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Iran

Boykott der Schachweltmeisertschaft wegen Kopftuchzwang

  • Fr, 10. Februar 2017
    Schach

Zahlreiche Großmeisterinnen boykottieren die Weltmeisterschaft in Teheran wegen der strengen Kleiderordnung.

Die Deutsche Elisabeth Pähtz belegt Rang 20 auf der Weltrangliste.   | Foto: Hartmut Metz
Die Deutsche Elisabeth Pähtz belegt Rang 20 auf der Weltrangliste. Foto: Hartmut Metz

MUGGENSTURM. An diesem Freitag wird in Teheran im Iran die Schach-Weltmeisterschaft der Frauen eröffnet. Zahlreiche Großmeisterinnen boykottieren die Veranstaltung allerdings, weil Kopftuchzwang herrscht. Mit dabei ist allerdings die gebürtige Erfurterin Elisabeth Pähtz, die für Juli dieses Jahres vom SK Freiburg-West für ein Simultan-Turnier verpflichtet wurde.

Elisabeth Pähtz hat schon ein bisschen für die WM geübt, sich das Tuch kunstvoll übers Haupt zu legen und "vor allem den Hals zu verdecken". Trotzdem ist die Weltranglisten-20. heilfroh, dass sie mit Dorian Rogozenco eine männliche Begleitung in Teheran hat – auch wenn der Bundestrainer zur Vorbereitung auf die nächste Gegnerin nicht alleine mit ihr aufs Zimmer darf. Andere Großmeisterinnen halten sich vor der Eröffnungsfeier weniger bedeckt. "Für mich ist es inakzeptabel, eine WM in einem Land zu spielen, in dem Frauen grundlegende Rechte verweigert und als Menschen zweiter Klasse behandelt werden", kündigte US-Meisterin Nazi Paikidze als Erste ihren Boykott wegen des Kopftuchzwangs an und entfachte einen Sturm der Entrüstung gegen den Schach-Weltverband Fide.

Ihre Landsfrau Irina Krush folgte dem Beispiel. Zum einen wegen der Sicherheitswarnungen der Regierung, zum anderen aber vor allem wegen der rigiden Kleidervorschriften. "Ich hätte gerne an der WM teilgenommen", doch ihr sei es zuwider, den Körper nahezu komplett einzuhüllen, um einer Verhaftung zu entgehen. Die siebenmalige US-Meisterin sieht sich laut der Webseite Chessbase.de auch am Brett gestört, wenn Schiedsrichter während der Partie "einen ermahnen, das Kopftuch, das vielleicht zu weit heruntergerutscht ist, wieder in Position zu bringen – ein Szenario, von dem mir Teilnehmerinnen an der Grand-Prix-Serie in Teheran 2016 erzählt haben."

Die Ukrainerin Marija Musytschuk, die die WM im K.o.-Modus 2015 in Sotschi gewann, pflichtet trotz der 360 000 Dollar Preisgeld bei. "Der Iran ist für solch ein wichtiges Turnier denkbar ungeeignet", sagt die die 24-jährige Ex-Weltmeisterin und verweigert sich dem Kopftuchzwang. Ihre an Position zwei gesetzte ältere Schwester Anna sieht das offensichtlich anders und fliegt nach Teheran.

Emil Sutovsky hat schon seine eigene Erfahrungen mit dem Iran gemacht – sein Großmeister-Kollege Ehsan Ghaem Maghami musste aus politischen Gründen auf ein Duell mit dem Israeli verzichten und flog aus einem Turnier auf Korsika. Der Präsident der Spielergewerkschaft ACP erkundigte sich nach der WM-Vergabe bei der Fide – und wurde abgekanzelt, die Spielerinnen müssten sich eben den örtlichen Kleidungsgepflogenheiten anpassen. Die meisten Top-Großmeisterinnen fügen sich dem letztlich und teilen wohl die Ansicht von Pähtz: "Der Iran ist nicht der perfekte Austragungsort für eine WM. Das wissen wir alle – andererseits hat keine einzige Föderation bei der Vergabe etwas dazu gesagt", gab die ehemalige U-18- und U-20-Weltmeisterin im Interview mit Chessbase.de zu bedenken. Die 32-Jährige hielt den Kommentatoren bei Facebook entgegen: "Ich finde es traurig, dass nur das Negative gesehen wird – und nicht, dass der Iran bereit ist, eine ganze Menge Geld auszugeben. Es ist schwer, für Frauen-Schach Sponsoren zu finden." Die WM hätte eigentlich schon im Vorjahr über die Bühne gehen sollen.

Boykottieren ein paar Asse die Veranstaltung wegen des Kopftuchzwangs, hat die Chinesin Hou Yifan die Lust verloren, dauernd zwischen K.o.-WM und WM-Zweikampf hin- und herzuspringen. Nachdem die Fide ihre tiefe Unzufriedenheit seit Jahren ignoriere, zieht die herausragende Weltranglistenerste die Konsequenzen. Wie hart die Weltmeisterin sein kann, bekamen vor wenigen Tagen die Organisatoren in Gibraltar zu spüren: In der letzten Runde machte Hou aus Protest gegen die Auslosung, die ihr in neun Runden sieben leistungsschwächere Frauen bescherte, fünf stümperhafte Züge und gab auf – die 22-Jährige verschenkte dadurch 9200 Euro Preisgeld.

Die zurückhaltendere Chinesin Ju Wenjun belegte in Gibraltar Platz eins in der Frauenwertung und sieht ohne Hou in Teheran nun ihre Chancen auf den Titel wachsen. Pähtz hofft derweil, ihr bisher bestes WM-Resultat zu toppen. Mit 16 kam sie bereits ins Achtelfinale. "Im K.o.-Modus sind in zwei Partien eher Überraschungen möglich", sagt die an Position 14 gesetzte Spielerin. Ihre Auftaktgegnerin am Samstag dürfte zwar ihr Kopftuch geschickter binden – aber auf dem Brett sollte die mit einem Freiplatz ausgestattete Iranerin Atousa Pourkashiyan weniger überzeugend agieren.

Ressort: Schach

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 10. Februar 2017: PDF-Version herunterladen

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