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Keine Engel proben nachts nicht in der Garage

  • Anna Paulus

  • Mo, 14. Mai 2001
    Zisch

     

Die super durchgestylte Girlgroup "No Angels" zeigt sich im Round-Table-Pressegespräch durchaus natürlich - ohne romantischen Bandklischees zu entsprechen.

"No Angel" Vanessa nippt an ihrem gezuckerten Milchkaffee und schaut in die Journalisten-Runde. Neben ihr sitzt Lucy mit ihren knallroten Haaren und einen Platz weiter hängt Nadja völlig genervt auf ihrem Stuhl. Sie wippt ununterbrochen mit dem linken Bein, hält sich die rechte Wange und bekommt aufmunternde Worte von der feuerroten Lucy zugeflüstert.

"Alles okay? Hey, Kopf hoch, Süße", sagt Lucy und krault der armen Nadja den Rücken. Die hat fürchterliche Zahnschmerzen. Ganz plötzlich sind sie aufgetreten und da sind die 15 Pressefuzzis eigentlich das Letzte, was Nadja, das Element "Wind" in der Band "No Angles", an diesem Nachmittag im Hotel im Europa-Park gebrauchen kann. Schließlich verlässt Nadja mit feuchten Augen den Raum. Die Journalisten sollen vermutlich nicht die Tränen kullern sehen, außerdem hat der Zahnarzt in Rust seine Mittagspause verkürzt, um den Leiden des jungen Girlgroup-Mitglieds jetzt ein Ende zu bereiten.

Vanessa und Lucy werden weiter mit äußerst kreativen und interessanten Fragen, wie: "Seit ihr zum ersten Mal in Freiburg?" oder "Wie gefällt euch der Europa-Park?" bombardiert. Die anderen beiden Bandmitglieder Sandy und Jessica drehen zur gleichen Zeit mit einer RTL2 Filmcrew eine Reportage im Vergnügungspark. "Sie schreiben weder Ihre eigenen Texte, noch singen Sie live oder entwerfen eigene Choreographien. Kommt man sich da nicht wie ein Kunstprodukt vor?" fragt ein in reichlich After-Shave gebadeter Journalist. Vanessa presst ihre Lippen zusammen und schaut ins Leere. "Wieso müssen die Menschen immer was Schlechtes an dem sehen, was andere tun?" beklagt sie sich. "Klar haben wir momentan viele Vorgaben, aber in unserem zweiten Album wollen wir die Texte selbst schreiben und bei der Regie der Videoclips mitwirken. Wir möchten eigene Ideen einbringen und Ende des Jahres mit einer Liveband touren", vertröstet sie die Runde, in entschlossenem Ton und geht so der eigentlichen Frage geschickt aus dem Weg. Lucy unterstützt ihre Vany durch den bedeutungsvollen Satz: "Wir können singen." Dass die "No Angels" bis ins letzte Detail super durchgestylt sind, ist unübersehbar. Und nichts haftet ihnen an von jener romantischen Idee einer Band, die nach Mitternacht ihre eigenen Songs in der Garage probt. Trotzdem ist es merkwürdig, dass die Presse ewig auf der "Künstlichkeit" dieser fünf Mädels rumharft. Sie machen ihre Arbeit und die machen sie gut und konsequent. Ganz augenscheinlich stehen die Fünf gerne im Rampenlicht und verkaufen sich wirklich überzeugend als sexy Produkte.

Und doch beäugt so ziemlich jeder die neue deutsche Girlgroup kritisch und schiebt sie in eine Schublade, irgendwo in die in die Abteilung "Big Brother und Co". Denn schließlich geht es in der RTL2 Sendung "Popstars", aus der die fünf Teufelinnen (keine Engel) hervorgegangen sind, ähnlich zu wie im Bruder-Container. Trotz dieses Beigeschmacks allerdings, hat man das Gefühl vor zwei völlig normalen, etwas überdrehten, jungen Mädchen zu sitzen. Vanessa kratzt sich an der Nase und Lucy spielt auf ihrem Handy "Snake". Die mobilen Telefone sind für Lucy und Vany unentbehrlich. "Meines wurde erst kürzlich gesperrt", grinst Vanessa, "die hatten wohl Angst, ich könne die hohe Rechnung nicht mehr bezahlen."

Pläne für die Zukunft? "Ich kann mich nicht in der Zukunft sehen, sondern konzentriere mich auf das Jetzt und versuche jeden Tag so bewusst wie möglich zu leben", meint Vanessa andächtig und beendet damit das Round-Table Pressegespräch fast philosophisch. War das nun Teil der "No Angels" Produktplanung, die ihr eingetrichtert wurde, oder waren das die Worte eines überlegenen, nachdenklichen Teenagers?

Ressort: Zisch

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mo, 14. Mai 2001: PDF-Version herunterladen

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