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Geburtstag

Mario Adorf wird 90

  • kna

  • Di, 08. September 2020, 11:44 Uhr
    Kultur

     

Er spielte den Mann, der Winnetous Schwester tötete, Soldaten und Ganoven, Kirchenmänner und Wirtschaftsbosse: Jetzt feiert der Schauspieler Mario Adorf seinen 90. Geburtstag.

Mario Adorf 1977 bei den Dreharbeiten zu Billy Wilders „Fedora“ Foto: Istvan Bajzat (dpa)
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Vielleicht gehört dies ja zu seinen größten Kunststücken: dass ihm das Publikum den Tod von Nscho-tschi verziehen hat. Anfang der 60er Jahre verkörperte Mario Adorf in der Winnetou-Trilogie von Harald Reinl den Bösewicht Santer und streckte in dieser Rolle die Schwester des Häuptlings der Apachen nieder. "Manche Leute sagen mir immer noch, sie hätten mich damals dafür gehasst", so Adorf, der heute 90 Jahre alt wird. Zum Glück kam im Laufe seiner beeindruckenden Karriere eine Fülle weiterer Rollen hinzu.

Coppolas "Pate" schlug Adorf aus

Wandlungsfähig und gesegnet mit einer guten Portion darstellerischer Präsenz, gab er Soldaten und Ganoven, Kirchenmänner und Wirtschaftsbosse. Mal ließ er sich als Vatikan-Gärtner Peppino Mancuso von Johannes Paul II. "Geheimnisse eines Papstes" erzählen, mal quälte er als trunksüchtiger Vater in der ZDF-Alpensaga "Via Mala" seine Familie. Adorf spielte in Billy Wilders "Fedora", in Volker Schlöndorffs "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" und natürlich in dessen Oscar-Preisträger "Die Blechtrommel". Unvergessen auch sein Auftritt als Generaldirektor Heinrich Haffenloher in der Kult-Serie "Kir Royal": "Isch scheiß disch sowatt von zu mit meinem Jeld."

Dabei nahm er nicht jeden Job an; schlug hier und da auch ein Angebot aus, etwa eine Rolle in Francis Ford Coppolas "Der Pate". Was Adorf im Gespräch mit dem Journalisten Tim Pröse nonchalant kommentierte: "Aber man wusste ja vorher auch nicht, was der ‚Pate‘ letzten Endes als Film bedeuten würde."

Was er aber bereits mit Anfang 20 ganz genau wusste: Er liebte die Bretter, die die Welt bedeuten. "Das ,Ich will Schauspieler werden‘ ist zum ,Ich muss‘ geworden", schrieb er im März 1953 in seiner Bewerbung für die Otto-Falckenberg-Schauspielschule in München. Zum Vorsprechen kam er mit einer Passage aus Schillers "Wallenstein". Sein Auftritt blieb allen Beteiligten in besonderer Erinnerung, weil er mit den ersten Sätzen etwas zu beherzt auf die Bühne stürmte – und von dort in den Saal stürzte. Mit einem lauten "Scheiße" beendete er unter dem Gelächter der Prüfungskommission die kurze Darbietung. Später erfuhr er, dass die Stimme von Hans Schweikart, damals Intendant der Münchner Kammerspiele, den Ausschlag zu seinen Gunsten gegeben hatte. "Probieren wir ihn mal drei Monate aus", meinte der Regisseur. "Er hat zwei Dinge, die mir aufgefallen sind: Kraft und Naivität."

Ein Leben, das mit einer schwierigen Kindheit begann

Adorf, selbst dem sportlichen Faustkampf zugetan, boxte sich durch. Vielleicht ein Erbe seiner schwierigen Kindheit. 1930 kam er in Zürich als Sohn der deutschen Röntgenassistentin Alice Adorf und des italienischen Arztes Matteo Menniti zur Welt. Seinen Vater, der als verheirateter Mann eine Affäre mit seiner Mutter begonnen hatte, sah Adorf nur ein einziges Mal. Die Verbindung zur Mutter, die kurz nach Marios Geburt zu Verwandten in das Eifelstädtchen Mayen zog, bestand dagegen ein Leben lang.

In dem berührenden Buch "Mit einer Nadel bloß" schildert er, wie die alleinerziehende Alice ihn in einem konservativen Milieu als Schneiderin durch Not und Elend brachte – auch wenn sie ihn zeitweilig zu den Benediktinerinnen ins Waisenhaus bringen musste. Der junge Mario erlebte den Aufstieg der Nationalsozialisten in der Provinz – und dann die Schrecken des Zweiten Weltkriegs. Zur Sphäre des Religiösen, das hat Adorf immer wieder erklärt, findet er keinen Zugang. Er sei unfähig zu glauben, aber dennoch nicht aus der katholischen Kirche ausgetreten, wie er einmal der Illustrierten Bunte erzählte. "Ich wollte nicht, dass es so aussieht, als sagte ich mich vom Glauben nur los, um die Kirchensteuer zu sparen."

Was ihn indes umtreibt, ist der Kampf gegen Extremismus und Geschichtsvergessenheit. Als der vielfach ausgezeichnete Darsteller 2019 in Köln den Herbert-Strate-Preis für seine Verdienste um den deutschen Film entgegennahm, berichtete er, dass sich in Umfragen 20 Prozent der unter 25-Jährigen einen starken Führer wünschten. "Was ist falsch gelaufen?", fragte ein sichtlich erschütterter Adorf. Und nutzte die Gelegenheit, um Gewalt und Morddrohungen gegen Politiker abzukanzeln. Ein großer Auftritt abseits von Bühne und Leinwand.

Ressort: Kultur

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Di, 08. September 2020: PDF-Version herunterladen

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