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Was ist ein Stoiber? Man weiß es nicht genau

  • Do, 19. September 2002
    Zisch

     

Die Kandidaten reden viel und sagen nichts - eine Polemik.

Bald hat man ja die Wahl. Die Wahl zwischen so einigem. Zwischen Regierung und Opposition. Aber vor allem zwischen Schröder und Stoiber. Sagen ja die Parteien und das Fernsehen und zeigen uns Duelle, damit wir danach mehr wissen. Aber wissen tun wir nun wirklich nicht viel mehr.

Politiker reden viel. Sie reden im Bundestag und im Fernsehen, in Streitgesprächen und Talkrunden, auf Parteitagen und auf Tagungen. Und sie reden auf Wahlkampfveranstaltungen. Manchmal könnte man meinen, Politik sei einfach nur reden. Das Schlimmste ist ja dann, wenn die Politiker sich ständig selbst widersprechen. Wenn sie von ihrem eben noch Gesagten nichts mehr wissen wollen. Und am Ende weiß dann keiner mehr Bescheid.

So besteht die Wahl allenfalls zwischen Schröder, dem Autokanzler, Schröder, dem Sozialdemokraten und Schröder, dem Friedensstifter - oder eben zwischen den ganz verschiedenen Stoibers. Zumindest konnte man in den vergangenen vier Jahren erkennen, welche Schröders es gibt. Jeder weiß ungefähr, was ihn erwartet, wenn er SPD wählt.

Aber was kann man vom CDU/CSU-Kandidaten Stoiber erwarten? Welche Wandlungen wird er durchmachen, wenn er Kanzler wird? Was ist überhaupt ein Stoiber? Im Wahlkampf präsentiert er sich äußerst zahm und als Mann der Mitte. Aber ist das der Stoiber, den wir auch nach der Wahl erleben werden? Bislang kann man ihn jedenfalls nicht festlegen: Ist er für einen Einsatz der Bundeswehr, wenn es im Irak zu einem Krieg kommt? Ja, schon, vielleicht aber nur mit Uno-Mandat. Ist er für die Steuerreform oder nicht? Nichts ist klar und die Aussagen verändern sich ständig.

Stoiber kann man im Grunde nur betrachten, wenn man alles weglässt, was seine Medienberater um ihn aufgebaut haben. Bloß, es könnte ja sein, dass dann gar nichts mehr von ihm übrig bleibt. Stoiber ist jetzt fernsehtauglich, kann sich präsentieren, das hat man bei den Fernsehduellen gesehen. Er wurde so getrimmt, dass alles hinter einer Fassade aus auswendig gelernten Reden verschwindet. Will man einen Stoiber, wie er wirklich ist, braucht man sich nur die peinliche Sabine Christiansen-Sendung kurz nach seiner Kandidaten-Kür anzusehen: Ein Politiker, der sich in allem verzettelt, der nichts Konkretes sagt. Oder man geht auf Wahlkampfveranstaltungen, geht in die Bierzelte und hört sich dort die Sprüche eines ganz anderen Stoiber an. Oder man schaut in die Vergangenheit, liest nach, was Stoiber vor ein paar Jahren zum Euro gesagt hat, wie skeptisch er war und vergleicht das mit den proeuropäischen Reden aus dem zweiten Fernsehduell.

Aber am Ende bleiben das auch wieder nur Reden. Und die Vermutung: Vielleicht ist das Risiko Stoiber einfach zu groß für Deutschland.

Sebastian Lehmann

Ressort: Zisch

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