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Die Macht der Fantasie

  • Di, 14. März 2017
    Theater

     

Das Kindertheater Patati Patata zeigt im Freiburger Vorderhaus "Gustav, den Flugradbauer".

Sonka Müller  | Foto: Patati Patata
Sonka Müller Foto: Patati Patata
Ein Spinner war er und den anderen so lästig, dass sie ihn 40 Jahre lang in eine Anstalt sperrten. Heute nennt man den 1903 in Oberschwaben geborenen Gustav Mesmer den "Ikarus vom Lautertal", seine verrückten Flugmaschinen reisten bis auf die Weltausstellung in Sevilla. Über sein Leben und seinen unerschütterlichen Traum vom Fliegen erzählte jetzt Sonka Müller vom vielfach ausgezeichneten Reutlinger Kindertheater Patati Patata im Freiburger Vorderhaus, wo an diesem Wochenende die siebten Figurentheatertage zu Ende gingen.

Mitgebracht hat sie eine voll eingerichtete Tüftlerwerkstatt mit Obstkistensammelsurium und Fahrradschrott (Bühne und Objekte: Adalbert Sedlmeier). Sofort sieht man ihn vor sich, diesen "Gustav, den Flugradbauer" (Regie: Claus Overkamp), wenn Müller gutgelaunt in ihren Krempelschätzen kramt und jeden Handgriff mit einem begeisterten "Basst!", oder "Eiwandfrei" in breitestem Schwäbisch kommentiert. Dann zeigt sie seine tollsten Erfindungen: Ein Doppeldrachenflugrad, ein Ballonwurst-, Maikäfer-, oder Gleithubschraubergefährt sieht man auf Messmers kindlich-detaillierten Konstruktionszeichnungen, der zeitlebens seine private Luftschifffahrt dokumentierte. Das Grundschulpublikum hat seine helle Freude dran.

In einem lebendigem Mix aus Erzähl- und Objekttheater reist Müller in Gustavs Vergangenheit: Spielt den Dreikäsehoch als Leimzwinge, der trotz väterlichen Ermahnungen immer auf dem Kopf steht und sich mit Wäscheklammerflügeln hoch in die Lüfte träumt, hüpft auf dem Bettrost-Sprungfeder-Schuh aus dem Gefängnis des strengen Klosterlebens, zeigt mit geraden und krummen Nägeln, wie die Nazis die Anstaltspatienten aussortieren, und lässt die singende Säge darüber weinen. Parallel entsteht auf der Werkbank ein wundersames Gefährt aus Rädern, Achsen, Keilriemen und Plastikflügeln, mit dem Müller am Ende in den Bühnensternenhimmel radelt.

Eine ebenso berührende wie leichtfüßige Inszenierung über die Macht der Fantasie, gespickt mit vielen Originalzitaten und einem alten Super-8-Film, der Mesmers Flugversuche im Lautertal zeigt. Wirklich geflogen? Ist er wahrscheinlich nie. Aber wer weiß schon so genau, wo der Luftsprung endet und der Flug beginnt?

Ressort: Theater

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Di, 14. März 2017: PDF-Version herunterladen

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