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Kommunikation ist (fast) alles

KOMMUNIKATION IST (FAST) ALLES: "Du, ich hab da noch was für dich . . ."

  • Do, 13. Juni 2002
    Zisch

     

Haben die niemanden zum Reden? Sind sie alleine? Oder haben sie einfach nur zu viel Zeit? Nahezu geräuschlos nähern sie sich, schleichen sich an dich heran, ohne auch nur ein bisschen Staub aufzuwirbeln. Gerne lauern sie neben Kaffeeautomaten oder verstecken sich in den unbeleuchteten Nischen von Treppenhäusern. Ein beiläufig hingeworfenes "Hallo, wie geht's?" dient dieser Spezies von modernem Kommunikationsmenschen nur als Auftakt zu seinem breiten, mehrminütigen Solo zu Themen wie "War am Wochenende weg" oder "Du, ich hab da noch was für dich".

Der langatmige Redesüchtige folgt einem nun mit vollem Kaffeebecher über enge Flure, die eigentlich kaum noch Platz für Schatten lassen. Die einzige Möglichkeit ihn loszuwerden wäre, ihm eine Tür vor der Nase zuzuknallen. Doch er schafft es immer, sich gekonnt in den Raum zu mogeln. Du vergräbst dich also hinter der nächstgelegenen Zeitung. Starrst gebannt auf die Bilder. Versuchst deine Ohren zu schließen und dich auf einen Artikel zu konzentrieren. Doch da guckt er dir schon über die Schulter, grinst: "Die ist doch von vorgestern!"

Spannend wird's, wenn er sich verabschiedet. Eingeleitet mit den Worten: "Also, ich muss dann mal los", sind die vier Schritte bis zur Tür unterlegt mit einer Meditation über "den Film kann ich dir gern mal ausleihen". Kurz bevor dann der erlösende Griff nach der Klinke erfolgt, wirbelt er noch einmal herum: "Ist doch Wahnsinn, was die in Berlin da wieder machen." Das kann mehrmals so gehen. Beim letzten Mal ist die Tür schon geöffnet und es wird nur noch halb ins Zimmer gesprochen. Mit unauffälligem Seitenblick wird da bereits ein neues Opfer fixiert.

Du bist alleine. Räumst erst mal den Schreibtisch ein bisschen auf. Dein sorgsam gestapelter Papierhaufen wird in wichtig, weniger wichtig und sinnlos aufgeteilt. Das Unangenehme ja nicht vor sich herschieben! Leider ist der Stapel für "wichtig" extrem gewachsen in letzter Zeit. Dafür musst du wach sein, dafür brauchst du einen Kaffee. Auf dem Rückweg vom Automaten braust ein langer Bekannter mit kurzem Kopfnicken an dir vorbei. Wolltet ihr euch nicht demnächst mal treffen? Deine Arbeit kann warten. Du wirbelst herum: "Hast du mal kurz Zeit?"

Madeleine Arens

Ressort: Zisch

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 13. Juni 2002: PDF-Version herunterladen

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