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Technik

Weiche Roboter: Maschinen mit Feingefühl

Michael Heilemann

Von

Sa, 15. August 2015 um 00:00 Uhr

Bildung & Wissen

"Weiche Roboter" sind nach dem Vorbild des Menschen konzipiert und reagieren flexibel auf ihre Umgebung. Die Maschinen assistieren als Monteure, Pflegehilfen und Robot-Astronauten.

Weltweit einzigartig: Der Kuka- Roboterarm stammt aus der Raumfahrtforschung.   | Foto: Kuka/DLR/AFP
Weltweit einzigartig: Der Kuka- Roboterarm stammt aus der Raumfahrtforschung. Foto: Kuka/DLR/AFP
Roboter: Bei diesem Begriff, denkt man an seelenlose Automaten voll unbändiger Kraft, an Maschinen aus Metall und Motoren, denen man besser aus dem Weg gehen sollte. Oder an die putzigen Kerlchen mit dem Kindergesicht wie Nao, den kleinen Roboter auf zwei Beinen, der eher zur Kategorie Spielzeug zählt. Und natürlich fallen uns die vielen Helfer in Haushalt und Garten ein, die selbständig lästige Arbeiten wie Staubsaugen, Fensterputzen oder Rasenmähen erledigen.

Seit einigen Jahren gibt es einen Robotertyp, der mit einer Fähigkeit aufwartet, die man einer Maschine gar nicht zugetraut hätte: Er ist feinfühlig. Und er arbeiten mit dem Menschen Hand in Hand, als dessen Assistent sozusagen. Man findet ihn schon in einigen Fabrikhallen. Neben den klassischen Industrieroboter, der mit großer Wucht und hohem Tempo zugange ist – schweißt, lackiert oder schneidet – und deshalb hinter Schutzzäune und Gitter gesperrt wird (und den es auch weiterhin geben wird), tritt "Kollege Roboter". Audi zum Beispiel setzt Roboter ein, die dem Monteur zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Weise Teile aus einer Kiste anreichen, die dann manuell verbaut werden. Auch andere große Hersteller wie Daimler, BMW oder Volkswagen arbeiten mit dem Kollegen Roboter.

Auf breiter Front hat er indes noch nicht Einzug gehalten. Aber das wird sich ändern: nicht nur wegen des rasanten technologischen Fortschritt zum Beispiel in der Sensorik, sondern auch wegen der schlichten Notwendigkeit, eine älter werdende Belegschaft von körperlich anstrengenden Tätigkeiten bei der Montage, etwa dem Arbeiten über Kopf zu entlasten.

Mensch und Maschine – sie sollen als Team zusammenarbeiten, in dem jeder das einbringt, was er am besten kann: Die Stärken des Menschen sind Flexibilität und Kreativität, der Roboter erledigt die stumpfsinnigen, kräfteraubenden oder auch gefährlichen Tätigkeiten, bei denen es gleichwohl auf Präzision ankommt.

Ähnlich wie ein Mensch

Die Technologie, die diesem Wandel zugrunde liegt, firmiert unter dem Schlagwort "Soft Robotics". Roboter schaffen es heute, ähnlich wie ein Mensch zu handeln. Also nicht stur einer vorgegebenen – programmierten – Bahn zu folgen, sondern mit wohldosierter Kraft und feinfühlig auf die Umgebung zu reagieren. Sich zum Beispiel an einen Gegenstand heranzutasten. "Sensorbasiert" nennen das die Fachleute. Wenn so einer Maschine "Kollege Mensch" in die Quere kommt, schaltet sie einen Gang zurück oder stoppt komplett.

Der Wissenschaftler Sami Haddadin spricht in diesem Zusammenhang von einem eingebauten "Schutzreflexsystem". Damit wird dem ersten Robotergesetz Rechnung getragen, das der Science-Fiction-Autor Isaac Asimov bereits 1942 in seiner Kurzgeschichte "Runaround" formuliert hat. "Ein Roboter darf kein menschliches Wesen verletzen oder durch Untätigkeit gestatten, dass einem menschlichen Wesen Schaden zugefügt wird."

Möglich macht dies modernste Regelungstechnik. In den Gelenken der Maschinen sind Sensoren eingebaut, die Kräfte – im Fachjargon die internen Drehmomente – messen und diese entsprechend der Umweltanforderung dosieren. "Bei Soft Robotics handelt es sich um ein bionisches Konzept.

Wir versuchen die Abläufe im muskuloskelettalen System des menschlichen Organismus nachzuempfinden", sagt Haddadin, Direktor des Instituts für Regelungstechnik an der Leibniz-Universität Hannover. Die erforderliche Rechenleistung ist mittlerweile kein Problem mehr: Zur zentralen Steuerung (vergleichbar Rückenmark und Gehirn) reicht ein Standard-PC, der die in den Gelenken verbauten kleinen Computer koordiniert.

Weiche Roboter können nicht nur in der Industrie, sondern in vielen anderen Lebensbereichen eingesetzt werden. Überall, wo – Stichwort Serviceroboter – intelligente Maschinen direkt den Menschen unterstützen könnten: als Assistent im Haushalt, in der Pflege, der Medizin oder der Rehabilitation. Sami Haddadin zum Beispiel forscht an einer neuartigen elektronisch gesteuerten Armprothese.

Monteur, Pflegehilfe und Robot-Astronaut

Eines der Pioniersysteme weltweit ist am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt worden: Ein Roboterarm, gebaut für den DLR-Roboter "Justin", wird nun von der Augsburger Firma Kuka serienmäßig gefertigt. Der "Leichtbauroboter iiwa" besteht aus sieben oberarmdicken Elementen, die mit Gelenken verbunden sind. Seit ein paar Jahren wird der Kuka-Arm zum Beispiel bei Daimler erfolgreich in der Montage von Hinterachsgetrieben eingesetzt. Der Roboterarm könnte, montiert auf einen Rollstuhl, auch zur künstlichen Hand von Schwerstbehinderten werden und ihnen so ein Stück Autonomie zurückgeben. Dazu gibt es ein Forschungsprojekt am Institut für Informatik der Uni Freiburg.

Sensible Roboter sind noch mehr als eine "dritte Hand" am Arbeitsplatz oder in der Pflege. Übers Internet können sie zu einem verlängerten Arm werden, der Zugriffsmöglichkeiten über Tausende Kilometer schafft. Die Maschine springt überall dort für den Menschen ein, wo es sehr gefährlich ist, oder an Orten, die nur schwer zugänglich sind. Beim Katastropheneinsatz in Kernkraftwerken und Erdbebengebieten zum Beispiel oder bei Reparaturen auf Ölplattformen im Meer.

Für den Operator, der den Roboter steuert, fühlt es sich fast so an, als ob er selbst vor Ort wäre. "Wenn der Roboter zum Beispiel auf eine Tür stößt, dann spürt das der Mensch am anderen Ende, und er merkt auch, wie stark die Maschine den Türgriff drückt", sagt Alin Albu-Schäffer, Direktor am DLR-Institut für Robotik und Mechatronik in Oberpfaffenhofen, wo man sich intensiv mit dem Thema Fernsteuerung beschäftigt. Ideal sind sensible Roboter auch für den Einsatz im Weltall. Sie könnten Himmelskörper – allein oder ferngesteuert von einer Raumstation aus – (fast) ebenso gut erkunden wie Astronauten. Die exorbitanten Kosten der Raumfahrt würden dadurch sinken. Schließlich ist es die Sicherheit für die Menschen, die das meiste Geld verschlingt.

Ressort: Bildung & Wissen

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