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Verzicht für ein Gefühl von Freiheit

  • JuZ-Mitarbeiterin Eva Maria Müller

  • Do, 12. August 2004
    Zisch

     

Ein Blick hinter die Kulissen des Leistungssports: Was treibt junge Athleten aus der Region an? Ist es der Traum von Olympia?.

Höher, schneller, weiter - oder Dabei sein ist alles? In Athen treten Sportler aus der ganzen Welt gegeneinander an, um sich in Schnelligkeit, Kraft und Ausdauer zu messen. Was wir vor dem TV genießen, ist ein (Lebens-)Traum vieler Nachwuchsathleten, die tagein, tagaus für ihre Disziplin schwitzen. Doch was treibt diese jungen Leute an, sich immer wieder aufs Neue aufzuraffen und zu quälen? Trainiert die Jugend wirklich für Olympia? Für die JuZ haben wir einige der besten Mittel-und Langstreckenläufer der Region getroffen und bei ihnen nachgefragt.

Der schmale Fuß setzt mit dem Fersenaußenrand auf, das Fußgewölbe dämpft den massiven Aufprall ab, Zehenspitzen krallen sich in den Boden, der Fuß rollt nach vorne ab, kraftvoll richtet sich der Körper auf, die Muskeln ziehen sich zusammen, blitzschnell wird das Knie nach oben gezogen: ein neuer Schritt. Eine Stunde, vielleicht auch zwei - immer die gleiche Bewegung. Runde um Runde. Kilometer um Kilometer. Mal schneller, mal langsamer. Tagein, tagaus trainieren circa 20 Jugendliche und junge Erwachsene, meist auf der Tartanbahn im Uni-Stadion Freiburg. Sie sind zwischen 14 und 30 Jahre alt und fast alle brauchen für die zwei Runden im Stadion weniger als zwei Minuten.

"Von nichts kommt nichts", und "nur die Harten kommen in den Garten". Das sind nur zwei der zahlreichen Weisheiten des Landestrainers Jens Boyde, der einige von klein auf betreut hat. Und genau deshalb rennen Sebastian Hock, David Kiefer, Manuela Molz, Michael Fuss, Mathias Pröbsting, Andreas und Sebastian Klöble, Jonathan Post, Kathrina Willa und viele weitere täglich - egal welches Wetter, egal ob Klausuren anstehen oder ob man Liebeskummer hat. Sie laufen oft mehr als 100 Kilometer die Woche.

Klassenkameraden und Freunde außerhalb des Sports haben für solch ein hartes Trainingsprogramm oft nur ein müdes Lächeln übrig. "Willst du mal Olympiasieger werden", ist oft die ironische Frage. Aber die wenigsten schaffen es wirklich bis dahin. Klar, träumen tun sie alle davon. Aber der Weg ist so weit und beschwerlich. "Da muss einfach alles stimmen", erzählt der drahtige VWL-Student Michael Fuss, der sich seit seiner Jugend der Leichtathletik verschrieben hat. Wichtig ist das Umfeld: Die Eltern müssen ihre Zöglinge moralisch, aber vor allem auch finanziell unterstützen. Ehrgeiz, Disziplin, Talent und Spaß am Sport sind die Minimalbedingungen einer erfolgreichen Karriere. Doch um es nach ganz oben zu schaffen, gehört neben Glück auch ein Körper, der die ganze Belastung verträgt.

Patrick Gassner rannte in seiner Jugend bereits ganz vorne mit in Deutschland, doch chronische Achillessehnenbeschwerden und Verletzungen werfen ihn immer wieder zurück. Auch die 18-jährige Kathrina Willa aus Herbolzheim wird immer wieder von Knochenhautentzündungen geplagt. Druck ist immer da. Die Bestzeit muss stetig verbessert werden, alles andere ist Misserfolg.

Geld verdienen die wenigsten. Ab und an gibt es Preisgelder, die aber in keiner Relation zum Aufwand stehen. Warum aber dann der ganze Aufwand? Warum auf so viele Partys, warum auf den chilligen Nachmittag am Baggersee verzichten? Die Sportler scheinen über so eine Frage verwundert zu sein. Aus Katharina Willa, die die blond gesträhnten Haare frech zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hat, sprudelt es heraus: "Ganz klar, weil es mir einfach Spaß macht." Ihre Augen leuchten, man merkt, dass sie es ehrlich meint. "Es ist einfach unheimlich schön, durch den Wald zu rennen, alle Sorgen hinter sich zu lassen, mit der Natur eins zu werden. Es ist ein Gefühl von Freiheit, wenn man mit Spikes auf der Bahn seine Geschwindigkeit steigert, und der Wind einem nur so um die Ohren braust. Und so paradox es klingt, manchmal ist es richtig geil, sich "voll auszukotzen". Aber, fügt sie ehrlich hinzu: "Nur dabei zu sein, ist natürlich nicht genug." Die meisten wollen auch gewinnen.

Der sportliche Ehrgeiz bringt die Athleten, auch außerhalb des Sports weiter. Die meisten sind sehr gute Schüler oder Studenten. Sie haben Selbstdisziplin, Ehrgeiz und können sich nach einer Niederlage wieder motivieren. Das tägliche Training schweißt zusammen: Gemeinsam fahren sie durch ganz Deutschland zu Wettkämpfen, auch internationale Meetings stehen auf dem Plan. Jonathan Post startete jüngst bei der Duathlon-Weltmeisterschaft im belgischen Geel. Und im Winter, wenn andere mit dem tristen Freiburger Wetter hadern, weilen die Athleten im sonnigen Portugal. Aber eins ist klar: Die nächsten zwei Wochen sitzen sie alle vor dem Fernseher, um mitzufiebern, wenn die deutschen Athleten bei den Sommerspielen ihr Bestes geben. Dabei sein ist eben alles.

Ressort: Zisch

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 12. August 2004: PDF-Version herunterladen

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