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Omega-III-Fettsäuren

Überfischung: Technik von DSM und Evonik, die Fische rettet

Michael Baas

Von

Di, 21. März 2017 um 00:00 Uhr

Wirtschaft

Die Nachfrage nach Fisch als Nahrungsmittel steigt – unter anderem wegen der Omega-III-Fettsäuren. Überfischung ist die Folge. Ein neues Verfahren könnte diese gefährliche Kette sprengen.

Junglachs im Glaskasten  | Foto: dpa
Junglachs im Glaskasten Foto: dpa
Kaltwasserfische wie Lachs gehören auf alle Speisezettel. Das ist in jedem Ernährungsratgeber zu lesen. Der Grund dafür sind ungesättigte Fettsäuren. Hier setzt ein gemeinsames Projekt von DSM und Evonik an, das 2015 ins Leben gerufen wurde. DSM und Evonik sind Chemiekonzerne. Die in den Niederlanden beheimatete DSM ist am Hochrhein mit mehreren Werken vertreten, Evonik hat einen großen Standort in Rheinfelden. Bei dem Projekt geht es um die Herstellung von Omega-III-Fettsäuren in einem biotechnologischen Verfahren. Nun wollen die Konzerne damit in die Massenproduktion einsteigen.

Lachs ist der beliebteste Speisefisch in Deutschland. Gut ein Fünftel der hierzulande verzehrten Fischmenge entfällt auf das fettreiche Tier. Angesichts einer Gesamtmenge von 421 000 Tonnen (2015) zwischen Flensburg und Weil am Rhein verkauftem Fisch entspricht das mehr als 85 000 Tonnen. Solche Massen lassen sich mit dem Fang wilder Lachse aber nicht mehr bereitstellen. Das Gros des rosafarbenen Edelfisches stammt aus Fischfarmen in Norwegen, Chile, Schottland oder Kanada.

Diese industrielle Zucht sichert Verbrauchern hierzulande zwar fast uneingeschränkten Zugang zu dem Lebensmittel und günstige Preise. Sie hat aber auch Schattenseiten wie zum Beispiel den hohen Verbrauch von kleinen Fischen wie Sardellen, Sprotten oder Heringen zur Futterherstellung. Inzwischen werden 17 Prozent der weltweit gefangenen Fischmenge zur Produktion von Fischmehl und -öl gebraucht, in denen die Omega-III-Fettsäuren stecken. Fische fressen Plankton, wandeln es in Fischöl (Omega-III-Fettsäuren) um, das dann industriell gewonnen wird. Der drohende Zusammenbruch der Sardellenbestände vor Peru oder Madagaskar geht auf diesen Bedarf der industriellen Fischzucht zurück.

Diese Entwicklung ist einer der Treiber des Vorhabens von DSM und Evonik. "Die Welt braucht mehr Omega-III-Fettsäuren", sagt DSM-Nutrition-Chef Chris Goppelsroeder. Dieses Bedürfnis wollen der holländische und der deutsche Konzern in dem Gemeinschaftsunternehmen bedienen – und zwar, ohne die natürlichen Ressourcen weiter zu belasten. Im Gegenteil: Es geht darum, mittels Biotechnologie und in Fermentationsprozessen mit Hilfe von Meeresalgen Omega-III-Fettsäuren zu synthetisieren, ohne den Umweg über die Nahrungskette zu nehmen. An dessen Stelle tritt eine Reaktion im Bioreaktor – die wirtschaftliche Vorteile bietet, aber auch die Natur entlastet.

In der Technologie steckt langjährige Forschungs- und Entwicklungsarbeit. Seit einem Jahrzehnt arbeiten DSM und die 2011 übernommene amerikanische Firma Martek nach Angaben Goppelsroeders an dem Verfahren. Inzwischen ist es reif für die Massenproduktion. Dafür investieren Evonik und DSM in den nächsten zwei bis drei Jahren jeweils 100 Millionen Dollar (95 Millionen Euro) in eine Anlage in einem US-Standort von Evonik. Von 2019 an soll diese jährlich rund 15 Prozent des Omega-III-Bedarfs der Lachsindustrie erzeugen. Nach Angaben von DSM-Sprecher Herman Betten lassen sich mit einem Kilogramm dieser biotechnologisch hergestellten Omega-III-Fettsäuren in der Branche 60 Kilogramm Fangfisch ersetzen. Heute werden etwa 2,5 Kilogramm frei lebenden Fisch benötigt, um ein Kilo Lachs zu züchten.

