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Alles so schön grell hier

Marius Notter
  • Do, 17. April 2014
    fudder

Junge Menschen, die sich mit Farbe in knalligen Tönen bespritzen: Neonsplash heißt der neue Party-Trend.

Neonsplash Mannheim Party fudder  | Foto: Felix Hild
Neonsplash Mannheim Party fudder Foto: Felix Hild

Bei den letzten Zahlen, die an der Bühnenwand aufleuchten, stimmen die 2000 Partygänger lautstark ein. "Drei! Zwei! Eins", brüllen sie im Chor – dann gibt es kein Halten mehr. Ein neonorangefarbener Regen strömt von der Bühne auf sie herab und trifft ihre weißen T-Shirts und Tank-Tops und ihre lachenden Gesichter. Was vorher weiß war, ist jetzt schreiend bunt: Grün, Pink, Gelb, Orange. Der Ort dieses Farbrauschs: die Neonsplash-Party in Mannheim.

Matthew Mockridge hat das Partykonzept vor drei Jahren mit zwei Kommilitonen aus den USA nach Europa gebracht. Er hatte es dort bei der Party einer Studentenverbindung gesehen und war sofort begeistert: "Ich dachte mir: So was brauchen wir in Deutschland auch!"

Partys wie die Neonsplash am Freitag in Mannheim finden in Europa seit 2011 statt. Anfangs feierten noch 200 Leute in Hinterhofclubs, und Mockridge und seine Freunde mussten die Farbsauerei am Ende immer noch selbst wegputzen. Heute finden die Partys in mehr als 60 Städten statt, in Ländern wie Spanien, Holland, Deutschland, Bulgarien, Belgien und der Schweiz.

In die Maimarkthalle in Mannheim sind an diesem Abend 2000 Menschen gekommen – dabei handelt es sich nur um eine Probeveranstaltung für den süddeutschen Raum; Matthew Mockridge will erst einmal schauen, wie die Farborgie hierzulande ankommt.

Die Maimarkthalle ist dabei die typische Location für eine Neonsplash-Party: 1200 Quadratmeter groß, gefüllt mit jungen, komplett in weiß gekleideten Menschen, beschallt mit elektronische Tanzmusik. An den Wände bunte Visuals, auf der Bühne Animateure – und natürlich, ab 2 Uhr morgens, Neonfarbe im Überdruss. Neonsplash-Partys erinnern damit an die Holi-Color-Festivals des vergangenen Sommers – Open-Air-Partys, die einem indischen Frühlingsfest nachempfunden sind, und bei denen man sich mit buntem Farbpulver bewirft. Statt Pulvertüten kaufen die Besucher an einem Stand 500-Milliliter-Plastikflaschen mit flüssiger Neonfarbe. Die gibt es für fünf Euro das Stück in Blau, Grün, Pink, Gelb und Orange. Wenn man die Flaschen zusammendrückt, spritzt die Farbe durch ihre stecknadelkopfgroße Öffnung heraus. Das macht man nach dem ersten Countdown – "Paint-Drop" genannt –, der ab 2 Uhr zu jeder vollen Stunde stattfindet. Der Paint-Drop ist der Mittelpunkt der Veranstaltung. Das weiß gekleidete Publikum wartet tanzend auf ihn, die Farbflaschen in der Hand, den Blick starr nach vorne auf die Bühnenwand gerichtet, an die der Countdown projiziert wird.

Gerade wurde noch getanzt, geflirtet und Fotos gemacht – innerhalb von Sekunden verwandelt sich die Menge jetzt in eine Horde von Kindergartenkinder, die sich mit neonfarbenem Schlamm bespritzen. Sie klatschen sich die Farbe in die Haare, verreiben sie sich gegenseitig auf dem T-Shirt oder Tank-Top und schmieren sich bunte Muster ins Gesicht.

Damit die Maimarkthalle nachher nicht aussieht, als sei ein Regenbogen in ihr explodiert, ist sie von innen komplett verkleidet. Der Boden ist mit dicken, quadratischen Teppichkacheln ausgelegt, die Wände sind bis knapp unter die Decke mit weißer Baustellenplane abgeklebt. Nach dem ersten Paint-Drop ist alles bunt – sogar das Thekenpersonal.

Es wird weitergefeiert. Auf der Leinwand erscheint der nächste Countdown: 60:00, 59:59, 59:58, 59:57. Auf der Bühne stehen zwei Frauen in weißen Bikinis, die sowohl das Publikum als auch sich selbst mit Neonfarbe aus überdimensionalen Spritzen beglücken und sich lasziv zum stampfenden Beat räkeln.

Zwischen ihnen läuft ein Animateur hin und her, der die Menge mithilfe eines Mikrofons aufheizt: "Habt ihr Bock auf mehr? Wollt ihr noch mehr Farbe haben? Hoch mit den Händen!" An die Leinwand werden 3-D-Visuals geworfen, die mit der analogen Lichtshow in ein gut getimetes Wechselspiel treten. Wenn man die 3-D-Brille aufsetzt, die man am Eingang bekommen hat, entsteht das Gefühl, inmitten einer kunterbunten Wunderwelt zu stehen.

Zwischen Tänzerinnen und 3-D-Visuals erhebt sich die DJ-Kanzel. Von dort aus spielen Jewelz & Scott Sparks und Tommy Belgrano Electro-House und Chart-Musik – darunter auch "I Love It" von Icona Pop. "I don’t care, I love it", singt das schwedische Elektropop-Duo im Refrain – ein Satz, der als Untertitel der Party herhalten könnte. Der Verstand wird einfach ausgeschaltet, die Neonfarbe klebt an jedem und allem.

Vor der Bühne ist es eng, jeder will eine Ladung Farbregen aus den Pressluftkanonen abbekommen. Die Menge will mehr Farbe, will noch bunter sein. "Du jagst jemandem ’nen Liter von dem Zeug über den Kopf, und schon seid ihr beste Freunde", sagt ein Partygast. Er trägt ein weißes Unterhemd, eine helle Jeans und ist von oben bis unten voll mit bunten Spritzern. Und genau darum geht’s beim Neonsplash: Die Musik rückt in den Hintergrund, die Lichtshow eigentlich auch. Es ist die volle Ladung greller Farbe, die einen erwischt und in die man gleichsam eintaucht. Sie verbindet die Partygäste – sie ist der Star der Nacht.

Mehr Infos zu Neonsplash-Partys im Internet unter neonsplash.com

Neonsplash

Hauptveranstalter der Neonsplash-Partys in Deutschland ist die Keen Holding GmbH aus Köln. Inhaber sind die drei Gründer Florian Eckelmann, Siamak Ghofrani und Matthew Mockridge.

Die Neonfarben wurden von den Veranstaltern entwickelt und vom Gesundheitsamt abgesegnet. Sie basieren auf einer Mischung aus Kindermalfarbe und Wasser und sind wasserlöslich. Die Veranstalter spritzen pro Event 1000 Liter Neonfarbe in die Menge, hinzu kommt die Farbe, die die Besucher verbrauchen.

Bei großen Shows sind bis zu 15 Leute für die verschiedenen Bühnenelemente zuständig. Darunter Akrobaten, Tänzerinnen, DJs und Laser-Roboter. Auf der bisher größten Neonsplash-Party waren 8000 Gäste.

Ressort: fudder

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 17. April 2014: PDF-Version herunterladen

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