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Kein Licht am Ende des Tunnels

  • Do, 01. August 2002
    Zisch

     

Anat aus Israel erzählt.

In Freiburg haben sich Anat Hammermann Schuldiner, 26 Jahre, und Latifeh Abu el Assal, 31 Jahre, kennen gelernt - und befreundet. Anat ist Israelin, Latifeh Palästinenserin. Gemeinsam setzen sie sich für ein friedliches Miteinander im Nahen Osten ein. Hier erzählt Anat von ihrem Leben.

Im Oktober 2001 bin ich aus Jerusalem nach Freiburg gekommen. Ich habe ein Stipendium bekommen, um in Freiburg zu studieren. Deswegen und natürlich auch wegen der schrecklichen Situation in unserem Land habe ich Israel verlassen. Natürlich vermisse ich mein zu Hause, aber meine Eltern sagen mir, dass ich hier in Sicherheit bleiben soll. Zur Zeit ist es - wie jeder weiß - sehr schwer in Palästina und Israel.

Ich liebe meine Heimat und die Menschen, die dort leben. Deshalb möchte ich irgendwann wieder zurück. Ich kann aber nur ein Zuhause haben, wenn die Palästineser auch ihres haben dürfen. Auch deshalb bin ich gegen die israelische Besatzung und den Staatsterror, der die Palästinenser unterdrückt - und uns Israelis selbst schadet. Ich weiß, dass ich es mir nicht leisten kann alles in den Händen meiner Regierung zu lassen, deren militärisches Denken immer wieder neue Tote auf beiden Seiten fordert und den Hass und die Verzweiflung vertieft.

"Solange der Konflikt nicht gelöst ist, werde ich nicht wegschauen." Anat Hammermann Schuldiner, Israelin, 26 Jahre

Ich würde mir wünschen unpolitisch sein zu können, aber solange der Konflikt nicht gelöst ist, werde ich nicht wegschauen, auch wenn das mit viel Schmerz verbunden ist. Das erhoffe ich mir auch von Europa, dass sich eine Art "Aufschrei" gegen diese Situation entwickelt, weder antisemitisch noch antiislamistisch, sondern für einen gerechten Frieden. Und deshalb bin ich auch in Deutschland weiter für ein friedliches Zusammenleben von Israelis und Palästinensern aktiv. Natürlich ist es sehr schwierig und man sieht kein Licht am Ende des Tunnels.

Die Situation in Israel macht, dass ich mich jede Woche in einer Krise befinde. Aber ich habe keine andere Wahl. Meine Freunde und ich unterstützen uns gegenseitig nicht aufzugeben. Natürlich besonders Latifeh aus Palästina, die ich hier getroffen habe. Sie gibt mir Kraft und Hoffnung weiterzumachen. Ich träume davon, Latifeh und Nasser, ein anderen palästinensischen Freund aus Freiburg, in das Haus meines Vaters einzuladen. Es wäre schön, wenn sie von dem Essen meines Vaters kosten könnten und nicht nur von meiner Sehnsucht danach hören würden. Und dann würde ich gerne zu Latifeh nach Sawiya in ihr Dorf in Palästina fahren und unter einem Olivenbaum mit ihr über das letzte Fußballspiel streiten.

aufgezeichnet von Johannes Evers

Ressort: Zisch

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