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Arbeit oder Therapie: Ultimatum für einen Drückeberger

Heidi Ossenberg
  • Do, 27. April 2017
    Kino

KOMÖDIE: Regisseur André Erkau hat für "Happy Burnout" die richtige Riege an Schauspielern beschäftigt.

Wotan Wilke Möhring  | Foto: thomas Kost/riva
Wotan Wilke Möhring Foto: thomas Kost/riva
Andreas, genannt Fussel, bezieht Hartz IV, seit es diese Form der Grundsicherung überhaupt gibt. Mit anderen Worten: Der fröhliche Alt-Punk aus Hamburg hat in seinem Leben noch nie gearbeitet – und er hat es definitiv auch künftig nicht vor. Dass er sich so erfolgreich durchs Leben schnorrt, hat Fussel auch Frau Linde zu verdanken, seiner überaus gutgläubigen Sachbearbeiterin beim Arbeitsamt. Ihr lügt der abgerissene Charmebolzen einfach vor, er kümmere sich ja schließlich ehrenamtlich um alle im Kiez, die seine Hilfe benötigten – Flüchtlinge, Alte, Kinder; da könne der Staat ihm ja auch ein wenig entgegenkommen ...

Regisseur André Erkau hat den ersten Teil seine Komödie "Happy Burnout" um seinen Hauptdarsteller Wotan Wilke Möhring herum inszeniert. Diesem Fussel kann man auch aus dem Kinosessel heraus kaum widerstehen; er ist zwar äußerlich wenig attraktiv, aber als gelassener Lebenskünstler und überzeugter Systemverweigerer ein in unseren Zeiten seltenes Exemplar von Mensch. Eines Tages freilich hat Frau Linde (Victoria Trauttmansdorff) eine schlechte Nachricht: Eine interne Kontrollinstanz hinterfragt ihre (Nicht-)Förderpraxis – und Fussel muss sich entweder sofort vermitteln lassen – oder das Arbeitsunfähigkeitsattest annehmen und zur Therapie in eine Burnout-Klinik gehen.

Klar entscheidet sich Fussel für die Therapie. In der noblen Klinik diagnostizieren die Ärztinnen und Pflegerinnen zwar in Sekundenschnelle, dass der Neue sicher nicht unter Ausgebranntsein leidet – aber sie erkennen auch die menschlichen Fähigkeiten, die der fröhliche Quertreiber mitbringt und die er freigiebig zum Wohl all der Lebensmüden, Überforderten und Gestressten einsetzt. Mit dem Ortswechsel in die Klinik erweitert sich das Personal der Komödie – und auch hier profitiert die nicht wirklich mit Handlung überfrachtete Geschichte von den überzeugenden Schauspielerinnen und Schauspielern: Anke Engelke als Pflegerin, Julia Koschitz als Helikoptermutter, Michael Wittenborn als im wahrsten Sinne des Wortes ausgebrannter Inhaber von Sonnenstudios, Kostja Ullmann als kinderhassender Puppenspieler und Torben Liebrecht als gestresster Manager.

Das Tempo der Komödie ist flott, die Dialoge sind häufig witzig, Erkau nimmt seine Figuren ernst und macht sich auch nicht über das Setting in der psychosomatischen Klinik lustig. Zum Ende hin allerdings lösen sich alle Konflikte ein wenig zu vorhersehbar und harmonisch auf. Nette Unterhaltung – mehr nicht.

"Happy Burnout" von André Erkau läuft flächendeckend. (Ab 6)

Ressort: Kino

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 27. April 2017: PDF-Version herunterladen

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