Kleine Käfer, große Elfen
Kita-Kinder und Jugendliche der Schule Günterstal zeigen, was sie an einem Wiesentag erleben
Kita-Kinder und Jugendliche von der Schule Günterstal zeigen, was sie an einem Wiesentag erleben.
VAUBAN/GÜNTERSTAL. Vor dem Feuer rennen sie davon. Wenn der Sturm kommt, werfen sie sich schnell auf den Boden. Und als Marienkäfer liegen sie auf dem Rücken und strampeln mit den Beinen. Zwölf Kinder mit und ohne Handicap von den Kitas Wiesengrün und Immergrün und fünf Jugendliche der Schule Günterstal für Schüler mit geistiger Behinderung spielen "Einen Tag auf einer Wiese für alle". Die inklusive Theater-AG wird zu zwei Dritteln von der "Aktion Mensch" gefördert, den Rest übernimmt das Diakonische Werk, das Träger der zwei Kitas ist.
Die Geschichte vom Hasen und der Schnecke, die sich auf der Wiese treffen, steht symbolisch für alles, was in diesem Theaterstück für Größere und Kleinere mit und ohne Handicap geschieht. Irgendwann steht der Hase erstaunt vor der Schnecke und sagt zu ihr: "Du bist aber langsam!" Die Schnecke lässt sich kein bisschen aus der Ruhe bringen und stellt klar: "Ich bin ja auch eine Schnecke!" Und das ist völlig in Ordnung.
Die freiberuflichen Theaterpädagoginnen Lisa Thoms, Annabelle Becker und Lara Moseler, die das Wiesen-Theater zusammen mit den Kita-Kindern und jugendlichen Schülern erarbeiten, lassen allen genug Raum, das zu spielen, was für sie passt – je nach Alter und Persönlichkeit: "Eine 15-Jährige will kein Marienkäfer mehr sein", sagt Annabelle Becker. Darum können die Älteren sich stattdessen schminken oder in Elfen verwandeln. Alle machen so mit, wie sie wollen und können: Rasmus ist eines der Kinder mit Down-Syndrom und schaut seiner Tanzpartnerin Sarah Koch erst lange zu, bevor er selbst vorsichtig anfängt, auf einer gefalteten Zeitung, auf der sie zu zweit stehen, eigene Tanzschritte zu machen.
Joschi (4) dagegen ist kaum zu bremsen. Das erlebt sein Tanzpartner Julian (15) eindrücklich mit, dem wegen Joschis enormem Bewegungsdrang kaum Raum auf dem Stück Zeitung bleibt. Als Joschi runterfällt, greift Julian sofort ein und hebt den Kleinen zurück auf die Zeitung: "Joschi, du musst da drauf bleiben!"
Dass Kinder mit und ohne Behinderungen zusammen sind, ist in den Kitas Wiesengrün und Immergrün Alltag: In der Kita Wiesengrün gibt’s vier Handicap-Kinder, in der Kita Immergrün bis zu sieben, sagt Kerstin Kohler-Gern von der Bereichsleitung Kitas und Familienzentrum des Diakonischen Werks. Die meisten mit Down-Syndrom, manche mit Entwicklungsverzögerungen oder besonderem Bedarf an Aufmerksamkeit.
Weil das Diakonische Werk Freiburg für drei Jahre vom Diakonischen Werk Baden zum "Inklusionsstandort" ernannt wurde, kam’s zu dem Theaterprojekt. Durch die Altersmischung wird das Spektrum noch breiter. "Für die Kita-Kinder ist es toll, dass die Jugendlichen dabei sind", sagt Annabelle Becker: "Die Schüler sind eine Brücke zwischen den Kindern und den Erwachsenen. Und sie sind Helden für die Kleinen, mit Vorbildfunktion." Das zeigt sich, wenn die Jugendlichen die Kinder ermahnen und so in für sie neue Rollen schlüpfen. Oft haben sie auch einfach nur Spaß zusammen: zum Beispiel, als der kleine Joschi sich ans Bein des großen Julian klammert, bis der ins Schlingern kommt und vergnügt lachend gemeinsam mit Joschi umfällt.
Auf der Wiese ist immer was los: Nach einem Tritt in einen Kaugummi kleben alle an der Wand. Bei der Flucht vor Feuer helfen sie sich über eine Brücke. Und manchmal gibt’s Ruhepausen, dann wird es Nacht und alle schlafen. Zum Schuljahresende läuft die inklusive Theater-AG aus. Wenn sich eine Finanzierung findet, soll es mit ähnlichen Projekten weitergehen, sagt Kerstin Kohler-Gern.
"Ein Tag auf der Wiese": Aufführung zum zehnjährigen Bestehen des Familienzentrums Kita Wiesengrün, Wiesentalstraße 20, am Freitag, 19. Juni, 16.30 Uhr. Eintritt frei.
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