sind nicht zufällig verteilt, es handelt sich offenbar um stark frequentierte Ingress-Portale.

"Bisher erinnert es wenig an das Gameboy-Spiel, es wirkt eher wie ein anderes Spiel, auf das Pokémon draufgeklebt wurde", sagt Nico Glissmann. Der 24-jährige Chemiestudent taucht wenige Minuten nach Marlene bei der Arena an der Dreisam auf. Er hat den ebenfalls 24-jährigen Anglistikstudenten David Staib dabei, der vom Spiel begeistert ist. Warum? "Weil ich als kleiner Junge schon Pokémon gespielt hab – und jetzt gibt es das wieder!" Ein anderer Student stiftete ihn an: "Der hat mitten im Seminar sein Handy rausgeholt und ein Taubsi gefangen."

Die Begeisterung der beiden Jungs fehlt Marlene. "Pokémon, das war die Generation nach mir", sagt sie. "Pokémon Go" ist als Spielkonzept nicht viel mehr als ein Farmville an der frischen Luft. Was es zum durchschlagenden Erfolg macht, ist die emotionale Verbindung zur Kindheit. Die Spielwelt von "Pokémon Go" ist eine heile Welt. Kleine, niedliche Wesen, die man hegen und pflegen kann – und die selbst im härtesten Kampf nicht sterben.

Eigene Community-Funktionen bringt das Spiel nicht mit, es gibt noch nicht mal einen Chat. Macht aber nix: Die Facebookgruppe für alle Freiburger Spieler hat eine Woche nach dem offiziellen Start bereits über 750 Mitglieder. Mit solch einem Ansturm hat nicht mal der Gründer, der 18-jährige FSJler Moritz Bross, gerechnet, als er sie am 10. Juli, drei Tage vor dem Deutschlandstart, erstellte. Auch er war eines der Pokémon-Fan-Kinder und ist total begeistert vom Spiel, auch wenn er erst Level 13 erreicht hat. Kein Anfänger mehr, aber einige sind schon deutlich weiter. Im Spiel fehlt ihm vor allem die Spieler-zu-Spieler-Interaktion – aber dafür hat er ja jetzt die Facebookgruppe: "Am Anfang war ich alleine Unterwegs, und da wollte ich Vernetzung zwischen den Spielern."

Dass Vernetzung ein Schlüssel zu Erfolg im Spiel ist, kann auch "Trump" bestätigen. So nennt sich der 26-Jährige im Spiel, seinen echten Namen will er nicht sagen. Mit Level 21 ist er schon relativ weit und sein "Aquana" mit knapp 1600 Wettkampfpunkten ist auch über fast jeden Zweifel erhaben. Ziehen jetzt einige Profispieler allen anderen davon? "Ja, aber uneinholbar ist kaum jemand. Wer ein Gebiet sichern will, ist alleine aufgeschmissen." In einer geheimen Gruppe seines Teams organisiert er die Übernahme aller Arenen eines Stadtteils – um die täglichen Boni für gehaltene Arenen einzustreichen.

"Pokémon Go" bringt die Leute auf die Straße, sie treffen sich absichtlich oder zufällig. Ein Hotspot in Freiburg liegt an der Herrenstraße, nahe der Münsterbauhütte, wo mehrere Pokéstops nah beieinander liegen. Am Dienstagabend zählte Fudder vor Ort rund 80 Spielerinnen und Spieler.

"Pokémon Go" gibt es kostenlos für iOS und Android
.

Wo Steckt Pikachu?

Wo lebt welches Pokémon in Freiburg? Wo sind Pokéstops und Arenen? Die Spieler sammeln Daten über das Spiel. Eine Google-Karte gibt bereits Auskunft – allerdings noch lückenhaft. Du willst ein Bisasam fangen? Am Flückigersee wurden schon welche gesehen! http://fudr.fr/pokemap

Ressort: fudder

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 21. Juli 2016: PDF-Version herunterladen

Artikel verlinken

Wenn Sie auf diesen Artikel von badische-zeitung.de verlinken möchten, können Sie einfach und kostenlos folgenden HTML-Code in Ihre Internetseite einbinden:

© 2024 Badische Zeitung. Keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben.
Bitte beachten Sie auch folgende Nutzungshinweise, die Datenschutzerklärung und das Impressum.

Kommentare


Weitere Artikel