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Ein Japaner packt in Neapel an

Julius Müller-Meiningen
  • Sa, 02. Februar 2019
    Panorama

Der Student Take Nagao säubert in der italienischen Stadt ehrenamtlich die Straßen – und ist heute eine kleine Berühmtheit.

Take Nagao im Einsatz   | Foto: Julius Müller-Meiningen
Take Nagao im Einsatz Foto: Julius Müller-Meiningen

ROM. Ein japanischer Student ist derzeit in Neapel zu lokaler Prominenz gelangt. Nicht durch ein besonderes Talent oder durch Social-Media-Kanäle, sondern durch seinen Einsatz zur Rettung der Schönheit der Stadt. Denn Take Nagao sammelt in der Stadt den Müll auf der Straße auf. Kostenlos.

Am Anfang stand der Traum eines Jungen aus Japan. Take Nagao war nach Mailand gekommen, um sein Idol Yuto Nagatomo, den damaligen Fußballspieler von Inter Mailand zu treffen. Take war in Mailand, das Treffen kam aber nicht zu Stande. Anstatt sich zu grämen, lernte der Junge Italienisch und fasste einen Entschluss. Italiens wundervolle Städte verdienen den Müll nicht, in dem sie untergehen. Jemand musste ihre Schönheit retten und die tausendfach am Boden liegenden Zigarettenkippen, Papiere und Müllreste aufzuheben.

In Mailand, bei seinem ersten Italienaufenthalt vor fünf Jahren, klappte es noch nicht. Seit September macht Take Nagao ein Austauschsemester an der Universität Neapel – und putzt in Eigenregie die Stadt. Bewaffnet mit Tüte und einer Zange zieht er durch die Straßen Neapels und räumt auf. Ohne Bezahlung, ohne Hintergedanken. Alles, was er will, ist Sauberkeit.

Wie kommt ein 20 Jahre alter Japaner aus der alten Kaiserstadt Kyoto darauf, eine für ihre Lebendigkeit, aber auch für ihren Schmutz berühmte italienische Stadt in Eigenregie zu reinigen? "Die italienischen Städte sind so unglaublich schön. Aber gleichzeitig wirken sie so dreckig. Ich will Neapel schöner machen", beschreibt Take Nagao seine Mission, die in Italien mittlerweile über die Stadtgrenzen hinaus Wellen geschlagen und offenbar einen Nerv getroffen hat. Als er vor kurzem ein paar Tage in Apulien unterwegs war, erkannte ihn sogar dort ein Passant.

In Neapel gehört Take inzwischen fast schon zum Stadtbild. Das Informationsportal Fanpage.it machte einen Kurzfilm über Take, seither ist er zu einer Berühmtheit geworden. Dreimal die Woche ist der Italienisch-Student unterwegs, meist auf der Piazza San Domenico und der Piazza del Gesù und liest Zigarettenkippen auf.

Die Idee, nicht auf die Straßenreinigung zu warten, sondern selbst tätig zu werden, hat schon einige Kommilitonen mitgerissen. "Wir sind schon 33 Leute, die saubermachen"", erzählt Take. "Pescatori di sogni", haben sie ihre Gruppe genannt, das bedeutet so viel wie "Traumangler".

Die Stadtbewohner reagieren verwundert und dankbar. Corrado Mezzina, einer der Mitstreiter der ersten Stunde, sagt: "Es ist schon unglaublich, dass ein Junge vom anderen Ende der Welt kommen musste, um uns zu zeigen, wie man eine Stadt sauber hält." Nicht auszudenken, wie die Stadt aussähe, wenn die Neapolitaner beim Straßenreinigen selbst Hand anlegen oder keine Zigarettenreste mehr auf den Boden werfen würden. "Ein japanischer Junge hat seine Kultur nach Italien gebracht", sagt Mezzina. Take erzählt, dass die Kinder in Japan nach dem Unterricht selbst ihre Klassenzimmer putzen. "Uns ist klar: Wenn man nicht putzt, bleibt es schmutzig."

Öffentliche Straßen, Plätze oder Restaurants in Japan seien meist sauber, weil diese Orte als Orte der Gemeinschaft angesehen würden. "Aber ich will keinesfalls behaupten, Japaner seien irgendwie besser als Italiener. Wir Japaner sind so schüchtern und könnten zum Beispiel gut eine Portion der neapolitanischen Offenheit und Lebensfreude vertragen", sagt der 20-Jährige. Sein Zimmer sei übrigens meist sehr unaufgeräumt.

Im Juli wird Take zurückkehren nach Kyoto. Was wird aus den "Traumanglern" werden? "Ich denke auch darüber nach, ich habe keine Ahnung", sagt Take. Einige der Mitstreiter forderten ihn auf, in Neapel zu bleiben. Dabei liegt in seiner Rückkehr nach Japan auch ein Reiz und die Herausforderung, ob die Neapolitaner das Erbe des Japaners antreten und ihre Stadt ein wenig sauberer halten wollen. Corrado Mezzina sieht die Sache pragmatisch. "Wir wollen, dass es auch ohne Take weitergeht. Wir haben es selbst in der Hand!"

Eine Video über Nagao unter http://mehr.bz/traumangler

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Sa, 02. Februar 2019: PDF-Version herunterladen

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