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Hussein K. war bei der Tat älter als gedacht

Frank Zimmermann
  • Do, 23. Februar 2017
    Südwest

Die Staatsanwaltschaft Freiburg gibt das Ergebnis eines medizinischen Gutachtens bekannt: Der Tatverdächtige war beim Mord an Maria L. mindestens 22 Jahre alt.

FREIBURG. Die Staatsanwaltschaft Freiburg hat am Mittwoch das vorläufige Ergebnis der medizinischen Alterseinschätzung vorgelegt: Hussein K., der im Verdacht steht, die Studentin Maria L. am 16. Oktober 2016 an der Dreisam vergewaltigt und umgebracht zu haben, soll mindestens 22 Jahre alt sein. "Die medizinischen Gutachten legen nahe, dass der Beschuldigte zur Tatzeit bereits Erwachsener (mindestens 22 Jahre) war", heißt es in einer Mitteilung der Behörde. Die Ermittlungen – auch zur Altersfeststellung – seien jedoch noch nicht abgeschlossen.

Hussein K. war allein, ohne Familienangehörige, im November 2015 nach Deutschland gekommen. Bei seiner Einreise gab er beim Jugendamt der Stadt Freiburg an, 16 Jahre alt zu sein. Deshalb wurde er von der Behörde in Obhut genommen und von einem Jugendhilfeträger bei einer Arztfamilie im Freiburger Osten untergebracht. Dass er in Griechenland bereits ein schweres Verbrechen begangen hatte, wusste weder die Bundespolizei, die ihn aufgegriffen hatte, noch das Jugendamt, wie die Stadt Freiburg in einer Stellungnahme am Mittwoch hervorhob.

Das Freiburger Rathaus betonte zudem, dass K.s Angaben für die Jugendamtsmitarbeiter damals stimmig gewesen seien und es keinen Anlass für Zweifel gegeben habe. Nur in Zweifelsfällen sieht das Gesetz ein medizinisches Gutachten zur Alterseinschätzung vor. Üblicherweise basiert die Altersfestsetzung auf einer psychosozialen Begutachtung, die auf einem ausführlichen Gespräch des Fachpersonals mit dem unbegleiteten minderjährigen Ausländer (UMA) beruht. Die Fragen folgen im Wesentlichen einem Leitfaden des Kommunalverbands für Jugend und Soziales Baden-Württemberg.

Bis Mai 2015 wurden für die Altersfestsetzung von UMAs in Freiburg häufig zusätzlich auch medizinische Methoden angewandt: Zur Überprüfung der Skelettreife gehörte beispielsweise das Röntgen der Hand oder eine Computertomografie des Schlüsselbeins. Nach Kritik an der Ungenauigkeit und der freigesetzten Strahlung wurden diese Verfahren bundesweit eingestellt und, dann oft in Kombination, nur noch auf richterliche Anordnung angewandt. Die Staatsanwaltschaft Freiburg hatte ein solches medizinisches Gutachten nach der Festnahme von Hussein K. Anfang Dezember 2016 in Auftrag gegeben. Es seien dafür verschiedene Verfahren wie Röntgen benutzt worden, zum Beispiel seien Zähne und Kiefer untersucht worden, sagte Oberstaatsanwalt Michael Mächtel, Sprecher der Ermittlungsbehörde. Demnach sei K. "mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit" zur Tatzeit mindestens 22 Jahre alt gewesen – in Prozenten wollte Mächtel die Wahrscheinlichkeit nicht ausdrücken.

Noch kein Abschlussbericht – Ermittlungen laufen weiter

Weitere Ermittlungen, auch zur Altersfeststellung, stünden noch aus, allerdings keine weiteren medizinischen Untersuchungen. Aufgearbeitet werden zum Beispiel die Ereignisse in Griechenland. Auf der Insel Korfu hatte K. 2013 eine junge Frau eine Klippe hinuntergestoßen. Die 20-jährige Studentin überlebte schwer verletzt. K. wurde zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt, jedoch nach eineinhalb Jahren aufgrund eines Amnestiegesetzes entlassen. Danach setzte er sich nach Deutschland ab.

Für das Strafverfahren ist das Alter extrem wichtig: Da K. als volljährig eingestuft wurde, wird der Prozess öffentlich vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts verhandelt. Im Falle eines Schuldspruchs wird er nach dem für Erwachsene geltenden Strafgesetzbuch verurteilt, bei einer Verurteilung wegen Mordes droht ihm lebenslang Gefängnis.

Wäre K. als Heranwachsender (zwischen 18 und 21) eingestuft worden, wäre das Verfahren zwar ebenfalls öffentlich am Landgericht geführt worden. Allerdings wäre die Anklage dann vor einem Jugendstrafgericht verhandelt worden. Der zuständige Richter hätte aufgrund der in der Verhandlung gewonnenen Erkenntnisse über die Reife des Angeklagten entscheiden müssen, ob dieser nach Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht verurteilt wird. Bei Minderjährigen liegt das Höchstmaß bei Mord bei zehn Jahren Gefängnis, bei Heranwachsenden, die nach Jugendstrafrecht verurteilt werden, bei 15 Jahren.

Als Todesursache wurde Ertrinken festgestellt. Ermittelt wird laut Mächtel wegen Mordes, es bestehe weiterhin dringender Tatverdacht: Die Kripo geht nach BZ-Informationen davon aus, dass K. die junge Frau absichtlich so im Wasser der Dreisam abgelegt hat, dass das Opfer keine Chance zum Überleben hatte. Er könnte sie beispielsweise zur Befriedigung seines Geschlechtstriebs oder zur Verdeckung der Vergewaltigung getötet haben. Zwar wurde die Sonderkommission inzwischen aufgelöst. Allerdings liegt der kriminalpolizeiliche Abschlussbericht aufgrund der ausstehenden Ermittlungen noch nicht vor. Erst dann kann Anklage erhoben werden. Deshalb könne man derzeit auch noch nichts über das Datum des Prozesses sagen, sagte Mächtel.

Der Freiburger Anwalt von Hussein K. kennt das Gutachten noch nicht und kann sich deswegen dazu auch noch nicht äußern. Dass ein vorläufiges Ergebnis vorliegt, habe er erst am Mittwochmittag auf der BZ-Homepage mitbekommen. Der Anwalt bestätigte, dass sich sein Mandant weiter im Gefängniskrankenhaus Hohenasperg befindet. Zur Tat hat sich Hussein K. bislang nicht geäußert.

Ressort: Südwest

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 23. Februar 2017: PDF-Version herunterladen

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