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"Es gibt die lustigsten Verwirrungen"

  • Cora Schmidhuber, Klasse F1, Clara-Grunwald-Schule & Freiburg

  • Fr, 07. April 2017
    Zisch-Texte

ZISCH-INTERVIEW mit der Freiburgerin Monika Zelm-Isirkan, die einer syrischen Flüchtlingsfamilie Deutschunterricht gibt.

Flüchtlingshelferin Monika Zelm   | Foto: Schmidhuber
Flüchtlingshelferin Monika Zelm Foto: Schmidhuber

Die Freiburgerin Monika Zelm-Isirkan ist seit Herbst 2015 in der Flüchtlingshilfe tätig und gibt einer aus Syrien geflüchteten Familie Deutschunterricht. Cora Schmidhuber, Zisch-Reporterin aus der Klasse F1 der Clara-Grunwald-Schule in Freiburg, hat sie interviewt.

Zisch: Was sind Sie von Beruf?
Zelm-Isirkan: Ich bin Lehrerin am Gymnasium für die Fächer Deutsch, Französisch und Ethik.
Zisch: Wie sind Sie darauf gekommen, Flüchtlingen Deutsch beizubringen?
Zelm-Isirkan: Als Deutschlehrerin macht es mir Spaß, anderen eine Sprache beizubringen. Ich habe auch schon in Frankreich Deutsch unterrichtet. Es macht einen Unterschied, ob man Muttersprachler unterrichtet oder aber Menschen, die diese Sprache als Fremdsprache erlernen. Als ich hörte, dass im Dietenbachpark in der Nähe des Rieselfelds ein Flüchtlingswohnheim gebaut wird, wollte ich einfach helfen. Ich wollte mich engagieren und dachte, so kann ich mich am besten einbringen.
Zisch: Braucht es viel Zeit, Flüchtlingen Deutsch beizubringen?
Zelm-Isirkan: Am Anfang habe ich keinen Sprachkurs gegeben, sondern mich in der Hausaufgabenbetreuung für Kinder engagiert. Da war die Zeit genau festgelegt. Als die Kinder in die schulische Hausaufgabenbetreuung wechseln konnten, fragte mich ihr Vater, ob ich seine Frau und ihn unterrichten könnte. Jetzt gehe ich einmal in der Woche zu dieser Familie. Natürlich wäre es besser, öfters hinzugehen. Eine Sprache lernt man am schnellsten, indem man sie spricht.
Zisch: Wie konnten Sie sich mit den Flüchtlingen am Anfang verständigen, als diese noch kein Deutsch konnten?
Zelm-Isirkan: Am Anfang haben wir versucht, uns mit Englisch zu verständigen. Ich habe aber Frauen kennengelernt, die kein Englisch konnten. Dann funktioniert viel über Gesten und Zeigen ...
Zisch: Also mit Händen und Füßen?
Zelm-Isirkan: Genau, mit Händen und Füßen.
Zisch: Wie läuft ein Besuch bei den Flüchtlingen ab?
Zelm-Isirkan: Wenn ich die Familie in ihrem Wohncontainer im Dietenbachpark besuche, bekomme ich zuerst einmal etwas zu trinken. Dann kommt die Mutter und bringt noch eine Kleinigkeit zu essen. Sie sind sehr gastfreundlich. Zuerst arbeite ich mit der Mutter. Sie kannte bisher nur die arabischen Schriftzeichen und muss erst einmal unsere deutsche Schrift, also die lateinischen Buchstaben, lernen. Später kommt der Vater. Er ist immer ganz fleißig und schreibt während der Woche neue Vokabeln auf, die er hört, aber noch nicht versteht. Wir üben die Aussprache und klären Fragen. Er mag es, wenn wir uns unterhalten. Er sagt immer: Wenn ich mit jemandem Deutsch reden kann, habe ich das Gefühl, schon viel gelernt zu haben. Das motiviert ihn. Es tut ihm gut, diese Gespräche zu führen.
Zisch: Lernen die Flüchtlinge schnell?
Zelm-Isirkan: Ja, wahnsinnig. Ich bin total begeistert. Diese Familie hat vier Kinder, von denen drei in die Schule gehen. Alle habe wirklich Lust, die Sprache zu lernen, und das ist das Wichtigste. Sie machen große Fortschritte.
Zisch: Was ist das Schwierigste am Deutsch lernen?
Zelm-Isirkan: Was die Menschen aus dem Arabischen nicht kennen, sind die Artikel der, die und das. Für sie ist das wirklich sehr schwierig zu verstehen. Ebenso die Benutzung von Hilfsverben. In ihrer Sprache sind sie dies nicht gewohnt und sagen deswegen: "Das Tisch", anstatt "Das ist ein Tisch."
Zisch: Was war ihr lustigstes Erlebnis?
Zelm-Isirkan: Es gab eine Situation, in der wir wirklich fünf Minuten gelacht haben. Ich kann die arabischen Namen ihrer Kinder nicht korrekt aussprechen. Um etwas zu erklären, habe ich Beispielsätze gemacht und dabei die Namen ihrer Kinder verwendet. Als die Mutter die Sätze nachgesprochen hat, war sie so darauf bedacht, alles genau so wie ich zu sagen, dass sie die Namen ihrer eigenen Kinder falsch ausgesprochen hat. Da mussten wir wirklich herzhaft lachen. An einer anderen Stelle kommen wir auch immer durcheinander: Wenn ich mit Händen und Füßen du und ich erkläre. Das führt immer zu Verwirrung, und es gab schon die lustigsten Verwechslungen.
Zisch: Glauben Sie, dass es der geflüchteten Familie hier in Deutschland gefällt?
Zelm-Isirkan: Ja. Sie sind froh, zur Ruhe zu kommen und ein bisschen Alltag zu haben, nach den schlimmen Sachen, die sie in ihrem Heimatland Syrien und auf der Flucht erfahren haben. Sie werden auch immer ganz traurig, wenn die Sprache auf ihre Heimat kommt. Aber sie freuen sich, dass sie hier so etwas wie ein neues Leben anfangen können.

Ressort: Zisch-Texte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 07. April 2017: PDF-Version herunterladen

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