Für den Schweizer DSM-Manager Goppelsroeder sind die biotechnologisch hergestellten Omega-III-Fettsäuren eine Investition in die Zukunft. Zumal die Lachszucht nicht der einzige Absatzmarkt ist; vielmehr sind Omega-III-Fettsäuren auch in der Garnelenzucht und im Futter für Haustiere als Zusätze gefragt. Bis zu 20 Prozent der in den USA produzierten Menge sollen zudem als Zusatz für Nahrungsergänzungsmittel an die Lebensmittelindustrie geliefert werden. Der Bedarf an ungesättigten Fettsäuren jedenfalls werde weiter steigen. Da sind sich Goppelsroeder und Betten sicher.

Das ist keine gewagte These. Dafür sprechen schon das weltweite Bevölkerungswachstum und der steigende Wohlstand. Beide Prozesse steigern die Nachfrage nach Lebensmitteln – zumal nach hochwertigen. "Die Menschen wollen Gesundheit essen", sagt Goppelsroeder – zumal in den reichen Industriegesellschaften. Dazu aber gehört nicht zuletzt frischer Fisch.

Die weltweite Nachfrage nach dem Lebensmittel Fisch ist zwischen 1992 und 2012 stärker gestiegen als die nach Fleisch, Geflügel und anderen Formen tierischen Eiweißes. In Deutschland liegt der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch von Fisch inzwischen bei einem Fanggewicht von rund 14,5 Kilogramm. Weltweit werden mittlerweile mehr als 100 Millionen Tonnen Fisch pro Jahr verarbeitet. Ein wachsender Teil davon wird aber mittels Aquakulturen in Fischfarmen hergestellt. Nach Angaben der FAO, der Welternährungsorganisation der UN, stammten bereits 2015 rund die Hälfte der weltweit gefangenen Fischmengen aus Aquakulturen. Bis 2030 sollen es nach den Prognosen 75 Prozent sein.

Die in den vergangenen zwei Jahrzehnten in den Fjord-Landschaften am Nordatlantik und den Buchten Patagoniens am Pazifik entstandenen Lachsfarmen erleben denn auch einen Boom. Die Branche verzeichnet Wachstumsraten zwischen fünf und sechs Prozent pro Jahr.

Für Goppelsroeder und Betten ist das Gemeinschaftsprojekt mit Evonik nicht nur ein von wirtschaftlichen Interessen getriebenes Unterfangen, sondern auch ein Beitrag, Ökonomie und Ökologie wieder in eine bessere Balance zu bringen. Für die aus dem früheren Vitamingeschäft von Roche geformte Nutritionsparte von DSM ist es die erste große Innovation in eigener Regie. Sie soll nicht die Einzige bleiben. Das hat der Basler Chris Goppelsroeder, Chef des mehr als fünf Milliarden Euro umsetzenden Geschäftsbereichs, gegenüber der Badischen Zeitung angekündigt. Dabei hat der Manager auch die Standorte in der Region Basel im Blick. Da könne sich in nächster Zeit etwas tun, sagt er.
Hintergrund

Omega-III-Fettsäuren sind Substanzen mit einem besonders hohen Nährwert. Sie gehören zu den wichtigen Stoffen für die (menschliche) Ernährung und werden für zahlreiche Prozesse im Körper gebraucht – zum Beispiel für die Produktion von Hormonen, die Eiweißsynthese und den Zellstoffwechsel. Auch beim Schutz vor Entzündungen, bei der Stärkung der körpereigenen Abwehr und bei der Vorbeugung vor Thrombosen helfen sie. Unstrittig ist inzwischen, dass sie positiv auf das Herz-Kreislauf-System wirken und das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen verringern können. Neuerdings werden sie auch bei Augenerkrankungen oder Schlafstörungen eingesetzt.

Das Problem ist, dass der menschliche Körper diese Fettsäuren grundsätzlich nicht selber herstellt, sondern dass sie von außen zugeführt werden müssen – im Idealfall mit der Nahrung. Dabei wird unterschieden zwischen pflanzlichen Omega-III-Fettsäuren, wie sie zum Beispiel in Walnussöl enthalten sind. Die tierischen Fettsäuren sind in fetten Kaltwasserfischen wie Lachs, Aal oder Karpfen anzutreffen. Während die pflanzlichen Fettsäuren chemisch kurzkettig sind und im Körper umgewandelt werden müssen, sind Omega-III-Säuren der Fische von vorneherein langkettig und hochwertiger. Fische wiederum können diese aus verzehrten Algen selbst aufbauen.

Ressort: Wirtschaft

  • Zum Artikel aus der gedruckten BZ vom Di, 21. März 2017:
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