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"Schon ihre Größe ist faszinierend"

  • Fr, 27. November 2020
    Zisch-Texte

     

ZISCH-INTERVIEW mit dem Astrophysiker Markus Roth über dessen Spezialgebiet, die Erforschung der Sonne.

Diese Aufnahme der Sonne wurde vom Solar Orbiter der europäischen Raumfahrtagentur ESA gemacht. Foto: ESA
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Zisch-Reporter Constantin Pleuler aus der Klasse 4a der Schneeburgschule in Freiburg hat online ein Interview mit Professor Markus Roth vom Leibniz-Institut für Sonnenphysik (KIS) in Freiburg geführt.

Zisch: Herr Professor Roth, seit wann und warum sind Sie Sonnenforscher?
Roth: Die Astrophysik hat mich schon immer sehr interessiert und deshalb wuchs in mir früh der Wunsch, in diesem Bereich tätig zu sein. Um dieses Ziel zu erreichen, habe ich zunächst Physik in Freiburg studiert. Während des Studiums habe ich beim damaligen Kiepenheuer-Institut für Sonnenphysik angefragt, ob ich dort im Rahmen eines Forschungsprojekts meine Diplomarbeit schreiben könnte. So hat es sich ergeben, dass ich seit 1997 Sonnenforscher bin und mich mit der Physik von Sternen und insbesondere mit unserem Stern, der Sonne, beschäftige. Die Sonne gehört deshalb zu meinem Spezialgebiet.

Zisch: Welche Hilfsmittel verwenden Sie für die Beobachtung und Erforschung unserer Sonne?
Roth: Wir verwenden vor allem sehr große Teleskope, um die Sonne zu beobachten. Zwei sehr gute Teleskope, mit denen ich sehr oft arbeite, stehen auf Teneriffa. Eines von diesen, das GREGOR-Teleskop, ist das größte Sonnenteleskop in Europa. Außerdem verwenden wir ein weltweites Netzwerk von kleineren Teleskopen, die in sechs Stationen rund um den Globus verteilt sind. Dieses Netzwerk heißt abgekürzt GONG (Global Oscillation Network Group) und liefert uns rund um die Uhr Daten von der Sonne. Außerdem nutzen wir die Beobachtungen von Teleskopen, die sich in Satelliten im Weltall befinden, wie einen Satelliten der NASA und hoffentlich sehr bald den Solar Orbiter der ESA. Diese Mission startet voraussichtlich im Februar 2021 und hat die Besonderheit, dass der Satellit rund um die Sonne kreisen wird und uns Daten von allen Seiten der Sonne liefern kann, also auch von der Rückseite der Sonne und von ihren Polen. Die Auswertung der Beobachtungsdaten und die Modellierung der Sonne geschehen mit sehr leistungsfähigen Computern, die uns in unserem Forschungsinstitut zur Verfügung stehen.

Zisch: Mit welcher Frage beschäftigten Sie sich aktuell?
Roth: Aktuell beschäftige ich mich mit der Frage, wie die Sonnenaktivität entsteht und ob man die Sonnenaktivität vorhersagen kann. Unter Sonnenaktivität versteht man, dass Materie von der Sonne ins Weltall geschleudert wird. Wir wollen wissen, was im Sonneninneren und auf der Sonnenoberfläche passiert, bevor es zu einem solchen Ausbruch kommt.

Zisch: Was sind Sonnenflecken?
Roth: Sonnenflecken hängen mit der Sonnenaktivität zusammen. Sonnenflecken sind Orte auf der Oberfläche der Sonne, wo die Magnetfelder außergewöhnlich stark sind. Im Gegensatz zur Erde, wo die magnetischen Pole über relativ lange Zeiten – also viele tausend Jahre – sehr stabil am Nord- und Südpol sind, sind die Magnetfelder auf der Sonne instabil und dynamisch. Wir wissen heute, dass sich das Magnetfeld der Sonne etwa alle elf Jahre komplett umpolt, also dass die Pole ihre Plätze tauschen. Dazwischen finden wir sehr viele starke Magnetfelder, die auf der ganzen Sonne verteilt sind und sich rasch verändern können. An Orten, wo das Magnetfeld sehr stark ist, wird viel Plasma, also Materie, aus der Sonne geschleudert, was dafür sorgt, dass diese Stelle stark abkühlt. Das führt dazu, dass diese Stellen dunkler aussehen als der Rest der Sonne. Für einen Beobachter sieht das wie dunkle Flecken auf der Sonnenoberfläche aus. Diese Flecken bleiben nur wenige Tage bis Wochen sichtbar und verschwinden sogar komplett, wenn die Umpolung der Sonne abgeschlossen ist.

Zisch: Was ist für Sie an der Sonne am interessantesten?
Roth: Alleine schon die Größe der Sonne ist für mich sehr faszinierend. Wollte man den Durchmesser der Sonne nachbauen, müsste man die Erde 110 Mal aneinanderreihen. Auch die Masse der Sonne ist enorm. In Kilogramm angegeben ist das eine Zwei, gefolgt von 30 Nullen. Außerdem ist die Menge der Wärmeenergie, die die Sonne abstrahlt, ganz gewaltig, und es ist für mich sehr faszinierend, dass diese für relativ angenehme, also lebensfreundliche Temperaturen auf der Erde ausreicht. Interessant ist für mich auch die Frage, ob es noch vergleichbare Sterne in unserem Universum gibt, wo sich ja viele Milliarden von Sternen befinden.

Zisch: Was würden Sie noch gerne über die Sonne herausfinden?
Roth: Was mich auch sehr interessiert, sind die großskaligen Bewegungen im Inneren der Sonne. Wie verlaufen die Materieströme und welche Auswirkungen haben diese auf die Aktivitäten an der Sonnenoberfläche? Um dies verstehen zu können, entwickeln und bauen wir neue Verfahren und Instrumente, die uns eine noch genauere Beobachtung der Sonnenoberfläche erlauben, so dass wir Rückschlüsse auf die Prozesse in der Sonnenatmosphäre und die Vorgänge im Inneren der Sonne ziehen können.

Zisch: Hat die Abwahl von US-Präsident Donald Trump Auswirkungen auf die Zusammenarbeit mit Ihren US-Kollegen?
Roth: Ich glaube nicht! Meine amerikanischen Forscherkollegen kenne ich schon seit 1999, und seitdem haben wir sehr kollegial, freundschaftlich und intensiv zusammengearbeitet, unabhängig von den politischen Verhältnissen. Die Politik hat unsere gemeinsame wissenschaftliche Zusammenarbeit in den letzten Jahren kaum beeinflusst. Und ich denke, dass dies auch in Zukunft so bleiben wird.

Ressort: Zisch-Texte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 27. November 2020: PDF-Version herunterladen

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