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Zisch-Interview

"Ich habe schon mal drei Jahre an der Restauration einer Orgel gearbeitet"

  • Tim Schilling, Klasse 4a, Thaddäus-Rinderle-Schule & Staufen

  • Do, 24. März 2016, 10:15 Uhr
    Zisch-Texte

Zisch-Reporter Tim Schilling aus der Klasse 4a der Thaddäus-Rinderle-Schule, Staufen, hat den Drohorgelbauer Johann Gebert interviewt, der in Volgelsheim im Elsass lebt und arbeite.

Zisch: Guten Tag, Herr Gebert. Sie bauen oder restaurieren Orgeln. Wollten Sie das schon als Kind machen?
Gebert: Das erste Mal hab ich den Beruf gesehen mit etwa neun Jahren. Damals besuchte ich die Werkstatt, in der ich später den Beruf auch gelernt habe. Mit zwölf Jahren habe ich angefangen, dort in den Schulferien auszuhelfen, um Geld zu verdienen, weil ich kein Taschengeld bekommen habe.
Mit 15 Jahren habe ich dann meine Lehre begonnen.
Zisch: Wo haben Sie Ihre Ausbildung gemacht, und wie lange hat sie gedauert?
Gebert: In Finsterlingen, im Hotzenwald. Sie ging drei Jahre.
Zisch: Wie lange bauen Sie schon Orgeln?
Gebert: Seit etwa 34 Jahren
Zisch: Was braucht man, um eine Orgel zu bauen?
Gebert: Man braucht Rohmaterialien wie Holz verschiedenster Art, unterschieden nach seinen Eigenschaften und Aussehen, Leder, Metall, Messing, Eisen, Stahl, Karton und vieles mehr. Und eine Menge Zeit und Geduld.
Zisch: Seit wann gibt es denn Orgeln?
Gebert: Da muss man unterscheiden. Die Orgeln, an denen ich arbeite, sind selbstspielende Instrumente, wie Drehorgeln, Schaustellerorgeln oder Konzertorgeln. Diese Art von Orgeln gibt es ungefähr seit 350 Jahren. Sie unterscheiden sich von Kirchenorgeln, die es schon sehr viel länger gibt.
Zisch: Also bauen Sie keine Orgeln, die man selbst spielen muss?
Gebert: Nein, das sind selbstspielende Instrumente. Sie spielen die Musik mit einer Walze, mit einem Kartonbuch oder einer Papierrolle.
Zisch: Okay! Wie wird die Musik von solch einem Kartonbuch umgewandelt, so dass man sie hören kann? Wie genau funktioniert das?
Gebert: Es gibt eine Mechanik, die einen Karton abtastet, in den Löcher eingestanzt sind. Dadurch wird das Lied festgehalten. Die Mechanik öffnet Ventile, welche wieder größere Ventile öffnen. Am Schluss gibt ein Ventil Luft in eine Pfeife und erzeugt dadurch den Ton. Eine selbstspielende Orgel hat 25 bis 500 solcher Pfeifen. Eine Orgel könnte somit alle Lieder spielen, die auf diese Weise aufbereitet sind, zum Beispiel auch Andreas Bourani oder Sido oder Lieder von den Lochis.
Zisch: Das ist cool! Wie viele verschiedene Töne kann eine Orgel denn spielen?
Gebert: Die Caféhausorgel, an der ich gerade arbeite, ersetzt etwa 15 Musiker in einer Band. Es gibt aber auch noch wesentlich Größere.
Zisch: Woher bekommen Sie die alten Orgeln, die Sie restaurieren?
Gebert: Entweder aus Privatbesitz, von Museen oder durch Händler.
Zisch: Wie lange dauert es, eine Orgel zu bauen oder zu restaurieren?
Gebert: Eine kleine Drehorgel dauert etwa 250 bis 300 Stunden, das sind etwas über zwei Monate.
Die Orgel, die ich gerade restauriere, ist von 1922, eine Caféhausorgel. Sie ist überall beschädigt, schlecht behandelt und durch Feuchtigkeit kaputt gegangen. Ich baue sie nun von Grund auf frisch auf, in tausenden von Arbeitsschritten, fast so, als ob ich eine neue Orgel bauen würde. Die Orgel hat 320 Pfeifen, davon muss ich jede mindestens 20 Mal für verschiedenste Arbeiten in die Hand nehmen. Das beinhaltet unzählige kleine Arbeiten. Bisher arbeite ich seit 2200 Stunden an dieser Orgel, das sind rund anderthalb Jahre. Hinzu kommt noch die Restaurierung der Fassade, die von der Erscheinung dem indischen Tempel Taj Mahal nachempfunden ist. Durch das Zusammenfügen beider Teile wird ein Topinstrument mit sehr gutem Klang entstehen. Nach weiteren rund zwei Jahren wird sie fertig restauriert sein. Ich habe auch schon einmal drei Jahre lang eine Orgel restauriert.
Zisch: Das ist aber sehr lange. Was würde diese Orgel denn kosten?
Gebert: Diese Orgel ist im Privatbesitz. Aber eine ähnliche Orgel, allerdings mit einer schlichteren Fassade und vom Klang etwas schlechter, wurde vor fünf Jahren für 320 000 US-Dollar versteigert.
Zisch: Wie viel kostet die teuerste selbstspielende Orgel der Welt?
Gebert: Im Jahr 1905 wurde hier in Waldkirch, bei Freiburg, eine Orgel gebaut, die ist vor einigen Jahren für 1,2 Millionen US-Dollar versteigert worden.
Zisch: Wer kauft denn Orgeln bei Ihnen?
Gebert: Wenn ich neue Orgeln baue, verkaufe ich diese an Drehorgelspieler, Sammler oder Museen.
Zisch: Wenn ich jetzt eine kleine Drehorgel bei Ihnen kaufen wollte. Was würde mich die kosten?
Gebert: Der Preis beginnt bei 7000 Euro.
Zisch: Wie viele Orgeln haben Sie denn schon gebaut oder restauriert.
Gebert: Neue Orgeln gebaut habe ich etwa 50 und restauriert etwa 150 bis 200 Stück, da ich für ein Instrument meist mehrere Monate brauche.
Zisch: Wie groß ist die größte Orgel, die Sie je restauriert haben?
Gebert: Die steht im Technikmuseum in Speyer und ist 12,50 Meter lang und etwa vier Meter hoch.
Zisch: Gehört diese Orgel auch zu den größten selbstspielenden Orgeln der Welt?
Gebert: Ich denke schon. Mit 12,50 Meter Breite ist sie auf jeden Fall die Breiteste der Welt.
Zisch: Wie interessant! Was macht Ihnen an Ihrer Arbeit am meisten Spaß?
Gebert: Meine Arbeit ist sehr abwechslungsreich, und jedes Instrument erfordert ein individuelles Arbeiten. Es bleibt immer spannend, ich lerne noch jeden Tag dazu, und am Schluss kann ich meine Arbeit sehen und hören.
Zisch: Welche Musik hören Sie privat am liebsten?
Gebert: Früher viel Blues und Rock, inzwischen lieber Klassik, wie Brahms oder Verdi.

Ressort: Zisch-Texte

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